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»Wir sind einen entscheidenden Schritt auf dem Weg vorangekommen zu zeigen, dass motorisierte Schifffahrt auch ohne fossile Brennstoffe funktionieren kann. Heute ist ein großer Tag: wir hoffen der Welt hier etwas Gutes zu tun – weg vom Irrweg der fossilen Energie«. Das sagte der Darmstädter Solar-Pionier Immo Ströher (63), bevor seine älteste Enkelin den von ihm finanzierten und von der Kieler Knierim-Yachtbau GmbH in Halle 11 der Großwerft HDW in Kiel-Gaarden komplettierten weltgrößten Solar-Katamaran am 31. März auf den Namen »Türanor PlanetSolar« taufte.

Ein High-Tech-Projekt, das Symbolkraft für die Zunkunft des Schiffbaus im Norden Deutschlands hat, schwärmte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter[ds_preview] Harry Carstensen über das in Teamarbeit entstandene »technologische Meisterwerk« nicht ohne Stolz, dass mit Knierim und HDW zwei starke Unternehmen aus dem nördlichsten Bundesland an der Verwirklichung des ehrgeizigen Vorhabens beteiligt sind. Der anschließend von dem 900-t-Portalkran der HDW aus dem Dach der 28 m hohen Halle gehobene und bei strahlendem Sonnenschein in die Kieler Förde gesetzte Katamaran mit einer Länge von 31 m, einer Breite von 15 m, einer Höhe von 7,50 m, einem Tiefgang von 1,55 m und einer Verdrängung von 85 t wird von den Beteiligten als »Pilotprojekt zur effizienten Nutzung der Solarenergie in der Schifffahrt« gesehen. Während bisher nur kleinere solargetriebene Wasserfahrzeuge auf Binnengewässern im Einsatz sind, soll der rd. 14 Mio. € teure Neubau Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres zu einer rd. 50.000 km langen Weltumrundung starten, für die 160 Tage veranschlagt werden. Anfang Mai hat sich der innovative Katamaran anlässlich des 821. Hafengeburtstages in Hamburg als einzigem deutschen Anlaufhafen präsentiert und ist zur Endausrüstung und weiteren Erprobung nach Kiel zurückgekehrt. Im Spätsommer soll er dann Kurs auf das Mittelmeer nehmen und von Barcelona oder Monaco den Globus von Ost nach West auf einer weitgehend am Äquator orientierten Route via Panama- und Suezkanal umrunden. Skipper sind der Schweizer Ideengeber des Projekts, Raphael Domjan, und der Franzose Gerard d’Aboville, der 1980 und 1991 als erster Mensch sowohl den Atlantik als auch den Pazifik in einem Ruderboot durchquert hatte. »Mit diesem Projekt haben wir nicht nur die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zur solaren Schifffahrt zu gewinnen, sondern auch zu zeigen, wie gut es mit der heute verfügbaren Technologie bereits möglich ist, mit erneuerbaren Energien ökologisch sinnvolle Transportmöglichkeiten zu schaffen«, sagt Domjan, der sich mit PlanetSolar »einen Traum erfüllt«. Obwohl noch nicht die volle Kapazität der Batterien zur Verfügung stand und auch der Innenausbau erst zu einem geringen Teil komplettiert war, sei die erste Reise via Nord-Ostsee-Kanal nach Hamburg ohne Probleme absolviert worden und habe gezeigt, dass das System funktioniert, zeigte er sich optmimistisch für die geplante Weltumrundung. Auf dem von der Schweizer Firma PlanetSolar SA geplanten und von Cardino Swiss Watch und der im hessischen Langen ansässigen Energiemanagement-Firma Immosolar GmbH des Katamaran-Eigners Ströher als Hauptsponsoren unterstützten Trip könne man davon ausgehen, dass der Solarkatamaran bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 7,5 kn – die Höchstgeschwindigkeit beträgt 14 kn – drei Tage lang aus der Kraft der an Bord vorhandenen Energiespeicher versorgt werden kann, ehe die Kraft neuer Sonneneinstrahlung benötigt wird.

Germanischer Lloyd ist mit im Boot

Bei dem in 14 Monaten und 68.000 Arbeitsstunden seit der Kiellegung Anfang 2009 nach den Plänen des neusee­ländischen Konstrukteurs ­Craig Loomes (LOM­Ocean Design, Auckland) erstellten Katamaran handelt es sich um einen sogenannten »Wavepiercer«, der die Wellen durchschneidet und damit weniger Energie verbraucht als Wasserfahrzeuge herkömmlicher Konzepte, die auf den Wellen schwimmen oder gleiten. Das wurde nicht nur im Computer der Konstrukteure berechnet und vom Germanischen Lloyd (GL) geprüft, sondern auch in Schlepptankversuchen auf Tasmanien simuliert. »Bei stürmischen Bedingungen treten enorme Belastungen auf«, erläuterte der geschäftsführende Gesellschafter der Bauwerft, Gunnar Knierim, »deshalb fangen wir die Scherkräfte an den Verbindungen zwischen Schwimmern und Rumpf teils mit Volllaminat auf«. Für die Fertigung des Katamarans in extrem durabler Karbon-Sandwichbauweise wurden insgesamt 20,6 t Kohlefaser, 11,5 t Schaumkern sowie gut 23 t Harz und Härter verwendet.

