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Zu Beginn des vierten Quartals stellen sich die Reeder auf steifen Gegenwind am Chartermarkt ein. Die Linien haben ihren Tonnagebedarf[ds_preview] für das Jahr weitgehend gedeckt – wie üblich um diese Zeit. Trotz kurzfristigen Drucks rechnen viele Marktteilnehmer aber mittelfristig mit weiter steigenden Raten.

Die Linienreeder finden wieder Freude an ihrem Geschäft. Nach dramatischen Verlusten im Vorjahr klingelt die Kasse bei ihnen dieses Jahr wie einst in Boomzeiten. Einige vermelden sogar Rekordgewinne. Ein sicheres Indiz für die Gesundung der Branche ist, dass sich die ersten Carrier nach zweijähriger Pause bei den Werften in Südkorea und China zurückmelden. Die taiwanesische Linie Evergreen hat soeben den Bau von zehn weiteren 8.000-TEU-Neubauten bei Samsung Heavy Industries besiegelt und den bestehenden Auftrag dadurch auf 20 ausgeweitet. Mit der taiwanesischen Werft CSBC soll Evergreen ebenfalls im Gespräch sein. Immerhin hat das Unternehmen, das sich in den Boomjahren vor 2009 mit Schiffsinvestitionen auffallend zurückgehalten hatte, schon im Vorjahr hohen Nachholbedarf angemeldet. Nachdem die Neubaupreise im Zuge der Krise tief in den Keller gesackt waren, tat Evergreen-Chef Chang seine Planungen für den Bau von bis 100 neuen Container-Frachtern kund. Auch die in Singapur ansässige NOL-Gruppe hat unlängst eine weitere Großschiffsserie geordert; deutsche und griechische Tramp-Reeder investieren im Bündnis mit MSC in neue 9.000-TEU-Schiffe, und Hamburg Süd mit seiner brasilianischen Tochtergesellschaft bringt die Bestellung von acht 3.800-TEU-Schiffen unter Dach und Fach. Die Liste lässt sich wohl bald fortschreiben. »Eine gewaltige Anzahl von Reedern hat sich scheinbar auf den Weg gemacht, um zunächst einmal informelle Gespräche mit den Werften aufzunehmen«, notiert Clarksons. Da sich die verfügbaren Bauplätze bis Ende 2012 rasant füllten und die Lieferfristen wieder zunähmen, dürften die Neubaupreise bald spürbar ansteigen, so Clarksons. In den meisten Größensegmenten liegen sie nach Maklerangaben um rund ein Viertel unter den Spitzenwerten von 2007. Auch am Chartermarkt sorgen die erneuten Investitionen für Hoffnung, weil sich darin die klare Erwartung der Linienreeder auf anhaltendes Ladungswachstum widerspiegelt. »Die langfristigen Perspektiven sehen recht gut aus, und die jüngsten Aktivitäten im Neubaumarkt zeigen, dass die Carrier und die Reeder diesen Standpunkt teilen«, schreibt der Hamburger Schiffsmakler Harper Petersen in seinem jüngsten Marktbericht.

