Seeschifffahrt in Deutschland – ein Erfolgsmodell

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Es ist schon ein außergewöhnliches Erfolgsmodell, das wir in der Deutschen Seeschifffahrt haben. Der Staat passt mittels einer zwischenzeitlich im[ds_preview] europäischen Recht verankerten Struktur die Steuerlast für Erträge aus der Seeschifffahrt an das internationale Niveau an und ermöglicht so ein beispielloses Wachstum in der Deutschen maritimen Wirtschaft. Seit Einführung der Tonnagesteuer wuchs die von Deutschland kontrollierte Flotte um rund das Fünffache. Von 18 Mill. BRZ (Anfang 1999) auf heute über 81 Mill. BRZ.

Man darf dabei nicht vergessen: Die deutschen Reeder haben keinen Steuervorteil gegenüber der Konkurrenz aus der ganzen Welt. Sie haben lediglich annähernd gleiche Chancen. Und diese Chancen haben sie mit unternehmerischem Mut und Geschick genutzt. Darauf können wir stolz sein. Auf diesen Erfolg können wir für die Zukunft bauen. Am Standort Deutschland können wir Weltmarktführer sein, wenn die Bedingungen stimmen.

In den vergangenen Jahren erlebten die eng mit den deutschen Reedereien verbundenen zukunftswichtigen Bereiche der Finanzwirtschaft und der maritimen Zulieferindustrie einen nie erwarteten Boom. Heute arbeiten zwischen Garmisch und Flensburg über 400.000 Menschen für den Maritimen Sektor und erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von 85 Milliarden Euro. Deutsche Emmissionshäuser, Schiffsbanken, Versicherungen, Schiffsmanager, -makler und Zulieferer bilden ein bis dato nicht gekanntes Cluster von international erfolgreichen und renommierten »Hidden Champions«. In vielen Bereichen sind die mittelständischen Firmen weltweit Marktführer. Eindrucksvoll ist alleine die Rangliste der größten Charterreedereien für Containerschiffe: Auf den ersten fünf Plätzen stehen deutsche Reedereien.

Im öffentlichen Bild sind diese Reedereien weitgehend unbekannt. Aber sie sorgen bis tief in das Hinterland für Arbeitsplätze, denn sie sind verantwortlich für Neubauten und den Betrieb der Schiffe. Dabei ist es nicht entscheidend, in welchem Land diese Neubauten entstehen. Der überwiegende Teil der Wertschöpfung findet im deutschen Mittelstand statt, auch dann, wenn diese Schiffe auf internationalen Werften erstellt werden. Daher ist es für die Mehrheit der Arbeitsplätze wesentlich, woher der Auftraggeber kommt – nämlich aus Deutschland. Auch ein Neubau auf einer koreanischen Werft kann über 75 Prozent der Wertschöpfung in Deutschland erbringen.

Dieser Erfolg hat auch seinen Preis. Steueranpassungen an ein weltweit übliches Niveau, auch wenn sie der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit dienen, sind nirgendwo auf der Welt umsonst zu bekommen. Mit dem Maritimen Bündnis sind die Bundesregierung, Länder, Gewerkschaften und die Reeder eine vorausschauende strategische Partnerschaft eingegangen, die auch an die Rahmenbedingungen für ein dauerhaftes Wachstum denkt.

Die tragenden Säulen des Erfolgsmodells Deutsche Handelsschifffahrt sind die Tonnagesteuer, der Erhalt von Schifffahrts-Know-How durch Ausbildung sowie ein hohes Maß an Beschäftigung. Als Gradmesser dafür wurde bislang die deutsche Flagge angenommen. Nachdem die Bundesregierung in der Krise zu den Reedern gestanden hat und sich klar zum Erhalt dieses Erfolgssystems bekennt, ist es die Aufgabe der gesamten deutschen Reederschaft, Kurs zurück auf die Zusagen der Maritimen Konferenz zu nehmen, sobald die aus der Krise herausfahren, um den Fortbestand des Erfolgsmodells Schifffahrtsstandort Deutschland zu stärken.

Der beste Weg, das Erfolgsmodell zu stützen, ist eine zeitgemäße Flaggenstaatsverwaltung. Es ist viel zu kompliziert, ein Schiff unter die deutsche Flagge zu bringen. Die Reform der Verwaltung ist dringend geboten. Die deutsche Flagge muss im europäischen Vergleich vorbildlich sein. Dann können die Reedereien weiterhin ihre Chancen von unserem Standort aus nutzen.

Ralf Nagel

Hauptgeschäftsführer des VDR
Ralf Nagel