Deutsches Schiffbau-, Solar- und Akkutechnik-Know-how

Die Besonderheit des innovativen Zweirumpfbootes zeigt sich besonders aus der Vogelperspektive: Auf dem nur durch einen dem Cockpit eines Flugzeuges ähnlichen Brückenaufbau unterbrochenen Oberdeck liegen Solarpaneele, die von der zur Unternehmensgruppe des Schiffseigners Ströher gehörenden Berliner Firma Solon AG unter Verwendung hocheffizienter Solarzellen des kalifornischen Zulieferers SunPower Corporation gefertigt wurden.

Insgesamt 825 Paneele mit 38.000 einzelnen Photovoltaikzellen werden es sein, wenn auf dem Kat auch die beiden ausfahrbaren seitlichen und der Heckflügel montiert sind, die die Decksfläche um weitere 100 auf dann 536,65 m2 vergrößern. Die von ihnen eingefangene Energie – die Leistung des Solargenerators beträgt ca. 93,5 kW (127 PS) – wird in sechs Blöcken mit jeweils 12 Batterien, also 648 Zellen, neuester, wartungsfreier Lithium-Ionen-Technik mit einer Gesamtleistung von 2910 Ah/388V des im thüringischen Nordhausen ansässigen Herstellers GAIA Akkumulatorenwerke GmbH gespeichert.

Jeder dieser sechs Stränge wiegt nur knapp zwei Tonnen, während herkömmliche Bleibatterien gleicher Kapazität das Siebenfache gewogen und eine deutlich kürzere Lebensdauer hätten. Das Gesamtgewicht der Batterien einschließlich ihres Chassis beträgt nur 11 t, ihre Effizienz wird mit ca. 95 % angegeben. Diese mit Unterstützung von und exklusiv für HDW entwickelte Technologie soll auch eine neue Generation von Energiespeichern begründen, die HDW künftig auf nicht-nuklearen U-Booten einsetzen will. Deshalb hat HDW vor allem am Sicherheitskonzept beim Betreiben der Batterien auf dem Katamaran mitgewirkt.

Vortrieb und Steuerung über Karbon-Verstellpropeller aus Rostock

Der Antrieb der »Türanor PlanetSolar« erfolgt durch eine vom Schweizer Ingenieurbüro drivetek, Ipsach, entwickelte Technik. Eine wichtige Rolle spielen dabei die beiden gegenläufig drehenden Karbonpropeller mit jeweils fünf verstellbaren Flügeln, die von der zum Voith-Konzern gehörenden Firma AIR Fertigung und Technologie GmbH & Co. aus Rostock zugeliefert wurden. Der Durchmesser der mit einem düsenförmigen Schutzmantel umgebenen Propeller beträgt 2 m und ist damit doppelt so groß wie sonst für diese Schiffsgröße üblich. »Das ist effizienter und wir nutzen gleichzeitig das Drehmoment zum Steuern anstelle eines Ruders«, erkärt Knierim-Geschäftsführer Steffen Müller, »denn die Naben befinden sich in Höhe der Wasserlinie«. Die vier aus der Schweiz zugelieferten elektrischen Permanentmagnet-Antriebsmotoren – je zwei pro Antriebswelle – haben eine Höchstleistung von 2 x 20 kW und 2 x 40 kW (insgesamt 163 PS) sowie eine hohe Effizienz von mehr als 90 %. Für die Marschfahrt von rd. 7 kn (13 km/h) sollen ohne Gegenwind bei ruhiger See voraussichtlich nur 18,6 kW aus zwei Motoren (einer pro Schwimmer) benötigt werden.

Eigner will Möglichkeit der kommerziellen Nutzung demonstrieren

Eigner Immo Ströher betreibt den Karamaran, der für vier Besatzungsmitglieder ausgelegt ist und Einrichtungen für bis zu 12 Passagiere erhält, über sein Schweizer Unternehmen Rivendell AG in Zug, dessen Aufgabe es ist, für die »Türanor PlanetSolar« ein sinnvolles Konzept auch für die Nutzung in der Zeit nach der Weltumrundung – beispielsweise durch Fortbildungs-und Konferenzveranstaltungen sowie Chartereinsätze durch interessierte Firmen – zu schaffen. Seine Tochter und sein Sohn sind bereits dabei, die kommerzielle Basis für diesen im Mittelmeerraum geplanten zweiten Lebenszyklus zu schaffen, wobei Ströher überzeugt ist, ein positives Betriebsergebnis erwirtschaften zu können. Neue Geschäftschancen sollen dadurch entwickelt werden, dass der Katamaran als Multiplikator für die Möglichkeiten erneuerbarer Energien genutzt wird. Ströher: »Ich will zeigen, dass es möglich ist, mit diesen zukunftsweisenden Technologien langfristig unternehmerisch Geld zu verdienen.« Außerdem sollen Schiff- bzw. Bootsbauern und Zulieferern durch weiterführende Entwicklungen Möglichkeiten eröffnet werden, eine »weltwirtschaftliche Rendite« zu erzielen.


jm