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Die Beteiligten vor dem Finanzgericht Hamburg – 6 K 242/09 – stritten über die zutreffende Besteuerung von Sondervergütungen im Rahmen der Tonnagegewinnermittlung. Die Klägerin war eine Ein-Schiffs-Gesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Ihr Geschäftsgegenstand ist der Betrieb des Schiffes »A« und alle damit in Zusammenhang stehenden Geschäfte. Die Indienststellung erfolgte im Jahr 2008, in dem auch zur Tonnagegewinnermittlung optiert wurde. Von der Ein-Schiffs-Gesellschaft waren Vergütungen auf schuldrechtlicher Basis im Jahr 2007 an Kommanditisten gezahlt worden, die das Finanzamt mit im Streit befindlichem Feststellungsbescheid für 2007 als steuerpflichtige Sonderbetriebseinnah-men festgestellt hatte. Darüber hinaus stellte dieser Bescheid einen Tonnagegewinn von 0 € fest.

Es wurden also Sonderbetriebseinnahmen in einer bestimmten Höhe erfasst und daneben wurde ein Gewinn, genauer ein Tonnagegewinn mit 0 € erfasst[ds_preview]. Man kann es nicht oft genug lesen: 0 €. Was ist hieran so verwunderlich? Jeder weiß eigentlich, dass der Tonnagegewinn sich aus zwei Stellschrauben zusammensetzt, nämlich aus den Nettotonnen und den Betriebstagen. Das Ergebnis ergibt sich aus einer Multiplikation. Da allem Anschein nach die Nettotonnen nicht hinweg gedacht werden können, kann man eigentlich nur zu einem Nullbescheid kommen, wenn man die Betriebstage mit null ansetzt. Null Betriebstage, wo steht das? Nach Ansicht der Finanzverwaltung in § 5a Absatz 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes, welcher im Zusammenhang mit Satz 1 dieser Bestimmung lautet:

Der Antrag auf Anwendung der Gewinnermittlung nach Abs. 1 ist im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung des Handelsschiffs (Indienststellung) mit Wirkung ab Beginn dieses Wirtschaftsjahres zu stellen. Vor Indienststellung des Handelsschiffs durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erwirtschaftete Gewinne sind in diesem Fall nicht zu besteuern; Verluste sind weder ausgleichsfähig noch verrechenbar.

Wir erinnern uns, die Indienststellung erfolgte in 2008, dem Jahr, in dem man zur Tonnagegewinnermittlung optierte und die streitigen Sonderbetriebseinnahmen wurden in 2007 erzielt. Die Finanzverwaltung vertrat nunmehr die Ansicht, dass der vor der Indienststellung erwirtschaftete Gewinn ein Tonnagegewinn sei, obschon man erst in 2008 zur Tonnagegewinnermittlung optiert hatte. Warum? In dem zitierten Satz 2 steht doch, dass vor Indienststellung erwirtschaftete Gewinne nicht zu versteuern, ja sogar Verluste nicht ausgleichsfähig sind. Wenn etwas nicht zu versteuern ist, dann heißt dies, der Tonnagegewinn ist mit 0 € steuerrechtlich zu erfassen. Schließlich stehe dies ja in § 5a des Einkommensteuergesetzes und Thema dieser Bestimmung ist der Tonnagegewinn. Plötzlich warf man den Blick auf die ganze Vorschrift und da gab es noch einen Abs. 4 und dessen Satz 3 lautet:

Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 sind hinzuzurechnen. Also sind dem mit 0 € ermittelten Tonnagegewinn die streitigen Sondervergütungen hinzuzurechnen. Diesen »Taschenspielertricks« erteilte das Hamburger Finanzgericht eine deutliche Absage.

Sinn und Zweck des § 5a Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes sei die Nichtberücksichtigung von Verlusten in der Projektierungsphase:

»Der Gesetzgeber des HBeglG wollte die durch den Abs. 3a. F. eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten zur steuerlichen Berücksichtigung von Anlaufverlusten aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr beseitigen (vgl. BR-Drs. 560/1/03; Voß in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5a EStG Rz. 61; Hennrichs/Kuntschik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5a Anm. D 17). Dement-

sprechend gehen gemäß Abs. 3 Satz 2 HS 2 n. F. die vor dem Wirtschaftsjahr der Indienststellung des Handelsschiffes aufgelaufenen Verluste bei rechtzeitigem Antrag auf Anwendung der Tonnagebesteuerung nach Satz 1 unwiederbringlich verloren (vgl. Gosch in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 5a Rz. 42). Als-kohärente-Mitgift der Verlustversagung werden zudem nach HS 1 des Satzes 2 auch Gewinne, die vor Indienststellung des Schiffes aus dem Betrieb des Schiffes im internationalen Verkehr erwirtschaftet worden sind, nicht besteuert.«

