Print Friendly, PDF & Email

Durch Netzwerke und Allianzen behaupten sich kleinere Speditionen erfolgreich im globalen Projektgeschäft. Die Kooperationen bekommen immer mehr Zulauf.

Größer, schwerer, komplexer – die Trends in der Projektlogistik sind klar umrissen, und sie spielen den kleinen Speditionen nicht unbedingt in[ds_preview] die Hände. Der Anteil der Megaprojekte mit mehreren Hunderttausend Frachttonnen schien in den vergangenen Jahren stetig zuzunehmen, wobei sich die Vorhaben immer mehr in Entwicklungs- und Schwellenländer Asiens, Südamerikas und Afrikas verlagern. Zudem ist eine zunehmende Teilung und Verästelung der Transportströme zu beobachten. In Zeiten der globalen Beschaffung werden Großbaustellen für Kraftwerke oder Raffineriekomplexe von Lieferanten aus aller Welt versorgt – per Luft, Land und See. Und dann soll das ganze auch noch zentral von einem Lead Logistics Provider gemanagt werden. Bei den Ausschreibungen der großen Service-Pakete brauchen Dienstleister ohne internationales Standortnetz gar nicht erst antreten. Für kleine Speditionen besteht dennoch kein Grund, sich auf ihren lokalen Horizont zurückzuziehen. Kleinere internationale Projekte oder Teilkomponenten von Megaprojekten können von ihnen durchaus dargestellt werden. Die Praxis beweist es. Voraussetzung dafür sind die richtigen Partner an strategischen Punkten der Transportkette. Immer mehr lokale Dienstleister finden sich in den vergangenen Jahren in globalen Kooperationen zusammen, um gemeinsam Lösungen für Projekte zu finden, die sie allein überfordern würden. Dabei gilt: Alles kann, nichts muss. Die Mitgliedschaft in einem Netzwerk verpflichtet keinesfalls dazu, andere Mitglieder an Aufträgen zu beteiligen. Für die Spediteure ist es nur ein weiterer Pfeil in ihrem Köcher. »Wir können die Kooperationen ad-hoc nutzen«, sagt Joachim Patzner, Geschäftsführer der Riedl-Gruppe in Hagen, die sowohl Mitglied der Heavy Lift Group als auch der World Project Group (WPG) ist. »Es hilft einfach. Wir können damit zeigen, dass wir gute Partner haben. Darauf achten die Großkunden sehr«, verdeutlicht er. Die auf Seefracht spezialisierte Riedl-Tochter Transgerma in Bremen greift für Transporte nach Mittelost regelmäßig auf WPG-Partner zu. Bei einem Projekt in Qatar, das über Monate hinweg mit Anlagenteilen per Open-Top-Container aus Frankreich beliefert werden musste, zog die Firma kürzlich WPG-Mitglieder aus Frankreich und Qatar zusammen. Der eine sorgte für den Vorlauf, Transgerma arrangierte Verladung und Seetransport, und der Dritte im Bunde wickelte Empfang, Dokumentation und Nachlauf in Qatar ab.

Cross Trades nehmen zu

Auch für ihre »lokalen« Kunden sind Spediteure immer häufiger auf Partner am anderen Ende der Welt angewiesen. Selbst wenn die Fracht aus Deutschland überwiesen wird, berührt die Ladung nicht mehr zwangsläufig einen deutschen – geschweige denn europäischen – Hafen. Die globale Beschaffung der deutschen Industriekunden zieht zwangsläufig mehr Cross Trades nach sich. Deutsche Firmen schicken Reaktoren aus Südkorea in die Golfstaaten oder Bergbaumaschinen aus China nach Australien.

