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…Zugleich eine Anmerkung zur Entscheidung des Amtsgerichtes Kiel vom 22. Juli 2010

Die in der HANSA 10/2010, S. 112 f. (auszugsweise) abgedruckte Entscheidung des Amtsgerichtes Kiel [Az.: II 41 OWi 590 Js[ds_preview]-Owi 3429/09 (5/09)] vom 22. Juli 2010 hat weit über den Einzelfall hinausgehende Grundsatzbedeutung. Es ist die erste Entscheidung deutscher Gerichte (nach Kenntnis des Verfassers die erste Gerichtsentscheidung überhaupt), die sich mit der Frage der Verwertbarkeit landseitiger AIS-Aufzeichnungen für die Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Wasserfahrzeuge auseinandersetzt. Das Gericht tut dies – nach eingehender Beweisaufnahme und der Auswertung zweier Sachverständigen-gutachten – mit großer Sorgfalt. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die AIS-Aufzeichnungen nicht hinreichend genau sind, um sie uneingeschränkt der Ahndung einer angeblichen Geschwindigkeits-überschreitung zugrundezulegen. Vielmehr verlangt das Gericht, dass bei der Verwendung landseitiger AIS-Aufzeichnungen zu dem vorgenannten Zweck eine Sicherheitstoleranz von 1 kn (also 1,852 km/h) in Abzug zu bringen ist. Die zugrundeliegende Frage war seit Einführung der AIS-Aufzeichnung in den Verkehrszentralen vor gut fünf Jahren streitig. Die aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichtes Kiel jetzt gewonnene Rechtsklarheit ist daher zunächst zu begrüßen.

Im Einzelnen ist zu der Entscheidung Folgendes zu bemerken.

1. Ermächtigungsgrundlage

Das Gericht setzt sich zunächst eingehend mit der Frage auseinander, ob für den Erlass eines Bußgeldbescheides auf der Basis AIS-generierter Geschwindigkeits­aufzeichnungen eine hinreichende rechtliche Ermächtigungsgrundlage vorhanden ist. Diese Frage ist in der Folge von Regelverstößen im Straßenverkehr im Hinblick auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes in jüngerer Vergangenheit zunehmend Gegenstand kritischer Würdigungen des Bundesverfassungsgerichtes und anderer Obergerichte gewesen. Angesichts des Dauercharakters von AIS-Aufzeichnungen, welche die Schiffsführungen einer permanent elektronisch dokumentierten Beobachtung unterwirft, sind an die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfolgungszwecke besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung herangezogenen Rechtsnormen (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 9 e Abs. 2 SeeAufgG) dürften jedoch allein präventives Handeln im Rahmen der Gefahrenabwehr rechtfertigen (also etwa im Rahmen der Verkehrslenkung). Nicht jedoch können sie repressive Zwecke der Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfolgung legalisieren. Dies hat das Amtsgericht Kiel nach ausführlicher Begründung anders entschieden, was bei Gelegenheit neuer Erörterung und Prüfung zu unterziehen sein wird. Für die hier erörterte AIS-Problematik ist dies jedoch nicht von Interesse.

2. Vergleichbarkeit zum Straßenverkehr

Für die Zuverlässigkeit der AIS-gestützten Geschwindigkeitsaufzeichnungen sind dieselben Anforderungen zu beachten, welche die Rechtsprechung in Bezug auf Geschwindigkeitskontrollen im Straßenverkehr seit Jahrzehnten erarbeitet hat. Dieser Frage hat sich das Amtsgericht Kiel mit erkennbarer Sorgfalt angenommen. Es stand dabei vor dem Dilemma, sich mit komplizierten physikalischen und elektro-technischen Phänomenen auseinandersetzen zu müssen, welche die in Rede stehenden Messvorgänge technisch ermöglichen, aber auch nachteilig beeinflussen können. Das Gericht war also auf die Beurteilung von Sachverständigen in besonderem Maße angewiesen.

