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Experten warnen vor erneuten Transport- und Abfertigungsengpässen. Auch Container werden Mangelware. Hapag-Lloyd-Manager Henner Meyer fordert schnelleren Austausch von Dispositionsdaten, damit Verkehr besser koordiniert werden kann

Die Kapazitätsengpässe in den maritimen Verkehren spitzen sich nach dem Investitionsstopp in neue Container, Lkw und Bahnwaggons heute im[ds_preview] Wiederaufschwung der Weltwirtschaft rasant zu. Mit einer Entspannung ist so schnell auch nicht zu rechnen. Davon gingen Fachleute aus Spedition und Schifffahrt auf der Hanselog-Konferenz der Bundesvereinigung Logistik (BVL) aus, die Ende Juni in Hamburg stattfand.

Um sich Container und Stellplätze an Bord der Schiffe zu sichern, bleibt Verladern oft keine andere Wahl, als Ratenzuschläge zu bezahlen. Nicht nur die unerwarteten Nachfragespitzen bereiten den Disponenten Kopfschmerzen. Auch im Basisgeschäft, das größere Verlader durch Jahreskontrakte mit den Reedereien fest im Voraus fixieren, müssen Kunden nach Angaben aus dem Markt immer häufiger draufzahlen oder längere Laufzeiten in Kauf nehmen, weil die Container nicht zeitgerecht gestellt werden können. Die Gestellung von Containern an den Ladestellen dauere in Deutschland heute meist ein bis drei Tage länger als unter normalen Bedingungen, sagte Detlev Krieger, Leiter der FCL-Inlandslogistik in Deutschland bei DHL Global Forwarding. Dadurch drohen die in Folge von Slow Steaming ohnehin schon deutlich verlängerten Transitzeiten noch einmal zuzunehmen. Zudem hätten sich die Pickup- und Dropoff-Gebühren, die die Kunden bei Abholung und Abgabe der Boxen in den Depots bezahlen müssen, in Deutschland um bis zu 250 % verteuert.

Eigentlich seien die Gebühren als Regulativ für die marktgerechte Verteilung des Equipments gedacht. Durch die Preissteigerungen bei gleichzeitig sinkender Servicequalität drängt sich Verladern aber zunehmend der Eindruck auf, dass die Linienreeder bloß absahnen wollen. »Wir leiden gegenüber unseren Kunden in unserer Leistungserbringung, und wir sehen höhere Pickup- und Dropoff-Fees, die das für unsere Kunden noch unverständlicher machen«, beschrieb Krieger das Spannungsfeld für die Seefrachtspedition.

Produktion fährt nur langsam hoch

Das Angebot an Containern wird in der anlaufenden Hochsaison immer knapper, nachdem Reeder- und Leasingfirmen die Investitionen in neue Boxen nach dem Markteinbruch Ende 2008 gestoppt hatten. Auch dauert es länger, bis die Container wieder für neue Verladungen bereitgestellt werden können, weil sich die Rundläufe der Behälter durch die reduzierten Fahrtgeschwindigkeiten der Schiffe verlängern.

Der Chef der Kühlcontainerdisposition bei Maersk, Thomas Eskesen, warnte bereits vergangenen Herbst auf einer Konferenz in Hamburg, dass sich die Branche auf einen »perfekten Sturm« einstellen müsse. Seine Bemerkungen waren auf Reefer-Container gemünzt. Inzwischen sind auch Standard-Dry-Container in vielen Gegenden Mangelware. Die niederländische Marktforschungsfirma Dynamar geht davon aus, dass sich der Engpass bis Jahresende auf bis zu 900.000 TEU weltweit auswachsen könnte.

Den genauen Bedarf kann man nur schwer taxieren, weil immer noch viele Schiffe mangels Beschäftigung aufliegen. Je schneller sie wieder in Fahrt gebracht werden, desto größer die Nachfrage nach Equipment. Die Daumenregel besagt, dass pro Stellplatz auf den Schiffen mindestens zwei Container gebraucht werden. Fest steht, dass die Produktion der Behälter in Asien nach dem rezessionsbedingten Verkehrsrückgang auf einen Bruchteil des regulären Jahresausstoßes gesunken ist – auf cirka 260.000 TEU im vergangenen Jahr, so Dynamar-Analyst Dirk Visser.

Den Bau neuer Containerschiffe konnten die Reeder wegen der langen Planungszeiten nicht annähernd so stark drosseln. »Dadurch haben sich die Investitionen in Equipment von den Investitionen in Schiffe entkoppelt«, konstatiert Visser und prophezeit: »Der Mangel an Containern wird sicher bis 2011 hinein anhalten.« Zwar geben Linienreeder, Leasinggesellschaften und Finanzfonds jetzt verstärkt neue Behälter in Auftrag, doch die Hersteller müssen erst einmal ihre Fertigungskapazität wiederherstellen, nachdem viele Fabriken Ende 2008 geschlossen wurden. »Es dauert einfach seine Zeit, 10.000 Arbeiter anzuheuern und Fabriken wieder aufzumachen«, sagte Brian Sondey, Chef der US-Container-Leasingfirma TAL International auf einer Konferenz in New York.

DHL-Manager Krieger wies aber darauf hin, dass einige Reedereien die Situation durch intelligente Equipmentsteuerung besser in den Griff bekommen als andere. »Man kann das nicht pauschalisieren«, sagte er.

Dispositionsdaten frühzeitig austauschen

Aus Sicht von Hapag-Lloyd sind die Probleme bei der Containerplanung und –gestellung zu einem Großteil hausgemacht. »Wir sind der Meinung, es sind noch genügend Container da, um den Markt abzudecken. Man muss aber mit dem, was man hat, intelligenter umgehen«, sagte Henner Meyer, Senior General Manager Operations North Europe bei Hapag-Lloyd. Um die Rundläufe zu beschleunigen, habe Hapag im Vorjahr speziell neue EDV-Module für die Equipment-Planung eingeführt.

