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Im Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven wurde am 18. Dezember 2009 das auf der Werft Fassmer GmbH & Co. KG in Berne / Motzen gebaute 34 m lange Peilschiff »Grimmershörn« getauft. Damit war es möglich, das seit über vierzig Jahre im Einsatz befindliche Peilschiff »Greif« zu ersetzen.

Einleitung

Durch die Fachstelle Maschinenwesen Nord in Rendsburg, die als technische Fachbehörde im Zuständigkeitsbereich der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen[ds_preview] Nord und Nordwest u. a. für die Planung und Abwicklung der Beschaffung von Wasserfahrzeugen für verwaltungsspezifische Aufgaben­erledigungen verantwortlich ist, wurde der Neubau dieses Peilschiffes abgewickelt. Nach entsprechenden Entwurfs-, Spezifikations- und Planungsarbeiten wurde ein EU-weites Offenes Vergabeverfahren eingeleitet, das am 14. Januar 2008 mit der Auftragserteilung an die Werft Fassmer GmbH & Co. KG in Berne / Motzen abgeschlossen wurde.

Veranlassung

Das Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven hat im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes auch die Aufgabe, im Bereich der Außen- und Unter­elbe die Wasserstraße durch hydrographi­sche Vermessungen zu überwachen. Hierzu gehören die Überwachung der Gewässersohle sowie Inspektions- und Beweissicherungspeilungen. Der Umfang der Aufgaben, das Abfahren vorgegebener Peillinien und Fahrwasserquerpeilungen und die bestehenden Witterungsbedingungen in diesen Revieren erfordern ein seetüchtiges Fahrzeug mit guten Manövriereigenschaften und leistungsfähiger Peiltechnik. Der Neubau entspricht den An­forderungen an ein schnelles und robustes Peilschiff mit dem Fahrtgebiet der Außen- und Unterelbe.

Konzeption

In der Fahrzeugkonzeption wurden die Anforderungen durch die Peilaufgaben ebenso berücksichtigt wie die Zielsetzungen für ein sehr gutes Seegangsverhalten und einen wirtschaftlichen Betrieb des Fahrzeuges. Mit einer Schiffslänge in der CWL von 35,00 m, einem Tiefgang bis Unterkante Kiel von 3,10 m und einer Messbirne am Vorschiff wurden hierfür wesentliche Parameter festgelegt. Das Fahrzeug ist entsprechend den Vorschriften des Germanischen Lloyd mit dem Klassezeichen GL X 100 A 5 (Küstenfahrt) und für die Maschinenanlage GL X MC AUT gebaut worden. Die Antriebskonzeption beinhaltet einen Festpropeller, der über ein Wende- und Untersetzungsgetriebe von einer Hauptmaschine direkt angetrieben wird und ermöglicht bei 90 % MCR eine maximale Fahrzeuggeschwindigkeit von 13 kn. Durch ein Querstrahlruder im Vorschiff und ein Aktivflossenruder kann das Schiff sicher manövriert werden. Die Energieversorgung erfolgt über zwei Hilfsdieselaggregate.Entsprechend der Aufgabenstellung hat dieses Peilschiff neben dem Navigationslot im Vorschiff ein Doppelschwingersystem für Fächerpeilungen und im Mittschiffsbereich zwei Einzelschwinger für Linienpeilungen. Das Fahrzeug ist mit den notwendigen Wasserschallsonden und Positionsbestimmungssystemen ausgestattet. Die Rechentechnik wurde an einem Peilarbeitsplatz zusammengefasst. Das klimatisierte Ruderhaus hat steuerbordseitig den Hauptfahrstand, auf der Backbordseite einen Nebenfahrstand für Anlegemanöver und im hinteren Bereich den Peilarbeitsplatz. Auf der Brücke sind alle nautischen sowie steuerungs- und alarmrelevanten Anlagen zusammengeführt. Neben einem Aufenthaltsraum beinhalten die Aufbauten eine Kombüse und ein WC. Im vorderen Aufbaubereich sind, zusammen mit zwei Sanitärzellen, fünf Einzelkammern vorhanden, deren Ausstattung den Vorgaben des Auftraggebers entspricht.

