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HANSA im Gespräch mit Michael Ippich von der URAG, Bremen, und Thorsten Schütt von der Linnhoff Schiffahrt, Buxtehude

HANSA: Ihr Unternehmen begeht in diesem Jahr sein 120. Jubiläum. Gibt es bei der URAG in Bremen trotz[ds_preview] den gegenwärtigen Problemen in der Schifffahrt etwas zu feiern?

Michael Ippich: 2009 haben wir uns in einem schweren Sturm befunden. Aus der Natur wissen wir, dass sich danach oft eine Rückfront bildet, die gekennzeichnet ist durch klare Sicht, aber oft auch noch starke Böen mit sich bringt. Mit dieser Metapher möchte ich das einmal vergleichen: Wir sehen in unserem Jubiläumsjahr einen Silberstreifen am Horizont, dennoch müssen wir die Nachwirkungen noch abwettern.

HANSA: Blickt man auf einen so langen Zeitraum zurück, kann man sich die Frage stellen: Was hat sich im Schleppgeschäft heute im Vergleich zur Gründerzeit grundlegend geändert?

Thorsten Schütt: So wie sich in der Schifffahrt in 120 Jahren vieles verändert hat, ist dies natürlich auch im Schleppgeschäft geschehen. Abgesehen von der Entwicklung vom Dampf- zum Voith-Schneider-Antrieb, den wir seit den 1950er Jahren permanent bei unseren Schleppern einsetzen, sind die Fahrzeuge größer und stärker geworden. Zudem haben sich die Aufgabenbereiche erheblich erweitert.

HANSA: Als die »Schleppschifffahrtsgesellschaft (damals schon mit drei »f«) Unterweser« im August 1890 gegründet wurde, war sie eine Reederei für den reinen Schleppdienst. Heute sind Sie auch auf anderen Gebieten aktiv?

M. Ippich: Neben der Schlepperassistenz in den Häfen sind unsere Schlepper ständig im Hochsee- und Bergungseinsatz. Hinzu bekommen die Aktivitäten im Offshore-Geschäft immer mehr Gewicht. Wir überführen und versetzen weltweit Bohrinseln und führen so genannte »milk runs«, also regelmäßige Versorgungseinsätze zu Ölplattformen durch. Ein neuer Zweig im Offshore-Bereich sind die rasant wachsenden Windparks. Auch hier sind wir zunehmend im Einsatz.

HANSA: Seit 1922 heißt das Unternehmen »URAG« (Unterweser Reederei Aktiengesellschaft). Zwei Jahre zuvor hatte man die ersten beiden Handelsschiffe »Bockenheim« und »Gonzenheim« erworben. Heute befinden sich auf der Flottenliste der URAG keine Frachtschiffe mehr. Warum nicht?

M. Ippich: Durch die Zugehörigkeit zur Metallgesellschaft wurde die SGUW, die heutige URAG, auch eine Frachtschiffsreederei. Heute sind wir wieder ein Familienunternehmen und suchen uns die Geschäftsfelder vornehmlich dort, wo wir meinen, etwas verdienen zu können.

HANSA: Welchen Stellenwert nimmt das Offshore-Geschäft in Ihrem Unternehmen ein, und wie schätzen Sie die Entwicklung auf diesem Gebiet in der Zukunft ein?

T. Schütt: Wenn wir von der Einnahmeseite ausgehen, macht unser Betrieb für die Offshore-Industrie etwa 30 % aus. Dieser Bereich wird in Zukunft sicherlich weiterhin eine große Rolle spielen. Was uns Sorge bereitet, ist der Einstieg zahlreicher KGs mit Investitionen, die zuvor in die Frachtschifffahrt gingen. Etwas Ähnliches beobachten wir nun im Offshore-Schleppgeschäft, wo der Markt mit einer Vielzahl von Neubauten überschwemmt wird. Dies wird unweigerlich zu Überkapazitäten führen, und der dadurch ausgelöste Margendruck wird auch die bisher im Markt tätigen Spezialreedereien treffen. Vor allem wird dabei aber geflissentlich übersehen, dass es in diesem Geschäft nicht nur um die Gestellung eines Schiffes geht, sondern dass man auch hoch spezialisiertes und hervorragend ausgebildetes Personal benötigt. Bevor ein Kapitän einen Versorger oder Anchor Handler übernimmt, braucht es jahrelange Erfahrung. Viele unserer Kunden fordern regelrecht einen bestimmten Schiffsführer an, um die sichere Umsetzung ihres manchmal schwierigen Auftrags sicherzustellen.

