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Produktion und Installation von Offshore-Windanlagen dürften die Nachfrage nach Hafen- und Industrielogistik auf Jahrzehnte ankurbeln. Bislang haben die Hersteller und Projektentwickler aber noch keine ideale Lösung für die Organisation der Liefer- und Transportketten gefunden. Experten warnen, dass es nun höchste Zeit ist, dass sich Anlagenbauer, Speditionen und Transportfirmen an einen Tisch setzen, um übergreifende Logistikkonzepte zu erarbeiten.

Durch Standardisierung der Schwergutverladungen, Lieferabrufe und Transporte ließen sich die Gesamtkosten neuer Offshore-Windparks um 8 % reduzieren, sagt Andreas Wellbrock[ds_preview], Projektleiter für Offshore-Logistik bei BLG Logistics in Bremen. Basierend auf den Schätzungen der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung (BIS) beliefen sich die Einsparungen allein für die in Nord- und Ostsee sowie der Irischen See geplanten Projekte auf rund 10 Mrd. €. Laut BIS sind in diesen Gebieten zusammen rund 9.500 Offshore-Windenergieanlagen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 130 Mrd. € geplant. Allerdings müssen die Kosten für die Offshore-Stromerzeugung halbiert werden, »um überhaupt eine Parität mit der Onshore-Windenergie herzustellen«, gibt Wellerbrock zu bedenken. Der Logistik komme dabei eine Schlüsselrolle zu. Neben der Optimierung der Montage- und Umschlagkapazitäten in den Häfen sowie leistungsstarken Installationsschiffen müsse die Branche den gesamten Materialfluss verbessern. Dazu könne sich die Windenergie auf existierende Konzepte aus anderen Branchen wie dem Automobil- oder Maschinenbau stützen. So müssten die Warenübergaben, Verpackungen, das Bereitstellen der Bauteile in den Werken und das Zusammenspiel von Lieferanten und Dienstleistern in Produzentenparks in den Häfen systematisch organisiert werden. Auch die Echtzeit-Verfolgbarkeit der Bauteile durch Radiofrequenzidentifikation und GSM würde erheblichen Zusatznutzen schaffen. Da all dies heute nicht gegeben sei, lägen die Logistikkosten pro Windenergieanlage mit rund 25 % außerordentlich hoch, so Wellbrock. Das sei der Durchschnittssatz, mit dem die Offshore-Anlagenhersteller heute kalkulieren. Hersteller und Logistikdienstleister müssten noch enger zusammenrücken und sich intensiver über gemeinsame Logistiklösungen austauschen, fordert auch Hans-Peter Zint, Geschäftsführer der Cuxhavener Umschlaggesellschaft Cuxport. »Es wäre schön, wenn es seitens der Kunden noch mehr Klarheit über die benötigten Dienstleistungen gäbe.« Die Gespräche müssten jetzt in Gang kommen, damit zum Auftakt der meisten Projekte um 2012/2013 die nötigen Kapazitäten und Umschlaggeräte bereitstehen. Die Diskussion müsse offen geführt werden, wenn man universelle Lösungen vorantreiben wolle. Exklusive Konzepte seien nur bedingt umsetzbar. »Nicht jeder wird für drei Jahre ein ganz eigenes Terminal bekommen können«, dafür reichten die Kapazitäten der Häfen schlichtweg nicht aus, erklärt Zint.

Schon bei der Planung einzelner Verladungen kommt es mangels Standards immer wieder zu Missverständnissen. Jürgen Mackeprang vom Sachverständigenbüro Kapitän Möller & Partner, stellte kürzlich auf der Windforce-10-Konferenz in Bremerhaven fest: »Wir sehen oft Transportzeichnungen ohne Schwerpunkt.« Beim Anheben der Kolli muss aber darauf geachtet werden, dass sich der Schwerpunkt direkt unterm Kranhaken befindet, weil sich das Schwergut sonst losreißen kann. Das Problem sei, dass viele Ingenieure und Zeichner ohne seemännisches Vorwissen in den Offshore-Bereich kommen und die Anforderungen bei Verladungen nicht kennen. Um das Verständnis der Projektmitarbeiter für die Hafen- und See-Logistik zu schärfen, hat Mackeprang sich überlegt: »Man sollte die Leute auf ein traditionelles Segelschiff schicken.«