Auch die Tatsache, dass die Reeder auf ihren Schiffen heute feste Leercontainer-Kontingente einplanen zeige, dass sie die Repositionierung der Behälter für die zahlende Kundschaft ernster nehmen als früher. »Wir nehmen zum Teil lieber drei leere als einen schweren Container mit«, sagte Meyer. Kehrseite der Medaille: Auf den weniger gut ausgelasteten Routen, auf denen viele Leerboxen befördert werden, steigen die Raten ebenfalls steil an.

Meyer betonte aber auch, dass Hapag-Lloyd stillgelegte Stellplatz- und Containerkapazitäten schrittweise wieder mobilisiere. »Aber wir sind vorsichtig«, sagte er. Es sei auch denkbar, dass man die Fahrtgeschwindigkeiten der Schiffe wieder steigert, wenn sich die Engpässe zuspitzen. Die Kunden könnten den Reedern aber durchaus helfen, Angebot und Nachfrage nach Container-Slots in Einklang zu bringen, indem sie ihre Bedarfsprognosen optimieren. »Wir brauchen bessere Volumenvorhersagen, am besten mit Routing-Informationen. Die Genauigkeit lässt heute zu wünschen übrig«, kritisierte Meyer. Erhebliche Verbesserungen ließen sich auch schon bewirken, wenn die bestehenden Planungs- und Dispositionsdaten frühzeitiger mit den Transportpartnern ausgetauscht würden. »Bei Verschiffungen aus Asien heraus mit Vorläufen von drei bis vier Wochen sitzen einige Beteiligte auf Daten herum, die sich wesentlich früher weitergeben können«, so der Hapag-Lloyd-Manager. »Es gibt Arbeitsgruppen, die sich des Themas annehmen, die aber nur langsam vorankommen.«

Equipment-Verfügbarkeit vertraglich gesichert

Frachteneinkäufer in Spedition, Industrie und Handel sind nun dabei, ihre Verträge mit den Carriern neu zu stricken. Denn auch die beste Seefrachtrate nützt gar nichts, wenn der Kunde gar keinen Container bekommt. »Wir müssen jetzt aufpassen und unsere Ziele genau definieren«, sagt Klaus Dickehut, Geschäftsführer der speditionellen Seefrachtkooperation ICOF, deren Mitglieder rund eine halbe Million Containertransporte pro Jahr disponieren. »Früher vereinbarten Sie nur eine Rate, dann mussten Sie, als die Kapazität knapp wurde, auch die Stellplätze sichern. Und heute brauchen Sie obendrein eine Equipment-Allokation«, schildert der Experte.

Zwar versuchen die Reeder, ihren Kunden in vielen Fällen noch Alternativen zu bieten. Doch die kosten meistens mehr Zeit und haben auch ihren Preis. »Ihnen wird dann statt eines Zwanzigfußcontainers ein Vierzigfußcontainer angeboten, aber den können Sie dann nur zur höheren Spotmarktrate verladen. Das gilt nicht nur für Spitzenbedarfe, sondern auch schon für Basisgeschäft«, so die Logistikmanagerin eines großen deutschen Einzelhändlers, die nicht namentlich genannt werden möchte.

Die weltgrößte Linienreederei Maersk stellt Kunden, die kurzfristig zusätzlichen Bedarf haben, klipp und klar vor die Wahl: Entweder sie zahlen eine Sonder-Rate oder die Ladung geht erst bei einer der nächsten Abfahrten mit. Das Priority-Produkt führen die Dänen seit Anfang Juni sukzessive in vielen Fahrtgebieten ein. In den ersten drei Wochen sind nach Angaben von Uffe Oster­gaard, Head of Yield Management bei Maersk, aber erst 1.000 FEU (Vierzigfußcontainer) in 25 Ländern auf dieser Basis verkauft worden.

Ende Juni stand die Einführung im Asien-Europa-Verkehr an, wo sich angesichts der besonders angespannten Lage mehr Interesse entfalten könnte. Der Preisaufschlag für das Prämienprodukt, das den Kunden umgehend einen Container und einen Stellplatz garantiert, variiere je nach Marktbalance von Route zu Route, erklärt Ostergaard. Im Durchschnitt würden rund 200 USD pro TEU extra verlangt. Allerdings beziehe sich das Angebot nicht auf Vertragsladung, sondern nur auf zusätzliche, ungeplante Bedarfe, die eine erhöhte Flexibilität in der Leistungserbringung nötig machen. »Dort, wo eine Vertragsbindung besteht, verladen wir die Container des Kunden regulär und ohne Aufschläge«, stellt Ostergaard klar.

Detlev Krieger von DHL befürchtet unterdessen, dass der Kapazitätsmangel noch andere Bereiche infizieren wird. »Die größte Sorge bereiten uns die fehlenden Investitionen im Bereich der Trucks und der Bahn«, erklärte er. Bei der Schiene sieht er großen Nachholbedarf sowohl bei Infrastrukturprojekten wie der Y-Trasse und der Betuwe-Line auf deutschem Boden, als auch bei Waggons. DHL versuche, Subunternehmer im Bereich des Straßenkraftverkehrs durch kontinuierliche Aufträge enger an sich zu binden, damit Lkw nicht in Folge der Krise stillgelegt würden. Das eigene Volumen solle so disponiert werden, dass »auch unsere Partner ein besseres Auskommen haben«, führte Krieger aus.


mph