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Der britische Logistikkonzern Wincanton hat große Pläne für sein Containergeschäft in Deutschland. Um die Volumeneinbrüche in Folge der Weltwirtschaftskrise zu kompensieren, setzt der Betreiber von Inland-Terminals und Binnenschiffen auf die engere Vernetzung mit den großen deutschen Nordseehäfen. Das Geschäftsfeld, das die Briten Ende 2002 durch die Übernahme der Logistikfirma P & O Trans-european vom einstigen britischen Schifffahrtskonzern P & O mit erworben hatten, ist traditionell stark auf Rotterdam und Antwerpen ausgerichtet. Zur neuen Strategie gehört auch die verstärkte Hinwendung zum intermodalen Schienengüterverkehr – schließlich sind die deutschen Häfen vor allem Eisenbahnhäfen. Außerdem plant Wincanton eine Offensive im Kurzstreckenseeverkehr, wobei das Unternehmen seine für große europäische Logistikkunden disponierten Volumina in die Waagschale werfen kann. Die HANSA sprach dazu mit Michael Baier, Mitglied der Geschäftsbereichsleitung Intermodal bei Wincanton in der deutschen Zentrale in Mannheim.

HANSA: Wie stark sind Ihre Volumina im Intermodal-Verkehr und -umschlag von der Krise getroffen worden?

Michael Baier: Das hat sich grundsätzlich analog zu den Seehäfen entwickelt. In einigen Monaten verzeichneten wir Volumenrückgänge von 20 bis 30 % an einzelnen Standorten. Da die Hauptsäule des Geschäfts der Binnenschiffsverkehr über den Rhein zu den Westhäfen ist, haben wir es auf diesen Achsen am schärfsten gespürt. Wir konnten dem entgegenwirken, indem wir das Marktfeld auf norddeutsche Häfen und noch stärker auf Bahncontainer erweiterten. Durch neue Relationen konnten wir schnell wieder Volumina zurückgewinnen.

HANSA: Wie groß war der jährliche Rückgang über alles?

Baier: Cirka 10 %. In der Spitze ging das bis 30 % in einigen Monaten.

HANSA: Die Preise im Schienengüterverkehr gingen auch deutlich zurück. Konnten Sie das abfedern?

Baier: Ein erheblicher Teil unserer Volumina sind Spotladungen, und da haben wir schon massiven Druck auf die Preise in Folge des Volumenrückgangs gesehen. Alle Operateure haben sich um die Ladung gerissen.

HANSA: Wie haben Sie den Einstieg auf den norddeutschen Relationen geschafft?

Baier: Wir haben dazu entsprechende Kapazitäten bei den bestehenden Systemen eingekauft. Es gelang uns, zügig Stellplatzvereinbarungen mit den Bahnoperateuren zu treffen, die die norddeutschen Häfen bereits anfahren Auf die norddeutschen Häfen entfallen bei uns derzeit ca. 40.000 TEU pro Jahr, bei denen wir selbst für den Transport verantwortlich sind. Dazu kommen die Volumina, die von den Operateuren selbst disponiert werden. Den bahnseitigen Umschlag mit den norddeutschen Häfen haben wir seit 2006 pro Jahr um ca. 20 % gesteigert. Wenn wir zurückschauen, dann machte der Anteil der Bahntransporte um 2006 nur 5 % unserer intermodalen Transport- und Umschlagvolumina aus, heute liegt er bei rund 25 %. Das ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit und der verstärkten Einbindung unserer Hinterlandterminalkette in Bahnverkehre. Der Anteil der Schiene hat deutlich zugenommen, aber das ist keine Verlagerung von existierenden Verkehre, sondern eine Folge der Neufokussierung, die wir seit rund drei Jahren betreiben.

HANSA: Welche Rolle spielt der Lkw für Sie?

Baier: Den Straßenverkehr im Zu- und Nachlauf der Häfen auf der langen Distanz bieten wir als ergänzende Leistung natürlich parallel zur Barge und der Bahn von und zu den Westhäfen sowie den norddeutschen Seehäfen an. Die regionale Gestellung der Container im Vor- und Nachlauf sind integraler Bestandteil unseres Standardportefeuilles mit Binnenschiff und Schiene und somit Leistungsbaustein an jedem unserer Terminals.

HANSA: Mussten Sie neue Niederlassungen gründen, um die norddeutschen Seehafenverkehre stärker einfangen zu können?