Hafen als Warenausgangszone

Die Projektlogistik in den Häfen, wo sowohl montiert als auch umgeschlagen werden muss, wird sich stark um schwere, überdimensionale Güter drehen, so viel ist gewiss. Wie die Prozesse im Einzelnen laufen sollen, ist noch unklar. Die einen befürworten den Einsatz großer Transport- und Installationsschiffe, die selbständig laden und die Anlagen dann auch aufstellen. Andere schwören auf Feeder-Konzepte, bei denen kleine Zubringerschiffe die Turbinen und Flügel zu den Installationsplattformen auf See hinausbringen. Auch bei den erforderlichen Kranhebekapazitäten scheiden sich die Geister. Die größten Gondeln wiegen heute rund 400 t. Ihr Gewicht könnte aber auf über 600 t ansteigen, wenn neue Anlagen mit Kapazitäten bis 10 MW eingeführt werden. »Diese Logistik können Sie nicht mehr über die Straße abwickeln«, sagt Dirk Briese, Geschäftsführer der Marktforschungsfirma Trendresearch, die eine umfassende Studie über Transport, Logistik und Häfen für die Offshore-Windenergie vorgelegt hat. Werke und Montageflächen für die Großkomponenten müssten gezwungenermaßen dicht am Wasser sein und die Hafenterminals ihre Warenausgangszonen. Die Fertigungslinien dürften von den Hallen bis auf die Transport- und Installationsschiffe führen, wo noch die letzten Schrauben angezogen werden, bevor es hinaus in die Baufelder geht. »Wir gehen davon aus, dass wir mindestens drei Häfen an der deutschen Nordseeküste und zwei für die Ostsee benötigen«, so Briese.

Mit Emden, Bremerhaven und Cuxhaven haben sich an der Nordsee schon drei mächtige Wettbewerber ins Zeug gelegt, um ihre Ansprüche frühzeitig abzustecken. So hat in Cuxhaven bereits die Erweiterung des im Frühjahr 2009 eröffneten Offshore-Basishafens begonnen, wo die Bard-Tochtergesellschaft CSC ihre bis zu 450 t schweren »Tripiles« (Gründungskörper) verlädt. Der jetzt in Bau befindliche Liegeplatz 9 mit 600 m Kailänge ist für den Neukunden Strabag vorgesehen, der dort nach einem ganz neuen System komplett montierte Windenergieanlagen samt Schwerkraftfundament umschlagen will. Allerdings zeichnen sich bei der Beantragung der nötigen Zulassungen durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Verzögerungen ab. Strabag sollte ursprünglich die 6.000 t schweren Fundamente für die 80 Anlagen des geplanten Windkraftwerks Global Tech I 110 km nordwestlich von Cuxhaven liefern. Doch nach Angaben aus Branchenkreisen schaut sich der Projektentwickler Wetfeed Offshore Windenergy wegen der Verzögerungen schon nach Alternativen für die ersten 40 Anlagen um. Solche Startschwierigkeiten seien in ganz jungen Branchen nichts Ungewöhnliches, »es gibt Verzögerungen, aber die Projekte kommen«, ist sich Dirk Briese von Trend Research sicher.

Darüber hinaus will die Umschlaggesellschaft Cuxport ihr benachbartes Mehrzweck-Terminal an der Elbmündung um einen weiteren Liegeplatz für die Offshorebranche erweitern. Samt der schon existierenden Schwerlastplattform könnten dann 290 m Kaimauer exklusiv für Lagerung und Umschlag von Windenergieanlagen mit herkömmlichen Fundamentstrukturen (Gerüst, Monopile, Tripile) zur Verfügung stehen. »Die Planung ist im Sommer abgeschlossen. Sobald wir sehen, dass der Markt das benötigt, fangen wir an zu bauen«, sagt Cuxport-Geschäftsführer Zint.

Bremen will für Montage und Verladung der Komponenten bis 2014 einen neuen Offshore-Basishafen im Blexer Bogen in Bremerhaven bauen und für das Projekt in den nächsten zwei Jahren private Investoren finden. Dort sollen bis zu 160 Anlagen pro Jahr umgeschlagen werden. »Es könnte sein, dass das nur die erste Ausbaustufe sein wird, wenn sich die Nachfrage weiter so entwickelt«, so der Bremer Staatsrat Dr. Heiner Heseler.


mph