Entwurf, Konstruktion und Bauausführung

Für den Entwurf des Schiffskörpers wurden die durch die Peiltechnik ermöglichte Einsatzgeschwindigkeit, eine anströmungsoptimierte Position der Schwinger, die notwendige Stabilität bei Seegang und eine robuste Ausführung berücksichtigt. Der strömungsoptimierte Rumpf ist als Rund­spant-Verdränger in kombinierter Längs- und Querrahmenbauweise in Stahl ausgeführt. An der Unterkante des Vorschiffs ist eine Messbirne mit einer beiderseitigen Aufkimmung von 30° angeordnet, die in einen ebenen Kastenkiel übergeht und der seinerseits als Ruderhacke am Aktivflossenruder endet. Zwei im Mittschiffsbereich angebrachte Schlingerkiele und ein strömungsgünstig in die Außenhautkontur eingebundenes Totholz verringert die Rollbewegungen des Schiffes. Die notwendige Kursstabilität bei gleichzeitig guten Manövriereigenschaften wird durch den Einbau eines Aktivruders Typ Heracles HCR der Firma Becker Marine Systems erreicht. Das Fahrzeug hat ein durchlaufendes Hauptdeck, welches mit Bucht und Sprung ausgeführt ist. Im Heckbereich sind Zurraugen für eine Ladungssicherung vorhanden. Auf der Steuerbordseite dieses Bereiches ist ein Bereitschaftsboot mit einer Bootsaussetzvorrichtung Typ Global Davit vorhanden, die im Liegebetrieb als Ladekran mit einer SWL von 10 kN genutzt werden kann. Die Decksausrüstung entspricht den gültigen Vorschriften und beinhaltet u. a. eine Ankerwinde Typ Steen 03-2 Größe 10 auf dem Vorschiff. Mit Ausnahme des Ruderhauses sind die Aufbauten aus Stahl gefertigt. Sie sind seitlich um die Betriebsgangbreite zurückgesetzt. Baulich abgetrennt schließt sich achterlich an den Wohn- und Aufenthaltsbereich ein Abschnitt an, in dem die Ver- und Entsorgungsfunktionen, der CO2-Raum, die Zu- und Abluft sowie ein Werkstattbereich zusammengefasst sind.

Das aus seewasserbeständigem Aluminium gefertigte Ruderhaus beinhaltet einen Zwischenboden für die Kabelführungen und ist über Schweißverbinder mit dem Stahldeck der darunter liegenden Aufbauten verbunden. Die Frontfenster sind geneigt und durch eine überstehende Faceplatte geschützt. Auf dem über eine Treppe leicht zugänglichem Peildeck befindet sich ein ausschwenkbarer Messwindenausleger für die Handhabung einer Wasserschallsonde. Über ein Arbeitspodest ist der Signalmast mit dem abgesetzten Radarmast verbunden. Beide sind aus seewasserbeständigem Aluminium gefertigt.

Durchgehend zweikomponentige Farbsysteme der Firma Hempel sind die Grundlage für den Korrosionsschutz. Im Unterwasserbereich wurde eine TBT-freie Antifoulingbeschichtung verarbeitet. Die Brücke hat im Frontbereich auf der Steuerbordseite den Hauptfahrstand mit separater Radar-, Seekarten- und Navigationslotdarstellung. An diesem Fahrstand sind alle für die Schiffsführung notwendigen steuerungs- und alarmrelevanten Anlagen zusammengeführt. Für Manöverfahrten ist auf der Backbordseite ein zweiter, mit den für ein sicheres Navigieren notwendigen Bedien- und Anzeigeelementen ausgestatteter Fahrstand vorhanden. Die Einrichtung dieses Schiffes ist für drei Besatzungsmitglieder, einen Vermessungstechniker und eine zusätzliche Person ausgelegt. Alle Böden innerhalb der Aufbauten haben einen schwingelastischen Unterbau. In jeder Einzelkammer sind eine Arbeitsfläche, Stauräume und ein Waschbecken vorhanden. In einer Kammer kann über ein Klappbett eine zusätzliche Schlafgelegenheit geschaffen werden. Neben einem WC im Bereich des Aufenthaltsraums befinden sich in dem Kammerbereich zwei Sanitärzellen mit WC und Dusche. In der Kombüse sind die für einen Bordbetrieb notwendigen Geräte sowie Stau- und Arbeitsflächen vorhanden. Der Aufenthaltsraum ist als Messe geplant und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Besprechungen durchzuführen. Im hinteren Aufbaubereich ist eine Werkstatt eingerichtet.

