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Die von über 300 Teilnehmern besuchte 105. Hauptversammlung der STG fand vom 17. bis 19.11.2010 in der Elbkuppel vom Hotel[ds_preview] Hafen Hamburg statt. Am Mittwoch, dem 17. November um 14:00 Uhr wurde bei der Hamburg Süd (HSDG) die 91. Sitzung des Fachausschusses »Schiffsmaschinen« durchgeführt, um 15:00 Uhr fand die 33. Georg-Weinblum-Gedächtnisvorlesung in der TUHH statt, und am Abend folgte der traditionelle Begrüßungsabend mit einen Abendvortrag, diesmal von Dr.-Ing. Herbert Aly. 

Am Donnerstag wurde morgens die STG-Mitgliederversammlung durchgeführt mit anschließender offizieller Eröffnung durch den STG-Vorsitzenden Dr.-Ing. Hermann J. Klein. Es folgten Grußworte durch den Staatsrat Peter Wenzel, Dipl.-Ing. Werner Lundt (VSM), Dipl.-Ing. Hauke Schlegel (VDMA) und Frau Uta Ordemann (VDR). Nach den Ehrungen und Verleihung des Curt-Bartsch-Preises 2010 hielt Jörg Bode (Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr von Niedersachsen)  den Festvortrag: »Die wirtschaftliche Situation und ihre Auswirkungen auf den Schifffahrts- und Schiffbaustandort Deutschland«. 

Der Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag waren den Fachvorträgen gewidmet mit den Schwerpunkten Offshore- und Meerestechnik, Schiffsstabilität und Schiffsmaschinen. Der Donnerstagabend wurde durch eine Barkassenfahrt zur Ballinstadt mit anschließender Führung ergänzt und mit einem anschließenden Dinner mit einer Einlage durch die TUHH-Studenten der  HF Latte im Hotel Hafen Hamburg abgeschlossen. Der  Freitag schloss nach den Fachvorträgen mit einem gemeinsamen Mittagessen. Über einige Ergebnisse soll hier kurz berichtet werden. Kurzfassungen und die kompletten Vorträge sind auf der STG-Homepage http://www.stg-online.org/ zu finden und werden außerdem im STG-Jahrbuch 2010 veröffentlicht.

Mitgliederversammlung

Die Mitgliederversammlung war gut besucht und zeigte eine rege Beteiligung von studentischen Mitgliedern. Nach den Berichten des Vorstandes, des Technisch Wissenschaftlichen Beirats (TWB) und der Rechnungsprüfer wurden der Vorstand und Vorstandsrat entlastet und der  Wirtschaftsplan für 2010 und 2011 vorgestellt. Zur besseren Kommunikation der STG-Mitglieder, der Fachausschüsse, des TWB der Geschäftsführung und des Vorstandes wurde 2010 eine STG-Wiki eingerichtet, die als Testversion bereits in Betrieb ist. Die weitere Vorgehensweise zur geplanten Namensänderung wurde diskutiert. Es soll eine schriftliche Mitgliederbefragung erfolgen. Die Mitgliedsentwicklung der STG von 2006 (1570) bis 2010 (1829 Mitglieder) war positiv und fast ausschließlich den studentischen Mitgliedern geschuldet, deren Zahl im vorgenannten Zeitraum von 163 auf erstaunliche 438 anstieg. Damit wurden die Anstrengungen der Nachwuchswerbung in den vergangenen Jahren belohnt und das Ziel einer Verjüngung der Gesellschaft ist auf einem sehr guten Weg. 

Fachvorträge Offshore

Die Fachvorträge hatten viele Zuhörer. Die Auswahl der Themen zeigte auch noch am Freitag eine hohe Aktualität, denn sowohl in der Beteiligung als auch in der Diskussionsbereitschaft zeigten sich keine Ermüdungserscheinungen. 