3. Rechtliche Grundlagen und Ziele des AIS

Im Rahmen dieser Abhandlung darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass AIS (Automatic Identification System) das von der IMO weltweit vorgeschriebene Schiffsidentifizierungssystem darstellt, das auf der Grundlage geostationärer Satellitendaten die wichtigsten Identitäts-, Positions- und Bewegungsparameter eines Schiffes den anderen Verkehrsteilnehmern deutlich macht.

Die IMO hat das AIS als Ausrüstungspflicht für die internationale Seeschiffahrt im Jahre 2004 verbindlich eingeführt. Deren Primärziel ist es, die bordgestützte Kollisionsverhütung zu verbessern. Im weiteren Sinne dient der zweckentsprechende Einsatz von AIS der Erhöhung der Sicherheit auf See, der Erleichterung der Navigation und dem Schutz der Meeresumwelt. Die wichtigsten Zwecke des AIS im Schiffsbetrieb und in der landgestützten Verkehrssicherung sind die

• Identifizierung anderer Fahrzeuge

• Unterstützung der Zielverfolgung

• Vereinfachung des Informationsaustausches

• Bereitstellung zusätzlicher und zum Teil redundanter Informationen für den Prozeß der Kollisionsverhütung.

4. Nutzungsbeschränkungen des AIS

Hervorzuheben ist, dass AIS bestimmungsgemäß eine wichtige Ergänzung, aber eben doch nur eine Ergänzung zu den bereits existierenden Navigationssystemen (unter Einschluss von Radar, ECDIS etc.) darstellt. Festzuhalten bleibt, dass das AIS nach seiner Zweckbestimmung und entsprechend seiner technischen Bauart und Spezifikation der Erhöhung der Verkehrssicherheit dient. Nicht dagegen dient das AIS der verbindlichen Feststellung einzelner Bewegungsparameter des Schiffes zum Zwecke der Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfolgung (z.B. etwaiger Geschwindigkeitsüberschreitungen).

Dies ist umso mehr zu betonen als die IMO selbst auf systembedingte Ungenauigkeiten des AIS-Systems hinweist und den System-Nutzer ausdrücklich wie folgt warnt: Inherent Limitations of AIS

34 The users must be aware that transmission of erroneous information implies a risk to other ships as well as their own … .

35 The accuracy of AIS information received is only as good as the accuracy of the AIS information transmitted.

36 The OOW should be aware that poorly configured or calibrated ship sensors (position, speed and heading sensors) might lead to incorrect information being transmitted. …

Diese an den verantwortlichen Wachoffizier an Bord jedes Schiffes gerichtete Warnung gilt naturgemäß in gleichem Maße für den landseitigen Nutzer (etwa in der Verkehrszentrale). Erst recht ist sie bereits im Ansatz zu berücksichtigen von jeder Straf- oder OWi-Verfolgungsbehörde. Dies wirft die Frage auf, ob das AIS überhaupt für Zwecke der OWi- und Strafverfolgung herangezogen werden darf.

5. Sachverhalt und sachverständige Feststellungen

In dem vom Amtsgericht Kiel entschiedenen Fall ist gegen den betroffenen Seelotsen ein Bußgeldbescheid erlassen worden wegen angeblicher Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit im Nord-Ostseekanal von 15 km/h. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind ausschließlich auf die von der Verkehrslenkung empfangenen und aufgezeichneten AIS Signale gestützt worden, welche von dem AIS-Gerät des MS »E« gesendet wurden. Andere Erkenntnismittel (Radaraufzeichnungen, Lichtschranken-messungen o.ä.) gab es nicht. Bereits bei Abgleichung der Passierzeiten des Schiffes ergaben sich Zweifel an der Richtigkeit der AIS-Aufzeichnungen. Die zuständige Lotsenbrüderschaft hat daraufhin ein Gutachten zur »Zuverlässigkeit und Genauigkeit AIS gestützter Geschwindigkeitsinformationen« bei der Hochschule Wismar in Auftrag gegeben.

