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Neben den technischen Anforderungen spielen bei Ausschreibungen auch die Kosten des Schiffes eine wesentliche Rolle. Dies betrifft zunehmend nicht nur[ds_preview] den Kaufpreis, sondern auch die Betriebskosten. In diesem Beitrag ist beschrieben, wie die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) das Kostenmanagementsystem »costfact« nutzt, um bei einer Angebotsabgabe verschiedene Entwurfsvarianten zu vergleichen und auf dieser Basis den kostenoptimalen Schiffsentwurf zu ermitteln. Die Bewertung bezieht sich dabei auf den gesamten Lebenszyklus und berücksichtigt auch die Unsicherheiten, die mit der Prognose zukünftiger Kosten verbunden sind.

1 Ausgangssituation

Die FSG legt ihren Fokus eindeutig auf den Spezialschiffbau. Sie entwirft und baut an ihrem Standort in Flensburg mit ca. 750 Mitarbeitern Schiffe wie RoRo-Fähren, RoPax-Fähren und komplexe Marineversorgungsschiffe. Zu den Kunden der Werft zählen private und öffentliche Auftraggeber auf der ganzen Welt. Ihre Wettbewerbsstärke resultiert unter anderem aus den Erfahrungen, die beim Bau von über 700 Schiffen in der mehr als 125-jährigen Geschichte der Werft gesammelt wurden. Insbesondere tragen aber die modernen Fertigungstechnologien und der Einsatz innovativer Methoden und Instrumente im Entwicklungsprozess dazu bei, dass die FSG zu den fortschrittlichsten Werften Europas zählt. Um diese Vorteile zu bewahren, hat die Werft ein internationales Forschungsnetzwerk etabliert. Dieses Netzwerk soll sicherstellen, dass sämtliche genutzten Entwicklungswerkzeuge dem aktuellsten Stand entsprechen und fortlaufend weiterentwickelt werden.

Derzeit beteiligt sich die FSG an einer weltweit öffentlichen Ausschreibung zum Bau von Marineversorgungsschiffen. Neben den technischen Anforderungen liegt ein starker Fokus der Ausschreibung auf der Kosteneffizienz der zu realisierenden Lösungen. In diesem Zusammenhang sind die Bieter ausdrücklich aufgefordert, selbst Vorschläge zu entwickeln, wie sich Kostenvorteile realisieren lassen. Hierbei können auch alternative, von der Ausschreibung abweichende Gestaltungen in Betracht gezogen werden. Dies ist etwa dann zulässig, wenn durch geringe Abstriche bei der Funktionserfüllung starke Kosteneinsparungen erreicht werden. Dabei beschränkt sich die vom Bieter darzulegende Kostenbetrachtung nicht auf die Herstellkosten bzw. den daraus resultierenden Verkaufspreis, sondern soll vielmehr auch sämtliche Kosten einbeziehen, die während der gesamten Betriebsphase entstehen.

2 Life Cycle Costing

Heute stellt jedes Projekt in mehrfacher Hinsicht besondere Anforderungen an das Vorgehen zur Erstellung eines kostenoptimalen Entwurfs. So müssen zum einen die betrachteten Entwurfsvarianten sowohl unter technischen als auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet und verglichen werden. Zum anderen erfordert der Einbezug der Betriebskosten nicht nur die Prognose von zukünftigen und damit oft unsicheren Daten, sondern auch die Berück-

sichtigung von Wechselwirkungen zwischen Herstell- und Betriebskosten. Für eine integrierte Betrachtung dieser beiden Kostenperspektiven bietet sich die Methodik des Life Cycle Costing an. Hierbei werden sämtliche Kosten betrachtet, die beim Kunden aufgrund des Kaufs und der Nutzung eines Produktes anfallen. Diese Kosten stellen die so genannten Lebenszykluskosten bzw. Life Cycle Cost dar. Bei der Berechnung dieser Kosten muss berücksichtigt werden, dass die betrachteten Zahlungen zu verschiedenen Zeitpunkten anfallen. Da der Wert einer Zahlung auch vom Zahlungszeitpunkt abhängt, können die Zahlungen nicht unmittelbar zusammengefasst werden. Es sind vielmehr finanzmathematische Transformationen wie Auf- oder Abzinsung erforderlich. Durch Summierung aller im Lebenszyklus anfallenden und auf den Zeitpunkt 0 transformierten Zahlungen lässt sich der Barwert des Projekts ermitteln. Diese Größe stellt somit den auf den Zeitpunkt 0 bezogenen Wert aller durch die Anschaffung verursachten Zahlungen unter Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen dar. Eine weitere Größe zur Beschreibung der Lebenszykluskosten ist die Annuität der Auszahlungen. Die Annuität lässt sich aus dem Barwert ableiten und zeigt, wie hoch die regelmäßige Belastung über die gesamte Projektdauer wäre, wenn sämtliche Zahlungen zum Kalkulationszinssatz in solche periodischen und gleichmäßigen Zahlungen transformiert werden würden. Um außerdem den Unsicherheiten bei der Prognose zukünftiger Kosten Rechnung zu tragen, können Risikoanalysen eingesetzt werden. Eine geeignete Form dieser Analysen besteht darin, dass für die Berechnung der Life Cycle Cost Best- und Worst-Case-Szenarien ermittelt werden. Diese Szenarien basieren auf einem angenommenen Fehler bei der Abschätzung der Eingangsgrößen, also der Zahlungen, die in den verschiedenen Perioden getätigt werden, sowie dem mathematischen Fehlerausgleicheffekt (zur Berechnung des Fehlerausgleichs vgl. [1]).