Die Offshore- und Meerestechnik stand mit vier Vorträgen im Fokus von Seiten der Logistik, der Hafeninfrastruktur, der Schiffbauer, Betreiber und Hochschulen. Es wurde berichtet, dass allein auf Deutschland bezogen auf dem von der Bundesregierung im August 2010 beschlossenen Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien bis 2020 in der deutschen Nord- und Ostsee 10 GW Offshore-Windenergieleistung geplant sind. Dies entspricht einem Investitionsvolumen von über 30 Mrd. €. 

Diese Branche befindet sich daher in einem enormen Wachstumsdruck und die in den Vorträgen genannten Zahlen  weisen auf den Beginn einer ungeahnten Entwicklung hin. Die Ingenieure, Werften, Hafenplaner und Reeder stehen vor gänzlich neuen Herausforderungen. Werften werden zu Produktionsstätten für riesige Windkraftanlagen und Offshorestrukturen zur Umspanntechnik und Notversorgung. Es entstehen neuartige Schiffseinheiten zum Bau der Fundamente und zur Errichtung der windgetrieben Offshore-Kraftwerke. In den Häfen werden spezielle Fertigungs- und Umschlaganlagen geplant und errichtet. In dieser Pionierphase werden neue aufwendige Verlade- und Transportmethoden zur aufrechten Verschiffung fertig montierter Windräder entwickelt und geplant. Die Zeitfenster zur Errichtung weit vor der Küste sind nur kurz, daher hat eine schnelle Aufstellung hohe Priorität. 

Auch über die Konstruktion der Seabreeze Klasse als Errichterschiffe der 3. Generation wurde berichtet und das Lastenheft, die Propulsion und die Dynamische Positionierung, die Auslegung des Hubsystems und die Fragen der Standsicherheit wurden angesprochen. Da die Seeoperationen einen wesentlichen Kostenfaktor ausmachen, hängen von der Verfügbarkeit leistungsfähiger Errichterschiffe in tiefen küstenfernen Standorten auch die Wirtschaftlichkeit und letztlich die Realisierbarkeit der geplanten Projekte ab. 

Ein weiteres Thema behandelte schwimmende direkt mit dem Gasfeld verbundene Förder- und Produktionsterminals zur Gewinnung von Erdgas und Umwandlung zu LNG (Liquefied Natural Gas). Das extrem kalte Flüssiggas wird mit Shuttle-Tanker zum Festland transportiert. Die  Beladung der Tanker bei rauem Wetter bereitet Schwierigkeiten. Zur Untersuchung der dabei auftretenden Probleme wurden Modellversuche im Maßstab 1:100 und auch numerische Simulationen durchgeführt. Der Lösungsansatz, ein Umschlagssystem mit flexiblen kyrogenen Wellrohrleitungen, wurde vorgestellt und diskutiert.

Die Mobile Offshore Application Barge (MOAB) ist ein innovativer Offshore-Plattformtyp, der sich selbst installiert und bereits bei Offshore Öl- und Gas-Projekten weltweit erfolgreich eingesetzt wird. Sie ist für die schwierigen Installations- und Betriebsbedingungen der Offshorestrukturen zur Aufnahme der Umspannwerke in den Windparks in der Nordsee geeignet und kann im Notfall auch als Backup-Stromversorgung für den Windpark dienen. Derzeit befinden sich etwa ein halbes Dutzend Plattformen dieses Typs in unterschiedlichen Planungsphasen.

Fachvorträge Stabilität 

In vier Vorträgen wurden Fragen zur Stabilität behandelt, denn die heute angewendeten Stabilitätskriterien fußen nicht auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten sondern z. T. auf aus Schiffsunglücken abgeleiteten Kriterien von Rahola und empirischen Beobachtungen von relativ kleinen Schiffen. Sie werden in der Regel auf normale Betriebszustände und glattes Wasser bezogen. Anneliese Jost (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) führte aus, dass die Schiffstypen heute vielfältiger sind und  sich besonders in der Größe deutlich weiterentwickelt haben. Sie zeigte diese Entwicklung an mehreren Beispielen, veranschaulichte die Vor- und Nachteile der angewendeten Stabilitätskriterien und forderte eine Überarbeitung und Anpassung an die heutigen Realitäten.

