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Nach dem rasanten Anstieg des Chartermarkts naht nun die Stunde der Wahrheit. In den ruhigen Sommermonaten wird sich zeigen, ob die Nerven der Container-Reeder stark genug sind, um die Ratensteigerungen zu verteidigen.

Im Juni hat die Befrachtungsaktivität bereits spürbar nachgelassen, was um diese Jahreszeit jedoch nicht weiter verwundert. Dennoch zogen die Charterraten[ds_preview] am Spotmarkt sowie für Anlieferungen bis 2011 hinein mit etwas vermindertem Tempo weiter an. Der ConTex der Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten (VHSS) stieg in den vergangenen vier Wochen erneut um rund 16 % (Stand 06.07). Im Vierwochenzeitraum davor betrug die Steigerung noch 20 %. Die Dynamik hat sich dabei deutlich von den Panamax-Typen oberhalb von 3.500 TEU in die Größenklassen von 1.000 bis 3.000 TEU verlagert, was Makler auch auf die Tatsache zurückführen, dass das Angebot an großen Schiffen weitgehend abgegrast ist. Allerdings handelten die Befrachter einige Superpostpanamaxfrachter untereinander, was zeigt, dass den Linienreedern trotz des hohen Kapazitätsaufbaus im bisherigen Jahresverlauf noch nicht der Appetit auf Großtonnage vergangen ist. Dabei tat sich vor allem die taiwanesische Linie Evergreen hervor, die offenbar einiges aufzuholen hat. Das Unternehmen ist durch seine Zurückhaltung bei Neubauinvestitionen in den vergangenen Jahren erstmals seit den 80er Jahren aus den Top 5 der globalen Carrier herausgepurzelt auf den sechsten Platz. Mit einem ambitionierten Neubauprogramm wollen die Taiwanesen nun wieder Terrain zurückerobern. Mit der koreanischen Samsung-Werftengruppe wurden bereits Verträge für zehn 8.000-TEU-Carrier unterzeichnet, und 20 weitere Verträge mit anderen Werften stehen dem Vernehmen nach kurz vor dem Abschluss. Da die Neubauten erst in den nächsten Jahren zur Ablieferung kommen, Evergreen der Konkurrenz bis dahin aber nicht das Feld überlassen will, nahm man kurzerhand zwei 10.000-TEU-Schiffe der israelischen Linie Zim als Relet für drei Jahre zu je 41.000 USD pro Tag in den Beritt. Außerdem charterte Evergreen zwei 8.500-TEU-Schiffe der China Shipping Container Line, mit der inzwischen mehrere gemeinsame Dienste betrieben werden.

Weniger Geschäft im Panamax-Segment

Im Bereich der Charterschiffe um 4.250 TEU tat sich nur noch wenig. »In dem oberen Segment ist Ruhe eingekehrt. Die Verfügbarkeit von Schiffen ist zwar sehr knapp, doch die Anfragen haben auch etwas nachgelassen«, beobachtete ein Londoner Makler. Monatelang kannten die Raten nur einen Weg – nach oben! – doch die gesunkene Aktivität sorgt nun für Verunsicherung. Die ConTex-Bewertung der Charterraten im 4.250-TEU-Sektor fiel Ende Juni wieder leicht unter 24.000 USD pro Tag. War das nun schon der Höhepunkt, mag sich mancher Marktteilnehmer fragen? Zu einer klaren Prognose für den weiteren Jahresverlauf lässt sich kaum jemand hinreißen, zu groß sind die Fragezeichen am Konjunkturhimmel. »Ob es sich um saisonale Faktoren oder eine nachhaltige Abschwächung der Nachfrage handelt, wird sich in den nächsten Monaten klären«, so ein anderer Befrachtungsmakler. Die Vorgaben von den Verkehrsmärkten sind weiterhin positiv. Der Asien-US-Verkehr soll unterstützt durch die Wiederauffüllung der Läger bei den Kunden im Juni auf ein neues Monatshoch geklettert sein. Auch auf der Asien-Europa-Route war von einer Abkühlung nichts zu spüren. Stellplätze und vor allem Equipment sind absolute Mangelware (siehe Logistikbeitrag Seite …) und die Frachtraten weiterhin fest bis steigend. Große Speditionen wie DB Schenker warnen ihre verladende Kundschaft vor einem generellen Ratenanstieg bei nahezu allen Carriern. Durch die angekündigten Peak Season Surcharges von 100 bis 400 US$/TEU plus zum Teil Equipment Imbalance Surcharges dürften die Raten ex Fernost zum Nordkontinent diesen Monat wieder auf über 2.000 US$/TEU (ohne Umschlaggebühr) klettern. Damit wäre das Niveau, das zu Jahresanfang und bis zur Einführung neuer Dienste im April vorherrschte, wiederhergestellt werden. Die Verkehrsnachfrage ist dabei nur die eine Seite der Medaille. So sind die hohen Raten, die jetzt in vielen Fahrtgebieten wieder auf 2008er Niveau notieren, auch – oder vor allem – eine Folge des strengen Kapazitätsmanagements der Linienreeder. Die Carrier halten das Stellplatzangebot knapp genug, um einen erneuten Preiseinbruch zu vermeiden. So sind nach Zählung von AXS Alphaliner immer noch 2,5 % der weltweiten Containerschiffskapazität vorübergehend aufgelegt.

Es gibt zumindest Anzeichen, dass sich das Wachstum der Ladungsmengen in der zweiten Jahreshälfte etwas abgekühlt, wie es die weltgrößte Containerreederei Maersk schon vor Monaten prophezeit hat. Dann müssten die Linien noch penibler darauf achten, dass die aktive Schiffskapazität in Zaum gehalten wird.