Die Speditionskooperationen, die häufig nicht den Mitgliedern sondern dem Management gehören, dienen in erster Linie als Forum. »Wir verstehen uns als Networking-Plattform mit einem globalen Marketing für unsere Mitglieder«, erklärt Wolfgang Karau, Director des Worldwide Project Consortium (WWPC) mit rund 90 Mitgliedsunternehmen weltweit. Karau, der in Südspanien sitzt, und sein über die Welt verstreutes Team organisieren Messeauftritte, Werbekampagnen und jährliche Konferenzen, die vor allem dem Networking dienen. Als Aufsichts- und Beratungsinstanz steht dem Management ein vierköpfiger Beirat mit Mitgliedsvertretern aus Asien, Nordamerika, Europa und Afrika zur Seite. Auch bei der Aufnahme neuer Mitglieder spricht das Gremium ein Wörtchen mit – ein durchaus kontroverses Thema. Bei der Werbung bewegen sich die Manager zwischen zwei Polen: Einerseits muss die geographische und fachliche Kompetenz weltweit ausgebaut werden, andererseits dürfen die Gebietsansprüche der Mitglieder nicht verletzt werden. Bei der WWPC sei jedes Mitglied für seine Region exklusiv verantwortlich, daran werde nicht gerüttelt, sagt Karau. In den meisten Ländern sei nur ein verantwortliches WWPC-Mitglied zugelassen. Nur in ganz großen Staaten wie den USA, China, Russland und Brasilien gebe es mehrere Mitglieder, die in ihrem jeweiligen Landesteil aber wieder Exklusivität genießen. Bei der Ausschreibung speditioneller Leistungen durch andere WWPC-Partner haben sie in ihrem Einzugsbereich dann das Privileg des ersten und letzten Angebots (»First and Final Offer«). »Neuaufnahmen sind immer nur mit Einverständnis der existierenden Mitglieder möglich. Wer in Mumbai sitzt, kriegt nicht noch einen Zweiten da hingesetzt«, stellt Karau klar. Auf jeden Fall könne man sich keine weißen Flecken auf dem Globus leisten. »Sonst verliert man Projekte, und das ist ein Verlust für die ganze Gruppe«, sagt er. In dieser Frage müssen die Kooperationen auf jeden Fall eine klare Kante zeigen, damit kein Misstrauen entsteht. Denn in Teilen des Gewerbes hält sich hartnäckig der Eindruck, dass einige Netzwerke die Schleusen zu weit geöffnet und sich von ihrem »Urgedanken« verabschiedet hätten. Schließlich bedeutet jedes zusätzliche Mitglied höhere Beitragseinnahmen und damit auch mehr Gewinn für die Manager.

Engere Integration angestrebt

Ebenso wie WWPC legt auch die World Project Group (WPG) hohen Wert auf Exklusivität und schlanke Strukturen. »Uns geht es darum, die geographische Abdeckung zu maximieren, nicht die Zahl der Mitglieder«, betont WPG-President Michel Fuchs. Das 31 Mitglieder zählende Netzwerk will sich vor allem in Afrika und Südamerika weiter verstärken, was aber in der Tat nur mit neuen Unternehmen in den Regionen gelingen kann. Bei Marketing und Vertrieb verlasse man sich eher auf individuelle Bemühungen der Mitglieder, »keine großen gemeinsamen Verkaufsprogramme«, so Fuchs. Dafür bekommen einzelne Firmen starke Rückendeckung durch die Kooperation, wenn sie sich um Aufträge bemühen, die für das ganze Netzwerk von Bedeutung sind. Die WPG erstatte den Mitgliedern auf Antrag bis zu 50 % (maximal 5.000 US$) der Reisekosten für bestimmte Vertriebsprojekte, führt Fuchs aus. Zudem gibt es klare Regeln für die Gewinnaufteilung bei gemeinsamen Projekten, die auf Open-Book-Basis – also bei voller Kostentransparenz – durchgeführt werden. Um die Organisation weiter zu straffen, sollen im kommenden Jahr Qualitätsprüfungen (Vetting) und einheitliche operative Standards für Ratenerkundigungen, Angebote und Antwortfristen eingeführt werden. Über das Programm wollen die WPG-Mitglieder kürzlich auf einer Vollversammlung abstimmen. Um schlagkräftig zu bleiben, soll ein Grundsatz auf jeden Fall beibehalten werden: Jede Mitgliedsfirma ist bei der WPG durch ihre Inhaber oder Geschäftsführer vertreten, so dass Entscheidungen ohne Rückkopplung getroffen werden können.

Gleichwohl müssen sich interessierte Firmen, aber auch potenzielle Kunden, darüber im Klaren sein, dass Kooperationen ihre Grenzen haben. Günstigere Einkaufspreise lassen sich für die Mitglieder kaum zentral aushandeln. Da es sich nur um lose Firmenverbunde handelt, sind Reedereien und Air-Charter-Gesellschaften in der Regel nicht bereit, ihnen Vorzugsraten einzuräumen. Die vernetzten Partner werden auch nie so geschlossen auftreten können wie ein globaler, allein haftender Speditionskonzern. »Wenn Sie ein großes Infrastrukturprojekt planen, wenden Sie sich als Verantwortlicher sicherlich an eine globale Firma, die für mögliche Fehler und Schäden flächendeckend haften kann«, räumt Wolfgang Karau ein. »Die WWPC kann nicht verantwortlich zeichnen für ihre Mitglieder. Das wird auch gar nicht gewünscht«, bekräftigt er. »Ein Netzwerk ist dazu da, einen Service für seine Mitglieder zu bieten.«