3 Kostenmanagementsystem »costfact«

Die praktische Durchführung der Kostenprognosen und -analysen erfordert eine geeignete Systemunterstützung. Diese bietet das Kostenmanagementsystem »costfact«. costfact ist eine Softwarelösung, welche die Kostenplanung, -analyse und -steuerung im Schiffbau unterstützt und von der GKP – Gesellschaft für kostenorientierte Produktentwicklung, Köln, sowie dem Fachgebiet für Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme der TU Berlin entwickelt wurde [2]. Neben der speziellen Ausrichtung auf den Schiffbau liegen die Kernfunktionen von costfact zum einen in dem projektübergreifenden Management von Kosteninformationen und zum anderen in der strukturierten Kostenplanung und Analyse von Plan- und Istkosten. Hierbei lässt sich costfact sowohl ab der Angebotsphase für das Kostenmanagement bei neuen Projekten nutzen, als auch für die begleitende Kalkulation und die Analyse von abgeschlossenen Projekten. Die Bereitstellung einer einheitlichen Systemplattform ermöglicht die Anbindung an externe Systeme, z. B. zum Import von Ist-Daten aus dem ERP-System. In Bezug auf die Kostenplanung soll mit costfact im Vergleich zur konventionellen Vorgehensweise sowohl der Aufwand für diese Planung reduziert als auch deren Genauigkeit und Transparenz erhöht werden. Um diese Ziele zu erreichen, stellt costfact verschiedene Funktionen zur Verfügung. Hierzu zählen:

• Kostenprognose neuer Schiffe anhand vorhandener Kalkulationen

• Berücksichtigung technischer Parameter für Kostenprognosen und Projektvergleiche

• Parametrische Kostenprognose auf Basis von Regressionsfunktionen

• Risikoanalysen zur Ermittlung des Ausmaßes, in dem die späteren Istkosten von der Kostenprognose abweichen können

• Automatischer Abgleich von Spezifikation und Angebotskalkulation

Über die Herstellkosten hinaus lassen sich mit costfact auch die Betriebskosten planen und analysieren sowie Barwerte und Annuitäten für Projekte mit einer Laufzeit von bis zu 35 Jahren errechnen.

4 Bewertung und Auswahl des optimalen Entwurfs

Für die aktuelle Ausschreibung hat die FSG in einem ersten Schritt einen Entwurf in Form eines 2-Schraubers erstellt, der die in der Ausschreibung genannten technischen Anforderungen exakt erfüllt. Als Alternative hierzu wurde außerdem in einem zweiten Schritt ein 1-Schrauber als zusätzliche Lösungsalternative konzipiert. Der Erfüllungsgrad der geforderten Funktionen bleibt bei dieser Variante zwar etwas hinter der Ausgangslösung zurück. Dafür verursacht der 1-Schrauber jedoch voraussichtlich weniger Kosten.

Um neben den technischen auch die ökonomischen Unterschiede zu quantifizieren, sollten für beide Varianten die Lebenszykluskosten berechnet werden. Hierfür wurden zunächst sämtliche Zahlungen erfasst, die aus der Perspektive des Kunden vor, während und nach deren Betrieb verursacht werden. Die Zahlungen während des Schiffsbetriebs werden in costfact für jede Kostenart (wie z. B. Treibstoff, Personal oder Instandhaltung) und für jedes Betriebsjahr separat eingegeben. Alternativ hierzu kann die Eingabe für jede Kostenart auch pauschal, unter Berücksichtigung einer frei vorgebbaren Teuerungsrate, erfolgen.

Der nächste Schritt zur Identifikation des optimalen Entwurfs war eine Analyse der Betriebskosten, um die Kostentreiber zu identifizieren und damit Hinweise auf die kostenbestimmenden technischen Parameter zu erhalten. Abb. 1 zeigt diese Auswertung (wie auch in der nächsten Abbildung sind die Werte von der Realität abgewandelt).

Diese Darstellung gibt einen einfachen und schnellen Überblick zur Höhe und Struktur der verschiedenen Betriebskostenanteile. Dabei lässt sich auswählen, ob sich die Auswertung auf die diskontierten oder undiskontierten Zahlungen beziehen sollen; somit werden also auch die Auswirkungen der Verzinsung direkt ersichtlich. Bei der Analyse der Kostenstruktur spielt diese Unterscheidung dann eine besonders große Rolle, wenn die Anteile der Zahlungen einer Kostenart über die Projektlaufzeit variieren. So entstehen bei dem hier betrachteten Projekt etwa durch Modernisierungsmaßnahmen voraussichtlich verhältnismäßig hohe Kosten. Da die entsprechenden Auszahlungen jedoch erst in der zweiten Hälfte der Projektlaufzeit anfallen, ist der Abzinsungsfaktor so hoch, dass die diskontierten Zahlungen sehr viel weniger ins Gewicht fallen als bei einer direkten Aufsummierung ohne Berücksichtigung des zeitlichen Anfalls. Mit Hilfe dieser Informationen und der Betrachtung alternativer Szenarien lassen sich auch Hinweise für optimale Instandhaltungsstrategien gewinnen.