HANSA: Sehen Sie Anzeichen für eine Erholung des Containerverkehrs durch vermehrte Schleppaufträge, z. B. in Bremerhaven?

M. Ippich: Im vergangenen Jahr fühlten wir uns in etwa so, als seien wir »von der Tischkante gestürzt«. Die Lage verbessert sich zunehmend, und die Schiffe sind wieder besser ausgelastet. Das führt andererseits dazu, dass die Linien größere Einheiten einsetzen. Insgesamt ziehlt das Schleppgeschäft in Bremerhaven wieder an.

HANSA: Wird es in Zukunft Schiffe geben, die aufgrund ihres innovativen Antriebs auf Schlepperassistenz verzichten können?

T. Schütt: Wir nehmen zunehmend den Trend wahr – insbesondere bei großen Passagierschiffen –, dass man aus Kostengründen gern auf Schlepperassistenz verzichten möchte. Das ist oft jedoch witterungsbedingt oder schon aus versicherungstechnischen Gründen gar nicht möglich. Wenn das Schiff beim selbständigen An- oder Ablegen zu Schaden kommt – oder einen Schaden anrichtet –, entstehen erheblich höhere Kosten, als jede Schlepperhilfe gekostet hätte. Übrigens könnte auch das zunehmend diskutierte Thema der Belastung durch Abgase von Seeschiffen in Hafenstädten durch eine frühzeitige Annahme von Hafenschleppern adressiert werden. Für die zum Teil recht langen Revierfahrten tanken Hafenschlepper nämlich ganz normalen Diesel – wie er an jeder Tankstelle erhältlich ist.

HANSA: Die Schlepper von heute sind reine Kraftprotze, die mit ungeheurem Pfahlzug ihren Dienst versehen. Hat man damit das Optimum erreicht, oder wird es auch in diesem Bereich immer »höher, weiter, schneller« gehen?

T. Schütt: Wir glauben, dass sich Größe, Stärke sowie der damit verbundene Pfahlzug der heutigen Schlepper in absehbarer Zukunft nicht mehr groß verändern müssten. Nach unserer Erfahrung reichen 65 t für die Hafenassistenz vollkommen aus. Allerdings hält der Trend zu höherer Leistung an, im Hafen von Rotterdam wird beispielsweise bei den letzten Schlepperneubauten ein Pfahlzug von über 90 t erreicht. Wir werden uns auf jeden Fall dem Wettbewerb stellen und dies auch mit unseren Neubauten erneut unter Beweis stellen.

Übrigens führt der Trend fast automatisch auch zu größeren Tiefgängen. Das ist in Schleusen hinderlich, kann aber auch bei Bergungen zu Problemen führen, was zum Beispiel im Fall der »Pallas« zu der bekannten Katastrophe beigetragen hat. Da die Mannschaft an Bord des Havaristen nicht rechtzeitig die Trossen des Bergungsschleppers »Oceanic« festmachen konnte, trieb das Schiff in flachere Gewässer und kam dort fest. Mit den neuen Notschleppern, die wir im Rahmen der ARGE Küstenschutz zur Zusammenarbeit mit und für das Havariekommando erwarten, kommen Fahrzeuge an der Küste zum Einsatz, die auch auf einen geringeren Tiefgang ausgelegt sind.

Größe allein ist also nicht immer das Patentrezept. Aus unserer Sicht wäre es erstrebenswerter, eine bessere Ausbildung des Personals und die Anpassung der Ausrüstung an Bord der Seeschiffe sicherzustellen.

HANSA: Wir wünschen Ihnen weiterhin alles Gute für die Zukunft und danken für dieses Gespräch.