Baier: Nein. Wir arbeiten daran, das Produkt Intermodal in den bestehenden Niederlassungen weiter voranzubringen und das Know-how für die deutschen Seehäfen wo nötig zu stärken. So hat der Geschäftsbereich Intermodal eigene Kollegen in Hamburg stationiert, wo bis dahin nur begrenzt eine Spezialisierung für diesen Bereich vorhanden war. Dort ist Wincanton mit Kontraktlogistik und Straßengüterverkehrsaktivitäten aufgestellt.

HANSA: Profitiert das Intermodal-Geschäftsfeld auch von den starken Kontraktlogistikaktivitäten der Wincanton-Gruppe? Gibt es Fortschritte beim Cross-Selling und dem Verkauf integrierter Gesamtangebote?

Baier: Der Trend geht sicher in diese Richtung. Je nach Ausrichtung und Tradition der Landesorganisationen sieht das Bild etwas unterschiedlich aus. In Deutschland kann Wincanton auf 100 Jahre in der Binnenschifffahrt zurückblicken. Auch das erste Inlands-Containerterminal 1968 in Mannheim wurde von uns betrieben. Mit dem Geschäftsbereich Intermodal hat Wincanton erkannt, dass es ein interessantes Geschäft auch für andere Länder ist. So wurden im Vorjahr auch in Großbritannien die Containerverkehre auf der Straße eingeführt. Und die intermodalen Aktivitäten in Großbritannien ausgebaut. Vorangegangen waren einige Akquisitionen im Containerhinterlandverkehr. Da ist eine zunehmende Verzahnung unterschiedlicher Dienstleistungen zu beobachten, weil es einfach Sinn macht. Ein Beispiel: Wenn Sie schon ein stark mit Importen versorgtes Distributionszentrum betreiben, ist es von der Prozesssteuerung her opportun, dass Sie demselben Dienstleister die eingehenden Containerverkehre übertragen. Dadurch werden Schnittstellen abgebaut und die Abwicklung vereinfacht.

HANSA: Die Transportkapazitäten sind sowohl im Bereich Schiene als auch Straße wieder knapp geworden. Wie stark werden Sie dadurch ausgebremst?

Baier: Aus unserer Sicht sind die Engpässe derzeit sehr groß, insbesondere im regionalen Trucking-Bereich, also bei der Übernahme der Container ab Terminal und der Zustellung beim Kunden und umgekehrt. Und auch im Schienengüterverkehrsbereich. Die Kapazitäten können nicht so schnell reaktiviert werden, wie der Markt zurückkommt. Wenn Sie stillgelegte Waggons wieder einführen wollen, sind aufwendige Inspektionen und Abnahmen erforderlich. Aufgrund der Planungs- und Vorlaufzeiten für die Stilllegung, sind die Programme der Bahn auch teilweise erst wirksam worden, als die Volumina schon wieder anwuchsen.

HANSA: Wie kommen Sie mit der eigenen Kapazitätsaufstockung auf der Schiene voran?

Baier: Da wir eng mit den Bahnoperateuren zusammenarbeiten, die sich in dem skizzierten schwierigen Umfeld bewegen, fällt uns das gleichermaßen schwer. Aufgrund der engen Kooperation mit einigen Akteuren und unseren nicht unerheblichen Volumina und Marktzugängen haben wir aber nicht das Gefühl, dass wir da hinten runterfallen. Wir kriegen mehr Stellplätze, aber die Lage ist angespannt.

HANSA: Wie haben Sie im Binnenschiffsverkehr auf die Volumeneinbrüche reagiert? Dort haben Sie als Operateur selbst die Hebel in der Hand.

Baier: Wir haben einerseits produktionell reagiert und die Rundläufe der Schiffe angepasst. Angesichts der beträchtlichen Rückgänge mussten wir aber auch gecharterte Schiffe zurückliefern bzw. konnten sie nicht weiterbeschäftigen. Wir beschäftigen ungefähr 25 fest gecharterte Schiffe, die wir je nach Bedarf auf Spot-Basis ergänzen. Vor zwei Jahren lagen wir wohl eher bei 30 Schiffen.

HANSA: Die deutschen Seehafen-Umschlagsfirmen wollen sich auch im Inland stärker engagieren und dort eigene Satelliten-Terminals aufbauen. Nun ist das Hinterland eigentlich die Domäne von Firmen wie Wincanton. Kommt man sich da künftig verstärkt in die Quere?