Beschaffungsmanager vorsichtiger

Die Rückgänge der Einkaufsmanager-Indices für das verarbeitende Gewerbe lassen bei einigen Marktteilnehmern sicherlich die Warnlichter anspringen. Der China Manufacturing Purchasing Managers’ Index der Großbank HSBC weist für das Reich der Mitte im Juni einen Rückgang von 52.7 auf 50.4 Punkte aus. Zum ersten Mal seit 14 Monaten sei der Produktionsausstoß gegenüber dem Vormonat damit gesunken. Die Verringerung deute auf eine Verlangsamung des Wachstums der chinesischen Industrie hin, »auch bedingt durch die Sparmaßnahmen«, so der Chefvolkswirt von HSBC für China, Hongbin Qu. »Aber die Sorgen über eine mögliche harte Landung sind übertrieben. Wir erwarten ein Wachstum von 9 % in der zweiten Jahreshälfte, das durch anhaltende massive Investitionen und robusten Konsum untermauert wird.« Gleichwohl rechnen viele Experten mit einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Exportindustrie, die für den Großteil der TEU-Meilen-Nachfrage im globalen Containerverkehr verantwortlich ist. Neben der Entscheidung Pekings, die eigene Währung Renminbi langsam aufwerten zu lassen, kommen die Exporteure des Landes auch durch wachsende Streiks und Lohnerhöhungen in Bedrängnis. »Es ist noch unklar, ob die US-Importe aus China durch Billigeinfuhren aus Bangladesch, Indien, Indonesien oder Vietnam ersetzt werden, oder ob die Einfuhr aus Asien insgesamt abnehmen wird«, orakelt AXS Alphaliner. Der US-Einkaufsmanagerindex des Institute for Supply Management für das verarbeitende Gewerbe sank im Juni auf 56,2 Punkte von 59,7 im Vormonat. Das Äquivalent für die Eurozone gab von 55.8 auf 55.6 Punkte nach. Ein Absturz lässt sich aus diesen Zahlen keinesfalls herauslesen – nur eine Verlangsamung des Wachstums – weil Werte über 50 immer noch wirtschaftliche Expansion signalisieren. Relativ optimistisch in Bezug auf die zu erwartende Entwicklung der Verkehrsströme zeigt sich die dänische Danske Bank in der jüngsten Auflage ihres European Freight Forwarding Index. Für die Seefrachtsparte lag der Index im Juni mit 70 Punkten so hoch wie im Mai, nur der Indikator für die Erwartungen der Marktteilnehmer in den nächsten Monaten zeigt mit 63 und 61 Punkten für Juli und August nach unten. »Es dürfte sich dabei um saisonale Faktoren handeln, für nächsten Monat erwarten wir eine Verbesserung«, kommentiert Danske die jüngste Umfrage unter 146 Speditionen. Die wirtschaftliche Erholung sei weiterhin in Takt, so die Autoren.

Marktverzerrungen lösen sich langsam auf

Am Chartermarkt spekulieren viele Reeder trotz der unübersichtlichen makroökonomischen Gemengelage auf weitere Ratenverbesserungen vor allem für die kleineren Schiffsklassen, die bislang nicht angemessen von der Hausse profitiert haben. Entsprechend haben sich Verzerrungen am Markt gebildet, die betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen sind. So lagen die Slotkosten (pro 14 t homogen) der Panamaxe laut Hamburg Index entgegen dem eigentlich zu erwartenden Betriebsgrößeneffekten im Juni deutlich höher als in einigen Feeder- und Handy-Größensegmenten.

Wenn die jetzige Dynamik anhält, könnten sich die Verhältnisse bald normalisieren. Denn zuletzt leuchteten vor allem die 1.700-TEU- und 1.100-TEU-Typen durch kräftige Ratensteigerungen. 1.700-TEU-Typen werden inzwischen zu über 8.000 US$ pro Tag gehandelt und können mit entsprechender Ausstattung in gemischten Breakbulk-/Container-Trades sogar über 10.000 US$ erzielen – so zum Beispiel der 1997 gebaute B170-Typ »Madeleine Rickmers«, der bei der Swire-Tochter China Navigation 10.400 US$ für 12 Monate in der Pazifikfahrt erhält. Bemerkenswert auch die jüngsten Abschlüsse von 1.100-TEU-Schiffen mit Ladegeschirr zu sehr festen 7.000 US$ in Asien. In Europa hinken die Raten allerdings hinterher, da die Schiffe hier auch weniger zahlende Ladung vorfinden als in Fernost. Ein extremes Beispiel für das Gefälle war der Abschluss des 1.345-TEU-Schiffs »Ranjan« zu nur rund 5.500 US$ für sechs Monate plus Option bei Hapag-Lloyd im Karibikdienst, während ein baugleiches Schiff bei der Maersk-Tochter MCC in Fernost 7.500 US$ erhalten haben soll. »Ein so großer Abstand entspricht auf keinen Fall dem aktuellen Markt«, kritisiert ein Hamburger Befrachtungsmakler. Inzwischen sollen andere etwas größere Schiffe auch im Atlantik zu über 7.000 US$ Beschäftigung gefunden haben.

Die Maklerfirma Harper Petersen sieht hingegen die Gefahr, dass der Raten-Spread kurzfristig zunimmt. »Wir rechnen damit, dass sich das Missverhältnis zwischen Asien und Atlantik verschärft, weil die Marktabkühlung in den Sommermonaten den Markt in Europa härter treffen dürfte«, schreiben die Experten.
mph