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Vom 14. bis 17. Juni 2010 fand in Bergen der 26. CIMAC Weltkongress Verbrennungsmotorentechnik statt. Mehr als 900 Teilnehmer waren der Einladung der Norwegischen CIMAC Vereinigung gefolgt. Genaue Zahlen, auch zur Herkunft der Teilnehmer, lagen bis zum Redaktionsschluss noch nicht vor.

Veranstaltungsort war das größte Kultur- und Kongresszentrum Norwegens, die Grieg-Hallen in Bergen. Was sich vor drei Jahren beim Kongress[ds_preview] in Wien schon abzeichnete, trat in Bergen deutlich in den Vordergrund: CIMAC hat mit dieser Großveranstaltung organisatorische Probleme, die möglicherweise strukturell bedingt sind, denn die Landesorganisationen sind hinsichtlich der Durchführung eines Kongresses vor Ort praktisch autark. Da hilft dann auch das beste fachliche Programm nicht über organisatorische Schwächen hinweg.

So lässt sich nach den vier Tagen in Bergen die Frage stellen: Quo vadis CIMAC? Eine einfache Antwort gibt es darauf nicht, denn die Probleme sind vielschichtig. Da gibt es die Frage nach der Auswahl der Kongreßorte. War Bergen schon umstritten, so ist aus CIMAC-Kreisen deutliche Kritik am Ort des nächsten Kongresses zu hören, der 2013 in Shanghai stattfinden wird. Doch China hatte sich schon mehrfach für die Durchführung eines Kongresses beworben, und so mag die Entscheidung für Shanghai auch politisch begründet sein. Jedenfalls fand sie eine Mehrheit in den Gremien.

Ein weiteres Problem, das sich nicht leicht lösen lässt, ist offenbar die Auswahl der Beiträge aus den eingehenden Vorschlägen. Die qualitative Bandbreite ist, soweit aus den Vorträgen erkennbar, außerordentlich groß und reicht von äußerst interessanten, sehr informativen Vorträgen bis zu wenig aussagefähigen Prospektpräsentationen. Das Technische Komitee ist insofern nicht um seine Arbeit zu beneiden. Zu diesem Punkt gehört auch die Vortragstechnik. Viel zu selten wird das in einer ausgewogenen Kombination von optischer und akustischer Ebene liegende Potential genutzt.

Die größten Probleme boten in Bergen die organisatorischen Schwächen. Am ersten Tag führten überfüllte Tagungsräume nicht nur zu Stehplätzen, sondern auch zu entsprechenden Reaktionen einzelner Tagungsteilnehmer. Am zweiten Tag versuchte man das Problem mit Videoübertragungen auf Plätze in unmittelbarer Nähe der jeweiligen Tagungsräume zu lösen. Zweifellos ist es schwer, zwei Jahre im Voraus abzuschätzen, wieviel Teilnehmer sich anmelden werden.

Wie erwartet, war das fachliche Programm in Bergen recht gut zusammengestellt, wobei diese Beurteilung sich zwangsläufig nur maximal auf das Viertel des Tagungsprogramms beziehen kann, an dem der Berichterstatter persönlich teilnahm, denn es laufen üblicherweise beim CIMAC-Kongress jeweils vier Referate parallel. Die Schwerpunkte lagen, wie schon im Vorbericht an dieser Stelle ausgeführt, bei den Gasmotoren, den Abgasturboladern und Aufladesystemen sowie bei der Einspritztechnik. Ein ausführlicher Bericht über die für die Schiffahrt interessantesten Beiträge ist für die August-Ausgabe der HANSA in Vorbereitung.