Unsicherheit wächst

Allerdings dürften die Tagesraten der Charterschiffe aufgrund saisonaler Entwicklungen zumindest kurzfristig erneut unter Druck kommen. Zum Ende der Hochsaison (Juli-Oktober) im Containerverkehr haben die Linienreeder ihre Charterprogramme weitgehend abgefahren, so dass die Anfragen und neuen Abschlüsse tendenziell nachlassen. So gab das Ratenniveau in früheren Jahren schon einmal um 10 bis 15 % im vierten Quartal nach. Im September hat sich der Markt bereits deutlich beruhigt, was sich auch daran festmachen lässt, dass weniger frische Charterabschlüsse als vielmehr Optionserklärungen gemeldet wurden. Letztere beziehen sich auf Konditionen, die schon vor etlichen Monaten festgezurrt wurden, und bilden damit nicht den Spotmarkt ab. »Ohne die Optionen wären die Abschlusslisten sehr kurz ausgefallen«, blickt ein Hamburger Makler skeptisch zurück. Gedämpft wurde die Marktaktivität Ende September obendrein durch Nationalfeiertage in China und Südkorea. »Einige Charterer versuchen sich den Nachfragerückgang zunutze zu machen und pochen auf niedrigere Raten«, merkt ein anderer deutscher Makler an. Auch wenn keine drastischen Einschnitte zu erwarten seien, so zeichneten sich doch Abschlüsse »below last done« ab, wie es heißt. Die Panel-Broker, die am Marktbarometer ConTex teilnehmen, antizipieren ebenfalls eine leichte Abkühlung. Der Index erreichte Mitte September seinen diesjährigen Höchststand von 601 Zählern und fiel seither leicht auf 599 Punkte zurück. Nur die CV1100-Typen erzielten zuletzt noch leichte Ratenverbesserungen und liegen inzwischen bei knapp 7.400 US$ pro Tag auf Zwölfmonatsbasis. Die Tonnageverfügbarkeit sei in diesem Segment kurzfristig weiter gesunken, auch weil die Nachfrage in anderen Regionen außerhalb Asiens wieder etwas in Gang gekommen sei, heißt es. So zum Beispiel im Mittelmeer, wo sich CMA CGM die »Stadt Hameln« (1.118 TEU) zu immerhin 7.500 US$ für sechs Monate sicherte. Ein auf Feederschiffe spezialisierter deutscher Makler stuft den Markt in Europa aber nach wie vor als sehr labil ein. »Wir betreuen mehrere Befrachter-Accounts, und der Bedarf schwankt immer noch stark. Die Feeder-Operateure können manchmal nicht einmal den Bedarf für die nächste Woche einschätzen«, sagte der Experte. Eine klare saisonale Belebung der Feederschiffs-Nachfrage sei allerdings in der Karibik zu verzeichnen.

In den Bereichen von 1.300 bis 1.800 TEU sind die Charterraten bislang fest. Angesichts der frei werdenden Tonnage, für die noch keine Anschlussbeschäftigung gesichert ist, könnte der Markt in den nächsten Monaten kleinere Rückschläge erleiden, befürchten Makler. Die Zwölfmonatsraten für 1.700-TEU-Schiffe mit Geschirr wurden bei Redaktionsschluss der Hansa noch auf knapp über 9.000 US$ pro Tag taxiert. Die jetzt wieder üblichen kürzeren Abschlüsse mit Rücklieferung per April / Mai 2011, mit denen sich Reeder für eine mögliche erneute Hausse nächstes Frühjahr positionieren, haben dagegen eine 8 vorne stehen, wie es heißt.

Reefer-Plugs und Eisklasse sind Trumpf

Gegen den Trend könnte sich der Markt zumindest in bestimmten Nischen aber noch weiter verbessern. Dazu zählen Schiffe mit einer hohen Anzahl von Kühlcontaineranschlüssen, die zur Hochsaison in den Reefer-Verkehren ab Februar verstärkt benötigt werden, aber auch geschirrlose Feeder mit hoher Eisklasse für die Ostseeverkehre. Da viele Einheiten erstmals seit Jahresanfang wieder neu verchartert werden, ist die Branche gespannt, wie sich der zwischenzeitliche Ratenanstieg in diesen Klassen manifestieren wird.

In den oberen Größenklassen von 3.500 TEU aufwärts konnten sich die Reeder bislang gut behaupten. Jedenfalls kamen noch keine enttäuschenden Abschlüsse ans Tageslicht. Einen kleinen Tick besser als »last done« stufen Makler die Zwölfmonatscharter der »Pescara« (3.530 TEU) zu rund 19.300 US$ pro Tag für ein Jahr bei der United Arab Shipping Company ein. Die Vereinbarung umfasst nach Maklerangaben zudem eine Option für weitere zwölf Monate zu 25.000 US$. Die Anlieferung ist für Ende November in Nordostasien vorgesehen. Der Abschluss verdeutliche, dass die Carrier nach wie vor in scharfer Konkurrenz zueinander stehen, wenn sie sich größere Einheiten sichern wollen, kommentierte Braemar Seascope.

Im Bereich der Super-Postpanamax-Schiffe verblüfft MSC erneut mit seinem hohen Tonnage-Appetit. Der Konzern soll vier 12.500-TEU-Neubauten von Peter Döhle mit Ablieferung 2011 zu je 53.000 US$ pro Tag für drei Jahre unter Vertrag genommen haben, nachdem erst zu Monatsanfang Zahnjahreschartern für sechs 9.000-TEU-Neubauten vereinbart wurden. »Bei dem jetzigen Tempo rückt MSC wohl bald auf Platz eins unter den globalen Carriern vor«, kommentierte ein Makler.