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Die deutsche Schiffbau-Zulieferindustrie konnte trotz der aktuell schwachen Nachfrage aus dem Schiffsneubau ihre weltweite Führungsposition halten und sogar weiter ausbauen. Dies gilt sowohl in der Produktion wie auch im Exportgeschäft, das für die deutsche Branche traditionell mit 75 % des Umsatzes eine große Rolle spielt.

Das Jahr 2009 bedeutete für viele Unternehmen sogar noch einmal ein Rekordjahr in der Produktion, da die Auftragsbestände aus den[ds_preview] Boomjahren 2007 und 2008, trotz vieler Stornierungen und Verschiebungen, immer noch für eine hohe Auslastung sorgten. Erst in der zweiten Jahreshälfte gingen auch die Umsätze zurück, im Durchschnitt auf das Gesamtjahr bezogen schließlich um 7,7 %. Gravierender gestaltete sich Entwicklung des Auftragseingangs, der im Schiffs-Neubaugeschäft massiv eingebrochen war und im Jahr 2009 um durchschnittlich fast 30 % zurückging. Diese Entwicklung wird sich auch 2010 noch einmal fortsetzen, so dass die schwierigsten Jahre für die Branche voraussichtlich 2011 und 2012 anstehen.

In der Schiffbau-Zulieferindustrie steht daher jetzt die Erschließung neuer Marktsegmente im Vordergrund, um die Marktschwäche im Schiffsneubau zumindest teilweise zu kompensieren. Personal- und Kapazitätsabbau wird vermieden, wo immer möglich, um für das erwartete Wiedererstarken des Schiffbau-Weltmarktes etwa ab 2012 gerüstet zu sein und keine Marktanteile an den (zunehmend asiatischen) Wettbewerb abzugeben. Im Laufe des Jahres 2010 werden daher die Unternehmen vor großen Herausforderungen bei der Überwindung der Durststrecke stehen. Alle Instrumente zur Krisenüberwindung kommen dann zum Einsatz. Nur die Unternehmen, die einen langen Atem und größtmögliche Flexibilität entwickeln, gehen gestärkt aus diesen schwierigen Jahren in den nächsten Aufschwung.

Die Unternehmen der Schiffbau-Zulieferindustrie konzentrieren sich daher erst einmal darauf, den Umsatz zu sichern. Denn nur wer die Marktentwicklung im In- und Ausland kennt, nur wer zusätzliche Potenziale durch produktnahe Dienstleistungen erschließt und gleichzeitig die Risiken von Stornierungen, Verschiebungen und Kundeninsolvenz minimiert, kann seine Wettbewerbsfähigkeit auch in der Krise ausbauen. Außerdem gilt es, die Kosten zu senken. Einsparmöglichkeiten finden sich in der Regel zunächst in nicht direkt wertschöpfenden Bereichen und Zulieferungen. Dagegen wird das Mittel des schnellen Beschäftigungsabbaus in einer Branche mit Nachwuchsproblemen nur als die letzte Option angesehen.

Mittel- und langfristige Strategien gewinnen in dieser Phase eine hohe Priorität. Den Unternehmen geht es jetzt darum, strategische Ziele durch geeignete Trendbetrachtungen zu erkennen und umzusetzen. Der VDMA entwickelte mit seinen Mitgliedern Anfang 2010 ein Format, bei dem gemeinsam Szenarien für die Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie über die nächsten zehn Jahre diskutiert und abgeschätzt wurden. Im zweiten Schritt werden firmenindividuelle Handlungsoptionen ausgearbeitet, die den Unternehmen Anhaltspunkte für die nächsten, von Veränderungen geprägten Jahre geben. Die Ergebnisse werden auf dem Podium der VDMA-Mitgliederversammlung am Tag der SMM-Eröffnung, vorgestellt und gemeinsam mit prominenten Vertretern der Schifffahrt und der Werftindustrie diskutiert werden.

Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil der deutschen maritimen Zulieferindustrie liegt in der Fähigkeit zu kontinuierlicher Produktverbesserung und neuen Service­ideen in den überwiegend mittelständischen Betrieben. Dies haben die vergangenen Messeauftritte in den führenden asiatischen Schiffbauländern gezeigt, und das wird auch auf der kommenden SMM manifestiert werden: Deutschland wird seinen ersten Rang bei der Zulieferindustrie für Schiffstechnik in der Welt verteidigen. Dafür wichtig sind die internationalen Kontakt- und Servicestellen, die weltweit dafür sorgen, dass die mit deutschem Equipment ausgestatteten Schiffe über ihren gesamten Lebenszyklus durch Service und Ersatzteilversorgung nach wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten optimal betrieben werden können. Der After-Sales-Anteil am Umsatz beträgt bei der deutschen Zulieferindustrie durchschnittlich 20 %, mit weiter wachsender Tendenz.

In der aktuellen Auftragsflaute dürfen die für die Branche so wichtigen Exportmärkte nicht vernachlässigt werden. Erst im Jahr 2009 wurden zwei Delegationsreisen nach Brasilien und Indien, vom VDMA maßgeschneidert für die Zulieferfirmen, mit großem Erfolg durchgeführt. Die Reisen führten zum Aufbau zahlreicher Geschäftskontakte und ermöglichten den Teilnehmern einen guten Einblick in die aktuelle Situation der teils noch sehr rückständigen, teil sich schnell entwickelnden Schiffbauindustrien dieser beiden »BRIC«-Staaten. Im Herbst 2010 steht noch eine weitere Unternehmerreise nach Brasilien bevor, diesmal mit dem Schwerpunkt auf dem Offshore-Markt. Brasilien steht in der aktuellen Krise sehr stabil im internationalen Vergleich da, was zu einem hohen Interesse der Zulieferindustrie an einer verstärkten Marktpräsenz führt, auch wenn sicher nicht alle Planungen der Investitionsprojekte im Zeitrahmen bleiben werden.

Im Jahr 2011 wird der VDMA für die maritime Zulieferbranche weitere Länder und Regionen in den Fokus nehmen, die aktuelles Wachstum und Potenzial versprechen und in den vergangenen Jahren des – vornehmlich ostasiatischen – Booms in den Hintergrund gerückt waren.

Während der Schiffsneubau immer noch Sorgenkind bleibt, liegt ein großer Wachstumsmarkt im Bereich des Retrofitting, ein Potenzial, das für die Zulieferer in enger Kooperation mit der Werftindustrie erschlossen werden kann. Als Beispiel seien nur die erheblichen Umbauleistungen zu nennen, die allein aufgrund der aktuellen Themen Ballastwasserbehandlung und Emissionsreduzierung auf die Weltflotte zukommen. Durch Nachrüstsätze für bestehende Serienschiffe können in Kooperation zwischen Zulieferer und Umbauwerften interessante Pakete für die Eigner angeboten werden und damit die ausgefallenen Neubauaufträge kompensieren. Diese Art des Retrofitting ist im sicherheitsrelevanten Bereich umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass 44 % der Schiffe 25 Jahre und älter sind. Auch die gestiegenen Umweltauflagen, Brennstoffpreise und die Notwendigkeit, die Schiffe flexibel auf unterschiedlichen Geschwindigkeitsniveaus wirtschaftlich fahren zu lassen, weisen in diese Richtung. Einige staatlich Fördermaßnahmen, in Deutschland zum Beispiel durch günstige Finanzierungen der KFW, setzen hier bereits an.

Die Vertriebsbemühungen in den Auslandsmärkten und in neu entdeckten Nischen, die F+E Anstrengungen in den Betrieben, die sich insbesondere mit den Langfristtrends Energieknappheit und Ressourcenschonung beschäftigen, werden auch im schwierigen Jahr 2010 für einen internationalen Wettbewerbsvorsprung der deutschen Schiffbau- und Offshore-Zulieferindustrie sorgen. Die kurzfristigen Bemühungen kreisen dagegen um die intelligente Überbrückung der momentanen Durststrecke. Ein wichtiges Signal geht im Herbst 2010 von der weltweiten Schiffbau-Leitmesse SMM in Hamburg aus. Schon jetzt werden aus der Branche viele neue Produktideen angekündigt, die maritime Welt schaut gespannt auf die SMM 2010. Auch auf dieser Messe wird der VDMA trotz der schwierigen Situation wieder für Nachwuchs werben. Diese vorwärts gerichteten Maßnahmen sind notwendige Voraussetzung, um auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die weltweite Führungsposition der deutschen Schiffbau-Zulieferindustrie zu sichern und auszubauen.


Hauke V. Schlegel