Antriebsanlage und Energieversorgung

Das Antriebssystem besteht aus einem Hauptmotor Cummins KTA 38-M2, der eine Leistung von 969 kW bei 1.800 U/min abgeben kann. Diese Antriebsleistung wird über ein Schiffswende- und Untersetzungsgetriebe Typ ZF 4661, das durch eine hochelastische Kupplung mit dem Motor verbunden ist, an einen 4-Flügel-Festpropeller mit 1.750 mm Durchmesser weitergeleitet. Das Getriebe ist mit einer Schleichfahrteinrichtung mit elektronischer Ansteuerung ausgerüstet, um auch ein längeres Fahren mit geringer Geschwindigkeit zu ermöglichen. Die Motorsteuerung erfolgt über eine stufenlose Drehzahlsteuerung der Firma Bosch-Rexroth. Für die Maschinenüberwachung wird ein analogwertverarbeitendes dezentrales Alarmsystem Typ Bönning AHD 651 mit einem LCD-Farbdisplay im Hauptfahrstand und im Maschinenraum verwendet. Die Rückkühlung der Motor- und Getriebekühlkreisläufe erfolgt über Kastenkühler. Im Vorschiffsbereich ist ein elektrisch angetriebenes Querstrahlruder vom Typ Schottel STJ 82 RD-L mit einem maximalen Querschub von 16 kN eingebaut. Durch zwei mit Cummins-Motoren betriebene Generatoraggregate der Firma Hansa-Aggregate mit 270 kVA bzw. 76 kVA wird die elektrische Energieversorgung sichergestellt. Die Aggregate können im normalen Bordbetrieb wechselweise betrieben werden. Der Querstrahlruderbetrieb wird mit dem leistungsstärkeren Generator abgesichert. Bei »Blackout« ist ein Automatikstart mit Lastübernahme des jeweiligen Standby-Aggregates möglich. Die Zuschaltung erfolgt über eine vollautomatische Synchronisiereinrichtung, die bei Bedarf vom Brückenfahrpult auch manuell gestartet werden kann. Über unterbrechnungsfreie Stromversorgungkomponenten werden die sicherheitsrelevanten und peiltech­nischen Geräte abgesichert. Das Fahrzeug ist mit einer Warmwasserheizung, einer Klimaanlage für das Ruderhaus, einer Lüftungsanlage für die Aufenthaltsräume und Kammern, einer Maschinenraumbelüftung sowie einer Frischwasser- und Fäkalienanlage ausgestattet.

Nautische Ausrüstung und Nachrichtentechnik

Der Hauptfahrstand des Peilschiffes »Grimmershörn« hat eine separate Radar-, Seekarten- und Navigationslotdarstellung und ermöglicht den Zugriff auf alle nautischen und funktechnischen Anlagen. Der Nebenfahrstand auf Backbordseite ist mit allen Anzeige- und Bedienelementen ausgestattet, die für eine Manöverfahrt notwendig sind. Folgende funktechnische und nautische Anlagen sind an Bord:

• Selbststeueranlage, Typ Raytheon Anschütz Pilotstar D für den Haupt- und Nebenfahrstand

• X-Band-Seeradaranlage, Typ Transas Navi-Sailor 4000 für den Haupt- und Neben­fahrstand

• ECDIS-Seekartensystem, Typ Transas Navi-Radar 4000 für den Hauptfahrstand

• Navigationslot, Typ Dr. Fahrentholz Ultra­Graph für den Hauptfahrstand

• Magnetkompass, Typ Litton Turnmaster ML 40

• Steuerkurstransmitter (GPS-Kompass), Typ Kongsberg Seatex HS-52

• DGPS-Empfänger für Nautik, Typ Navico MX 512

• Tyfon, Typ Zöllner Zetfon 400/310 mit Signalautomat

• 3 UKW/DSC-Seefunkanlagen, Typ Sailor RT 5020 für den Hauptfahrstand und abgesetzten Bedieneinheiten für den Nebenfahrstand