Baier: Nein, wir sehen das nicht als Bedrohung. Der Markt der KV-Terminals litt bis zur Krise generell unter Engpässen, und zu dieser Situation kehren wir nun zurück. Wir erachten es daher als positiv, wenn die Seehafenbetreiber dazu beitragen, dass die Kapazitäten im Inland erweitert werden. Wir sind mit solchen Firmen auch im Gespräch hinsichtlich möglicher Kooperationen in bestimmten Regionen. Man könnte zusammen Projekte gestalten und sich Standorte teilen. Wincanton könnte dadurch auch Betreiberschaften für weitere Terminals gewinnen. Da sind wir offen für unterschiedliche Konzepte.

HANSA: Wincanton hat gerade auch den Betrieb eines Bahnterminals in Nähe des Antwerpener Hafens übernommen. Gehen Sie jetzt entgegengesetzt zu HHLA /Eurogate in die Seehäfen hinein?

Baier: Nein, wir haben dort für den offiziellen Betreiber Combinant technische Dienstleistungen im Betrieb übernommen und stellen auch das Umschlagpersonal. Ausschlaggebend für den Auftrag ist unser langjähriges Know-how im Terminalbetrieb. Wir erachten es als durchaus positiv, bei der Gestaltung des Terminalbetriebs in den Seehäfen mitwirken zu können, weil sich unser Geschäft immer auch über die Seehäfen abspielt. Je mehr wir mit unterschiedlichen eigenen Aktivitäten im Hafen vertreten sind, desto besser. Das ist aber nicht der Versuch, ein neues Geschäftsfeld im Seehafen-Terminalbetrieb zu erschließen.

HANSA: Wo sieht Wincanton Erweiterungsbedarf in seinem eigenen Terminal-Netz? An welchen Standorten müsste zuerst ausgebaut werden?

Baier: Kapazitätsengpässe spüren wir vor allem in Frankfurt und Mannheim. Da kommen nun Projekte wieder priorisiert auf den Tisch, die wir vor dem Hintergrund überfüllter Terminals schon vor der Krise geplant und dann angesichts des Volumeneinbruchs verlangsamt hatten. Frankfurt soll in einem ersten Schritt im nächsten Jahr ausgebaut werden und dann noch ein weiteres Mal innerhalb der nächsten vier Jahre. Und für Mannheim gibt es kurzfristige Pläne zur Flächenerweiterung auch ab nächstem Jahr sowie ein großes Erweiterungsprojekt mit Zeithorizont innerhalb der nächsten vier Jahre. In Mannheim schlagen wir heute über 100.000 TEU pro Jahr um, in Frankfurt cirka 35.000 bis 40.000 TEU.

HANSA: Sie wollen auch den Bereich Shortsea / Door-to-Door weiter verstärken. Welche Routen und welche Märkte haben Sie dabei im Sinn?

Baier: Wir kontrollieren bereits viele Elemente, die dafür erforderlich sind: Inland-Terminals, Binnenschiffsanlagen, Bahnverkehre etc. Da sehen wir uns im Zusam-

menspiel mit Partnern gut positioniert, Shortsea-Verkehre durchgängig darzustellen. Durch unseren Freight-Management-Bereich (Spedition, Anmerkung d. Redaktion) haben wir bereits Zugriff auf erhebliche Volumina im innereuropäischen Verkehr. Kunden übergeben uns ihre gesamten Pakete zur Distribution in Europa. Wenn da Achsen dabei sind, auf denen die Kunden alternative Verkehrswege zur Straße wählen möchten, müssen wir sicherstellen, dass wir die entsprechenden Stellplätze auf den Schiffen bekommen. Die Strategie ist aber von Achse zu Achse und von Kunde zu Kunde unterschiedlich. Das ist ein relativ neuer Ansatz, den wir in den Markt bringen. Wir schauen uns bewusst alle Shortsea-Produkte für bestimmte Märkte an, wobei ein Schwerpunkt auf Osteuropa liegt. Wir wollen Shortsea in Kombination mit Eigenleistungen für Märkte anbieten, die die Shortsea-Reeder allein noch nicht abgedeckt haben. Dabei geht es zum Beispiel um Exporte aus dem Einzugsgebiet unserer heutigen Standorte nach Russland / Baltikum.