Umbauten mit dem Hintergrund, die Ladekapazität des Schiffes zu erhöhen, kommen besonders bei Fähr- und Fischereischiffen immer wieder vor. Verlängerungen und der Einbau zusätzlicher Decks führen dabei oft zur Erhöhung des Schwerpunktes der Schiffe. Diese Thematik wurde von Prof. Krüger am Beispiel von mehreren Stabilitätsunfällen behandelt, die Ursachen analysiert und erläutert. 

In einem weiteren Vortrag wurden die 2010 neu in Kraft getretenen Intakt-Stabilitätsvorschriften der IMO angesprochen. Die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) hat aufgrund ihrer Erfahrungen mit Fährschiffen die bestehenden Intaktstabilitätsregeln mit entsprechenden Kriterien ergänzt und bei der FSG verbindlich eingeführt. Das wurde vor dem Hintergrund von zunehmenden Schiffsgrößen und modernen Rumpfformen notwendig, damit die Sicherheit der Passagiere, Mannschaft und der Ladung dieser Schiffe auch bei schwerem Wetter gewährleistet ist. 

Jörg Kaufmann (BSU) stellte und beantwortete die Frage, ob Stabilitätsunfälle bei Aufliegern ein neues Phänomen darstellen. Große Mengen Ballastwasser führen bei Aufliegern mit wenig Tiefgang zu übermäßigen Stabilitätswerten. Wurde bei schlechtem Wetter der äußere Liegeplatz verlassen, traten große Rollschwingungen auf, die Schäden am Schiff verursachten. Die Auswertung von Unfällen (z. T. mit Todesfolgen) ergaben bei fahrenden Schiffen mit hohen Stabilitätswerten und vorderlicher See extrem starke Rollschwingungen. Daher sind Untersuchungen unbedingt notwendig, um Stabilitätswerte für den sicheren Betrieb eines Schiffes in jedem Ladungsfall zu ermitteln.

Fachvorträge Maschinenbau

Die risikobasierte Regelentwicklung (Formal Safety Assessment FSA) der IMO wurde von Dr.-Ing. R. Hamann (GL) behandelt. Mit dem Werkzeug der FSA wird das aktuelle Risikoniveau ermittelt, bewertet und falls erforderlich reduziert. Dieser Prozess wurde am Beispiel von Containerschiffen und General Cargo Schiffen vorgetragen.

Die neuen bzw. verschärften Vorschriften (ECA) bezüglich der Abgasemissionen in der Seeschifffahrt sind verabschiedet und treten in den kommenden Jahren in Kraft. Die dadurch verursachten Auswirkungen auf die Praxis und von den Motorenherstellern und der Zulieferindustrie geplanten technischen Lösungen wurden aus Sicht der Werft von Dirk Petersjohann anschaulich dargestellt. Neben der zukünftigen Brennstoffverfügbarkeit wurden die nassen und trockenen Abgasbehandlungssysteme zur SOx-Reduktion angesprochen, verglichen und der Einbau in Neubauten und  Schiffen in Fahrt dargestellt.

Diese Emissionsanforderungen der zweiten und dritten Stufe der Emissionsbegrenzung (IMO Tier II and Tier III) führten bei ABB zur Entwicklung der neuen A100-Abgas-Turboladergeneration für langsam laufende, mittelschnell laufende und schnell laufende Motoren. In dem Power-Point Vortrag von Dr. P. Neuenschwander wurden die thermodynamischen Anforderungen der Hochdruckaufladung an die Turbolader angesprochen. Damit wurden Verdichterdruckverhältnisse bis 5.8 und Turboladerwirkungsgrade bis 75 % erreicht. Der Ausblick auf IMO Tier III wird als mögliche künftige technische Lösung die zweistufige Aufladung erfordern.


Karl-Heinz Hochhaus