• 2 GMDSS-Handsprechseefunkgeräte, Typ Sailor SP 3520

• Radartransponder, Typ SailorSart 2

• Satelliten-Epirp System, Typ Sailor 406 MHZ EPIRP II

• Navtexempfänger, Typ Furono NX 700 B

• AIS-System vom Typ Saab Transponder­tech R4

• GSM-D1-Gateway, Typ Sagem mit Telefon-, Fax- und eMail-Anschluss

• Wechselsprechanlage, Typ Zenitel ETB 5, mit je einer Hauptstation an den Fahrständen und sechs Unterstationen

• je Fahrstand eine fest eingebaute Arbeitsfunkanlage, Typ Motorola GM 360 mit zwei Handsprechfunkgeräten und Kopfsprechgarnitur

• Pegeldatenfunkempfänger, Sekundäranzeige, Fa. Kuhnt

• Windmessanlage für Information über Windrichtung und Geschwindigkeit von Fa. Friedrichs

• Außenlufttemperatursensor mit Anzeigeeinheit, Fa. Friedrichs

• GSM-Fernübertragungssystem für Alarmmeldungen (Heizungs-, Bilgen- und Feuerüberwachung), Typ Döbelt DXGO

• DVB-T-Fernsehanlage, Typ Delta 12M. Die Funktionalität der Seeradaranlage erlaubt durch ihre Vernetzung mit dem ECDIS-Seekartensystem und dem AIS-System eine vielfältige nautische Anwendung. Für Navigationszwecke kann ein Seekartenoverlay mit den AIS-Zielen auf dem Radarbildschirm dargestellt werden. Bei dieser Radaranlage dienen die Bildschirm-Anzeigefelder gleichzeitig als Schaltflächen oder Eingabefelder, die mittels Rollball und Cursor schnell bedient werden. Ferner wird über den Rollball die Bedienung des AIS-Systems gewährleistet.

Vermessungstechnik

Die Ausrüstung für die Vermessungsarbeiten wurde in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde geplant und nach einem EU-weiten Offenen Vergabeverfahren von der Firma Kongsberg geliefert. Grundsätzlich beinhaltet die Konfiguration ein Flachwasserfächerlotsystem und eine Linienpeilvermessungseinheit. Neben den eigentlichen Workstationen wurden TFT-Sichtgeräte, Tastaturen, Drucker, Datenverteiler für die Einspeisung der Positions-, Sensor- und Bewegungsdaten sowie die notwendigen Wasserschallgeschwindigkeitssonden geliefert. Für die Fächerpeilungen ist das Schiff mit dem Fächer­echolot EM 3002 ausgestattet. Die hohe Auflösung und dynamisch fokussierte ­Beams im 300 kHz Band ermöglichen hochgenaue hydrographische Vermessungen in dem Einsatzgebiet. Durch die Verwendung eines Doppelschwingersystems ergibt sich die Möglichkeit, breite Messstreifen zu erfassen. Die elektronische Stampf- und Rollstabilisierung sichert auch bei schwierigen Wetterbedingungen genaue Messergebnisse.

Für die Linienpeilungen ist ein Doppeltfrequenzechograph EA 400 an Bord, der über zwei Einzelschwinger gleichzeitig mit den Ultraschallfrequenzen 15 kHz und 200 kHz arbeitet. Eine leistungsfähige Software für die Auswertung der Messdaten an Bord vervollständigt das Peilkonzept. Alle aufgenommenen Daten werden gespeichert und später an Land zur Plausibilisierung und Präsentation weiterverarbeitet. Mit der Inbetriebnahme des Peilschiffes »Grimmershörn« stehen der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zusammen mit dem 2007 in Betrieb genommenen Peilschiff »Wedel« (siehe HANSA 7/2007) des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg zwei Fahrzeuge mit identischer Peilausrüstung zur Verfügung, so dass zwischen beiden Wasser- und Schifffahrtsämtern sowohl bei der Peildatenermittlung als auch bei ihrer Auswertung eine intensive Zusammenarbeit möglich ist.

Verfasser:

Dipl.-Ing. Hans Bornschein

Fachstelle Maschinenwesen Nord


Hans Bornschein