Nach Abschluss aller Eingaben berechnet costfact den Barwert und die Annuität des betrachteten Projekts. Damit werden auch Vergleiche zwischen verschiedenen Alternativen ermöglicht und es lässt sich gegebenenfalls der Zeitpunkt erkennen, zu dem ein Wechsel der Vorteilhaftigkeit zweier Varianten eintritt, d. h. dass eine Variante zwar einen höheren Kaufpreis aufweist, aufgrund der niedrigeren Betriebskosten aber bei einer Betrachtung über die gesamte Projektlaufzeit vorteilhafter ist.

Während sich die Herstellkosten bei der hier beschriebenen Angebotserstellung jeweils mit verhältnismäßig hoher Genauigkeit abschätzen ließen, erforderte die Prognose der Betriebskosten verschiedene Annahmen, die nur auf Basis speziellen Expertenwissens getroffen werden konnten. Vor diesem Hintergrund wurden bei der Kostenprognose auch die Unternehmen eingebunden, welche die spätere Instandhaltung der verschiedenen Anlagen und Apparate durchführen würden. Nichtsdestoweniger blieben viele Prognosen immer noch mit Unsicherheiten behaftet, da selbst bei einem bekannten Mengengerüst (Beispiel: die jährlich verbrauchte Treibstoffmenge) die zukünftige Entwicklung der entsprechenden Kostensätze (Treibstoffpreise) meist nicht festliegt. Diesen Unsicherheiten wurde bei dem Vergleich der beiden Varianten, also 1-Schrauber und

2-Schrauber, mit Hilfe der Risikoanalyse von costfact Rechnung getragen. Hierfür wurde zunächst abgeschätzt, welche relativen Schwankungen bei den verschiedenen Zahlungsarten in verschiedenen Zeiträumen jeweils berücksichtigt werden sollen. Auf dieser Basis wurden dann Szenarien berechnet und die Projekte verglichen. Hierbei ermittelt costfact für jede Variante anhand der absoluten Zahlungen der einzelnen Kostenarten und den dafür jeweils angenommenen Schwankungsbreiten für jedes Projektjahr die gesamte Prognoseabweichung. Mit dieser Prognoseabweichung können dann die Ober- und Untergrenzen für die kumulierten Barwerte und Annuitäten errechnet werden, also die Best- bzw. Worst-Case-Szenarien. Neben der Angabe dieser Kenngrößen stellt costfact den Verlauf der kumulierten Barwerte in Diagrammform grafisch dar (vgl. Abb. 2).

Die Grafik zeigt, wie für die beiden verglichenen Projektalternativen mit einer Dauer von jeweils 20 Jahren die Barwerte über die Projektlaufzeit kumuliert werden. Dies beginnt im Jahr 0 mit den Zahlungen, die mit der Anschaffung verbundenen sind. In den anschließenden Perioden gehen die diskontierten Zahlungen während des Betriebs ein. Hierbei wird ersichtlich, dass beim 1-Schrauber den reduzierten Funktionserfüllungen nur sehr geringe Kostenvorteile gegenüberstehen. Dies gilt sowohl für die Herstellkosten als auch die Betriebskosten und damit die gesamten Lebenszykluskosten. Somit weist der Entwurf des 2-Schrauber die höhere Wertigkeit auf, also das bessere Verhältnis von Nutzen und Kosten. Daher wurde diese Variante weiter verfolgt und dem Angebot zu Grunde gelegt.

Neben der Möglichkeit des Variantenvergleichs schaffen der ganzheitliche Einbezug aller Phasen des Lebenszyklus sowie die methodische Berücksichtigung der damit verbundenen Ungewissheiten die Voraussetzungen für einen kostenoptimalen und damit wirtschaftlichen Betrieb des Schiffes.

5 Zusammenfassung

Die Baukosten sind nur ein Teil der gesamten Lebenszykluskosten eines Schiffes. Daher ist es von zentraler Bedeutung, auch die Betriebskosten von Anfang an konsequent im Schiffsentwurf zu berücksichtigen. Hierzu steht mit dem Programm »costfact« und dem darin enthaltenen Modul zur Analyse und Bewertung der Lebenszykluskosten ein leistungsfähiges Werkzeug zur Verfügung.

Im praktischen Einsatz bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft ließen sich mit costfact die unterschiedlichsten technischen Lösungsvarianten für ausgeschriebene Marineversorgungsschiffe objektiv bewerten und vergleichen. Auf dieser Basis konnte dann der Entwurf erarbeitet werden, welcher unter den Gesichtspunkten der Lebenszykluskosten und funktionalen Anforderungen optimal ist.


Jan O. Fischer, Rolf Nagel