(1) Das HSW-Gutachten: Dieses Gutachten setzt sich zunächst sehr genau mit der technischen Funktions- und Bauweise des AIS auseinander wie auch mit den technischen Systemen, welche die Daten für das AIS zuliefern. Das Gutachten stellt ferner fest, dass die Einspeisung der Geschwindigkeitsdaten (FüG) in das AIS von den unterschiedlichsten Geräten stammen kann (also nicht nur einem GPS oder DGPS-Gerät, sondern etwa auch GLONASS, LORAN-C oder CHAYKA). Sodann wird hervorgehoben, dass die AIS-Sendeeinheiten von den Herstellern unterschiedlich kalibriert bzw. konfiguriert werden. Das Gleiche gilt prinzipiell für die angeschlossenen Datenquellen (etwa GPS, Doppler-Log, LORAN-C etc.). Darüber hinaus werden die Geräte bordseitig individuell konfiguriert (beispielsweise mit den aktuellen Reisedaten).

Sodann erläutern die Gutachter die Fehlereinflüsse bei GNSS-gestützter Geschwindigkeitsbestimmung. Hierzu zählen insbesondere

• stochastische Änderungen im Satellitensystem,

• Abschattungen des Antennenhorizonts (hohe Bauwerke, Brücken)

• Signalstörungen durch Hochspannungs- oder andere Leitungen

• Mehrfachausbreitung von Signalen.

Sie weisen darauf hin, dass die genannten Störungseffekte besonders in Landnähe und bei Fahrt in engen Fluss- und Kanalgewässern auftreten.

Schließlich – und dies dürfte für den mit der Sache befassten Juristen besonders wichtig sein – wird festgestellt, dass mit dem AIS keinerlei Genauigkeitsindikatoren gesendet oder aufgezeichnet werden, die eine wissenschaftlich fundierte Verifizierung der Richtigkeit der gesendeten Daten ermöglichen würden. Mithin ist für den Empfänger auch nicht erkennbar, ob etwa die der AIS-Sendeeinheit Daten zuliefernden Geräte (GPS, GLONASS) ordnungsgemäß arbeiten oder von minderwertiger Qualität oder veralteter Bauart sind.

So kommt das HSW-Gutachten zu folgenden Ergebnissen:

a) »Aufgrund der in beschränkten Fahrwassern einerseits zusätzlich vorhandenen und andererseits zunehmenden Störeinflüsse ist von größeren Genauigkeitstoleranzen bei der Geschwindigkeitsbestimmung auszugehen.« (Gutachten S. 13)

b) »AIS ist keine Einrichtung bzw. kein Gerät zur Messung der Geschwindigkeit.« (Gutachten S. 21)

c) »Mit AIS werden keine der verifizierbaren messspezifischen Genauigkeitsindikatoren (Navigationsmodus, Alter der RTCM-Nachrichten, Satellitenzahl oder HDOP) gesendet oder aufgezeichnet, so dass eine wissenschaftlich fundierte Verifizierung von Geschwindigkeitsdaten im Post-Processing nicht möglich ist.« (Gutachten S. 21 f.)

Auf der Grundlage dieses wissenschaftlichen Gutachtens hätte die eingangs aufgeworfene Frage, ob AIS überhaupt der Feststellung (und Ahndung!) einer Geschwindigkeitsüberschreitung herangezogen werden darf, klar verneint werden müssen.

Diese Schlussfolgerung hat das Amtsgericht Kiel zunächst jedoch nicht gezogen. Vielmehr hat es einen weiteren Experten eingeschaltet. Hierbei handelt es sich um einen durchaus erfahrenen Nautiker und langjährigen Dozenten einer deutschen Fachhochschule.