Gewinne vor Indienststellung des Seehandelsschiffes sind nach allgemeinen Vorschriften zu ermitteln. Da § 5a Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes eine Nichtbesteuerung anordnet, sind die Sondervergütungen nicht zu besteuern:

»Aus dem Wortlaut des Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 wird deutlich, dass das Gesetz zwischen der Gewinnermittlung nach allgemeinen Vorschriften und der Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG unter-

scheidet und dass die besondere Gewinn-

ermittlung nach der Tonnage frühestens ab dem Wirtschaftsjahr der Indienststellung des Handelsschiffes gilt. Die Gewinne und Verluste der Wirtschaftsjahre vor Indienststellung sind somit nach allgemeinen Vorschriften zu ermitteln. Bei einer steuerlichen Mitunternehmerschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist der nach allgemeinen Vorschriften zu ermittelnde Gewinn aus den Ergebnissen der Gesamthandsbilanz der Gesellschaft und den Ergänzungs- und Sonderbilanzen der Gesellschafter zu konsolidieren. Der so ermittelte steuerliche Gesamtgewinn bzw. Gesamtverlust der Mitunternehmerschaft wird, soweit er – wie hier – aus dem Betrieb des Handelsschiffes im internationalen Verkehr stammt, gemäß § 5a Abs. 3 Satz 2 EStG, ggf. im Wege der Bescheidänderung gemäß den Sätzen 3 und 4, von der Besteuerung ausgenommen. Für den Streitfall bedeutet dies, dass die von den Beigeladenen in dem Streitjahr 2007 bezogenen Sondervergütungen als Gewinnbestandteile i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht zu besteuern sind.

Soweit der Beklagte meint, dass der Gewinn i. S. d. § 5a Abs. 3 Satz 2 EStG unter Beachtung des § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG zu ermitteln sei, ist dem nicht zu folgen. § 5a Abs. 4a EStG enthält Regelungen zur Tonnagebesteuerung bei Personengesellschaf­ten. Satz 3, der die Steuerpflicht von Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anordnet, bezieht sich dementsprechend ausschließlich auf die besondere Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG. Nur insoweit bedurfte es auch einer ausdrücklichen Regelung über die Steuerpflicht von Sondervergütungen, da diese nach der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für Wirtschaftsjahre, deren Gewinne nicht nach der Tonnage ermittelt werden, ohnehin steuerpflichtig sind. Für Zwecke der Tonnagebesteuerung ist die Regelung aber erforderlich, da die Sondervergütungen andernfalls Bestandteil des nach der Tonnage ermittelten Gewinns wären und auf diesem Weg der regulären Besteuerung entzogen werden könnten (vgl. BT-Drs. 13/10710, 4). § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG hat damit für Wirtschaftsjahre vor Indienststellung des Handelsschiffes bzw. vor Antragstellung auf Besteuerung nach der Tonnage keine Bedeutung und berührt die in § 5a Abs. 3 Satz 2 EStG für diese Zeiträume normierte Steuerbefreiung von Gewinnen einschließlich der Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht.«

Eine Feststellung des Tonnagegewinns in 2007 mit 0 Euro kommt nicht in Betracht:

»Der angefochtene Feststellungsbescheid ist auch insoweit rechtsfehlerhaft, als er einen Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG in Höhe von 0 € ausweist. Da die Klägerin für 2007 noch nicht nach der Tonnage zu besteuern war, hätte nicht ein Tonnagegewinn, sondern ein nach allgemeinen Vorschriften ermittelter Gesamtgewinn festgestellt werden müssen. Der Gesamtgewinn wäre in Höhe der hier streitigen Sondervergütungen negativ gewesen und die Gesellschafter der Klägerin hätten nur den Saldo aus dem negativen Gesamtgewinn und den Sondervergütungen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb versteuern müssen (ggf. ± 0). Die Handhabung des Beklagten würde aber dazu führen, dass die Gesellschafter zwar die Sondervergütungen als positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern hätten, den negativen Gesamtgewinn aber nicht geltend machen dürften, was ersichtlich nicht richtig sein kann.«

Verfasser:

Klaus Voß, Fachanwalt für Steuerrecht

www.kanzlei-voss.de

Klaus Voß