Das fachliche Programm von Bergen machte wieder einmal deutlich, welches Potential noch in der Verbesserung des »Zubehörs« eines Motors im weitesten Sinne steckt. Das gilt sowohl für Kraftstoff­einsparungen wie für reduzierte Emissionen. Viel zu lange haben sich die Motorenkonstrukteure in den letzten Jahrzehnten mit der Brennraumgestaltung und anderen motorinternen Maßnahmen aufgehalten, um mit erheblichem Aufwand die letzten Zehntelprozent an Wirkungsgradverbesserung herauszuholen. Heute zeigt die Zulieferindustrie, was möglich ist, um mit viel geringerem Aufwand Einsparungen zu erzielen, die mit innermotorischen Maßnahmen nicht zu erreichen sind. Bezieht man in die Betrachtung der »Nutzen-der-Technik«-Diskussion eines Antriebs die gesamte Antriebsanlage ein, dann wird deutlich, welches Potential verfügbar ist, um auch unter Berücksichtigung aller Umweltauflagen noch Einsparungen beim Kraftstoffverbrauch zu erzielen.

So machen auch die in den letzten Jahren aufgrund nicht einhaltbarer Versprechungen in Verruf geratenen Additive wieder von sich reden. Einerseits ist die Skepsis der Reeder verständlich, andererseits liegen offenbar im praktischen Einsatz ermittelte und insoweit seriöse Ergebnisse vor, dass auch dieses Thema wieder in den Vordergrund gerückt werden sollte. Die HANSA wird demnächst ausführlich dazu berichten. Sollte der Nutzen von Additiven ohne »schädliche Nebenwirkungen« sein und, wie in Bergen zu hören war, sich der zusätzliche Aufwand bereits nach wenigen Monaten amortisieren, dann wäre nicht einzusehen, warum diese Maßnahme zur Kraftstoffeinsparung nicht breit zum Einsatz kommen sollte.

Da Kraftstoffverbrauch und CO2-Emission direkt miteinander gekoppelt sind und auch die weiteren Emissionen zwar beeinflusst bzw. abhängig von den gewählten Verbrennungsverfahren und deren Güte sind, besteht immer ein zumindest mittelbarer Zusammenhang mit dem Kraftstoffverbrauch. So wirkt sich jede Maßnahme, die zu geringerem Kraftstoffverbrauch führt, unmittelbar auf die Emissionen aus.

Wenn auch die zu erwartenden Emissionsgrenzwerte gemäß IMO Stufe 3, die noch unter Vorbehalt einer nochmaligen Prüfung stehen, viele Vorträge in Bergen beschäftigten, ist noch nicht klar zu erkennen, mit welchen Maßnahmen die Motorenhersteller der drastischen Senkung der NOx-Emission in den küstenahen Bereichen mit ihren Motoren entsprechen wollen. Das gilt sowohl für die Zweitakt- als auch für die Viertaktmotoren. Und der verbleibende Zeitraum ist kurz. Bei vielen Bauteilen kann nicht auf ausreichender Erfahrung aufgebaut werden. Das beeinflusst die Qualität und die Zuverlässigkeit der Motoren.

Nur soviel ist hinreichend gesichert: Bei beiden Verfahren wird man nicht ohne Abgasrückführung auskommen und die Aufladung wird möglicherweise eher zweistufig als mit hohem Druckverhältnis erfolgen. Dabei ist aufgrund des Verhaltens der Turbolader bei Niedriglast mit Lösungen zu rechnen, die auch die Schaltung von Turboladern einbeziehen. In diesem Zusammenhang sind auch verschiedene Ansätze zum Systemaufbau zu diskutieren, zum Beispiel, an welcher Stelle eine SCR-Anlage in den Abgasstrang eingebaut wird.

Gleichgültig welche Maßnahmen letztlich bei den unterschiedlichen Fabrikaten, Verfahren und Bauarten zum Tragen kommen werden, eines ist sicher: Im Vergleich zu den heute im Einsatz befindlichen Motoren werden die Antriebssysteme der Zukunft wesentlich komplexer ausfallen. Das bedeutet erhöhtes Risiko hinsichtlich Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit sowie erhöhte Ansprüche an die Qualifizierung der Mannschaft an Bord und der Service-Mitarbeiter auf der Herstellerseite.

Verfasser:

Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Reuß

Freier Journalist, mail@pr-reuss.de


Hans-Jürgen Reuß