(2) Der Gerichtsexperte: Dieser hatte insbesondere den Auftrag, »die Ordnungsmäßigkeit der Geschwindigkeitsermittlung bezüglich des MS »E« … mittels AIS zu klären«. Ihm lag hierfür die gesamte Gerichtsakte vor, mithin auch das HSW-Gutachten. Mit diesem Gutachten hat sich der Gerichtsexperte in seinem eigenen Kurzgutachten nicht auseinandergesetzt. Hierfür dürfte dem Gerichtsexperten (allein aufgrund seiner Ausbildung als Nautiker) die wissenschaftlich-technische Qualifikation gemangelt haben. Gleichwohl kommt er in seinem Kurzgutachten zu dem Ergebnis, dass »die Geschwindigkeitsermittlung mittels Differenzial-GPS ordnungsgemäß ist« und dass »die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten worden ist«.

6. Ergebnisses der Beweisaufnahme

In der nachfolgenden Hauptverhandlung wurde der Gerichtsexperte angehört, nicht jedoch die Verfasser der HSW-Gutachtens. Zu einer konkreten Stellungnahme zu dem HSW-Gutachten konnte der Gerichtsexperte in der Hauptverhandlung nicht bewegt werden. Das Gericht hat daraufhin den Gerichtsexperten mit einer ergänzenden Stellungnahme beauftragt, die eine »Plausibilitätsprüfung« der AIS-Aufzeichnungen beinhalten sollte. Der Gerichtsexperte wurde gebeten, die landseitig aufgezeichneten AIS-Positionen in eine Seekarte vergrößerten Maßstabes einzutragen. Das Gericht wollte auf diese Weise (visuell) erfahren, ob es in den AIS-Aufzeichnungen Sprünge oder »Ausreißer« gab.

Dem ist der Gerichtsexperte mit einer ergänzenden Stellungnahme nachgekommen.

Die entsprechend eingetragenen Positionen (Zeitabstand von jeweils 30 Sekunden) zeigten, »dass die zeitlichen Abstände nicht genau gleich sind«. Der Gerichtsexperte stellt dann weiter fest, dass ab einer bestimmten Position der Kursverlauf des ostgehenden MS »E« links (also nördlich) der Kanalmitte lag. Er stellt hierzu fest, dass dies »nicht als ›Sprung‹ in den festgestellten Position angesehen werden (könne), da bereits die vorangehenden Positionen das Abweichen nach links von der Kanalmitte erkennbar machen«.

Genau hier liegt indessen ein gleichermaßen bedauerlicher wie »entscheidender« Fehler. Der beschriebene Kursverlauf des ostgehenden MS »E« befand sich eben westlich der Hochbrücke bei Brunsbüttel. Das Schiff stand mithin genau zwischen der einige hundert Meter weiter westlich befindlichen Hochspannungsleitung und dem genannten Brückenbauwerk. Da diese »Abschattungen« als Fehlerquelle bei GPS/AIS generierten Positionen wissenschaftlich erkannt sind, wäre bei der entsprechenden »Plausibilitätsprüfung« größte Zurückhaltung geboten gewesen. Tatsächlich war aufgrund der Aktenlage klar erkennbar, dass das MS »E« in dem fraglichen Bereich einem Konvoi von fünf westwärts fahrenden Schiffen begegnete. Bei dem ersten Gegenkommer, welcher praktisch unter der Hochbrücke passiert wurde, handelt es sich um das MS »MSC P«, einem Fahrzeug der Verkehrsgruppe 5, das seinerseits die Kanalmitte hielt. Dementsprechend war das MS »E« (Verkehrsgruppe 3) gehalten, seinerseits deutlich die rechte (südliche) Fahrwasserhälfte zu halten. Eine Kollision oder auch nur eine gefährliche Annäherung hat es nachweislich nicht gegeben. Demnach war aufgrund der Aktenlage erkennbar, dass die AIS-Aufzeichnungen in dem fraglichen Kanalabschnitt definitiv falsch waren: Das MS »E« stand eben nicht – wie es die AIS-Aufzeichnungen vorgeben – in der nördlichen, also »falschen« Fahrwasserhälfte, sondern eindeutig auf der südlichen und »richtigen« Fahrwasserseite. Da auch die – laut AIS – festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung sich in dem fraglichen Kanalabschnitt ereignet haben soll, hätte das AIS als Beweismittel grundsätzlich verworfen werden müssen.

7. Würdigungen des Gerichtes

Das Amtsgericht Kiel hat sich zwar mit den Sachverständigenfeststellungen auseinandergesetzt. Jedoch ist dies nicht widerspruchsfrei geschehen.

So hat das Gericht zunächst festgestellt, dass »die Positionsdaten, die vorliegend vom GPS-Gerät übertragen worden sind, … hinreichend genau (sind), um darauf eine Geschwindigkeitsermittlung zu stützen«. Dabei ist das Gericht den »insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B. (Gerichtsexperte)« gefolgt. Wenig später kommt das Gericht dann zu dem gegenteiligen Schluss, dass »der Sachverständige B. die von dem Betroffenen aufgeführten Bedenken, die sich in den schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. (i.e. das HSW-Gutachten) niedergeschlagen haben, hinsichtlich der generellen Fehlerquellen bei Positionsdaten, die mittels GPS-Geräten ermittelt werden, nicht voll umfassend ausräumen (konnte)«.

Hierbei ist bedauerlich, dass das Gericht den offensichtlichen Fehler in der Plausibilitätsprüfung des Gerichtsexperten (siehe hierzu im einzelnen oben unter 6.) nicht erkannt hat. Hätte das Gericht den Plausibilitätsmangel der AIS-Aufzeichnungen in dem maßgeblichen Messbereich berücksichtigt, wäre richtigerweise die generelle Unzulässigkeit der Ahndung einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Grundlage von AIS-Daten festzustellen gewesen.

8. Fazit

Das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 22.07.2010 ist auf den ersten Blick vielleicht »salomonisch« zu nennen. So hat das Urteil zunächst mit dem Freispruch des Betroffenen die notwendige Einzelfallgerechtigkeit hergestellt. Zugleich hat das Urteil mit der Einführung einer Messtoleranz von 1 kn (1,852 km/h) der Schiffahrtspraxis auf deutschen Bundeswasserstraßen eine gewisse Sicherheitsmarge gewährt. Schließlich befindet sich das Urteil im Ergebnis zunächst scheinbar in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre zur Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr. Nach § 2 Abs. 1 Eichgesetz (i.V.m. Abschnitt 11 der Anlage 18 zu § 7 k EichO) unterliegen Geschwindigkeitsmessgeräte der Eichpflicht. Im vorliegenden Fall sind weder die GPS- noch die AIS-Geräte geeicht gewesen. Dies ist in der Seeschiffahrt generell nicht der Fall. Nun führt zwar die Tatsache einer fehlenden Eichung nicht grundsätzlich zur Unverwendbarkeit der Messergebnisse. Jedoch muss in diesen Fällen als Ausgleich der Messungenauigkeiten eine erhöhte Messtoleranz eingeräumt werden.

Auf den zweiten Blick kann der Entscheidung des Amtsgerichts Kiel dennoch nicht zugestimmt werden. Die hier erörterten, nach dem heutigen Stand der Technik nicht auszuschließenden Messungenauigkeiten und Konfigurationsfehler sowie insbesondere der Umstand, dass die bordseitigen Sendegeräte unterschiedlichster Qualität und Bauart sind und von der Schiffsbesatzung individuell eingestellt werden, begründen eine absolute Untauglichkeit von AIS-Aufzeichnungen für die Feststellung/Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen. Dies hat das Amtsgericht Kiel leider verkannt. Das ist um so bedauerlicher, als gerade auch in dem zugrundeliegenden Fall die »Plausibilität« der AIS-Aufzeichnungen nicht gegeben war. Der Fall bot damit die Gelegenheit (und allen Anlass), die Unbrauchbarkeit der AIS-Aufzeichnungen für die Zwecke von Bußgeldverfahren festzustellen. Die Chance, insoweit durchgreifende Rechtsklarheit zu schaffen, ist damit zunächst vertan. Die verbleibenden Zweifel werden also in Zukunft erneut auf den Prüfstand gestellt werden müssen.

Rechtsanwalt Dr. Detlef Zschoche