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Eine persönliche Nachbetrachtung von Jürgen Dobert

Dem 14. HANSA-Forum Schiffsfinanzierung ist es meines Erachtens gelungen, einige strategische Eckpfeiler herauszuarbeiten, von denen zu wünschen wäre, dass sie – einzeln oder im Zusammenhang – in den nächsten Wochen und Monaten Beachtung finden bei der

• Abarbeitung der Krise generell,

• Gewinnung von Selbsterkenntnis innerhalb der Banken,

• Entwicklung des Selbstverständnisses innerhalb der Reederschaft,

• Zukunftsfrage nach dem Schifffahrtsstandort[ds_preview] Deutschland.

Vorweg ein Überblick in Kurzfassung:

• Dank an Banken für bisherige Rettung

• Gemeinsam im Boot: gemeinsam in die Krise reingeschliddert; vorzeitiger Ausstieg verboten

• Banken und ihr Risiko-Management –Gefahr: Die Entscheidungsgewalt/-hoheit liegt fernab der Schifffahrt – Erinnerung: Wo waren die Risk-Manager während des Hypes? Sie hätten den Substandard in der Schifffahrt verhindern können bzw. müssen.

• Banken auch juristisch in Mitverantwortung bzw. Haftung – Gegendruck: Zwei Anwälte zeigen Grenzen auf. Weshalb Banken nicht frei im Handeln sind.

• Bürde der schiffsfinanzierenden Banken – Sie sind nicht zu beneiden. Sie stehen unter Druck von allen Seiten, intern wie extern. Und Investoren locken mit Angeboten.

• Problem der Reeder und Schiffsfonds – Schuldenlast drückt, nicht einfach abzuschütteln. Deshalb droht vielen (s.o. Banken) der Ausverkauf. Kapitalschnitt bzw. Kapitalverlust der Anleger vorgezeichnet. Angst vor dem freien Spiel der Marktkräfte

• Verband Deutscher Reeder – Wiederentdeckung des Mittelstandes; doch noch Chance für Familienreeder

• Standort Deutschland steht auf dem Spiel! Ausnahmesituation erfordert Ausnahmepraxis, wenn man an gemeinsamer Rettung interessiert ist.

Den Banken danken

Die schiffsfinanzierenden Banken standen ihren Kunden bislang zur Seite: durch Stundung von Tilgungen, auch Zinsen, durch Duldung von Vertragsverletzungen bzw. durch den Verzicht, bestimmte Klauseln zu ziehen (LTV, Währung). Und das seit anderthalb bis zwei Jahren!

Dass dies selbstverständlich (auch) im eigenen Interesse geschah, um auf Bankenseite das Eintreten gigantischer Verluste zu verhindern, schmälert nicht das Verdienst: Etliche Reedereien und Emissionshäuser gäbe es heute nicht mehr, hätten sie nicht diese Hilfe erfahren. Von Insolvenzen bei Schiffsfonds ganz zu schweigen.

Dass dabei auch herbe Ungerechtigkeiten zu beklagen sind, soll nicht unerwähnt bleiben: Wer vor der Krise vorsichtiger agiert hatte und vernünftigerweise auf Kapitalstärke achtete, konnte keineswegs auf gleiche großzügige Nachsicht hoffen wie der eine oder andere Spekulant; mancher wird sich deshalb zu Unrecht »bestraft« fühlen. Gleichwohl: Wo Banken Druck auf ihre Gläubiger ausüben konnten, um ein Höchstmaß an Gegenleistung einzufordern, da dürfte dies auch geschehen sein.

Eine gigantische Leistung der Banken im Wert von zig Milliarden Euro: Dass die Häuser im Fall der Neubau-Pipelines ihrer Kunden zu ihren Verpflichtungen (Kredit-Zusagen) gestanden haben und weiterhin stehen. Und dass sie reihenweise sogar in die Rolle des Eigenkapital-Gebers schlüpften! Auch zu diesem – noch längst nicht beendeten bzw. ausgestandenen – Kraftakt bleibt unbedingt anzumerken: Es handelt sich um ein überwiegend selbst verursachtes Desaster, benötigt nicht etwa Mitleid.

Dennoch steht unterm Strich die schlichte Anerkennung: der maritime Standort Deutschland hätte unter dieser Last erdbebengleich zusammenbrechen können. Dass dies verhindert wurde, ist den Banken zu verdanken – und dem Staat, der in der Not sowohl den Banken als auch der Wirtschaft (z. B. Insolvenzordnung) unter die Arme gegriffen hat.

Gemeinsam im Boot

Nach drei Jahren Finanz- und zwei Jahren Schifffahrtskrise mag es ein wenig abgedroschen klingen, aber die Feststellung, dass alle Geschäftspartner der Branche in einem Boot sitzen, ist nach wie vor absolut zutreffend. Emissionshäuser, Reeder und Banken, dazu die Finanzvertriebe, haben sich über Jahre gegenseitig hoch gepusht. Zum einen hinsichtlich des Bedarfs nach Tonnage, zum anderen im Glauben an die Allmacht, immer mehr und jeder Zeit Eigenkapital aus dem Anlegermarkt in (steuerfreie) Schiffsbeteiligungen gerieren resp. locken zu können. Triebfeder war für alle beteiligten Player das Wachstum des eigenen Geschäfts und – ganz besonders – der schnelle Gewinn zu Lasten Dritter. Stichwort: Resales, Provisionen, etc.

Bedrückend und peinlich für alle Beteiligten: Einen Plan B für den Fall einer wirklichen Krise gab es nicht. Nicht einmal nach Ausbruch der Finanzkrise 2007 (US-Subprime) wurde die aufkommende Gefahr erkannt. Auf welch hohem Ross man glaubte zu sitzen, zeigte sich bei vielen noch bis Anfang 2009, indem Krisen-Szenarien lässig herunter geredet wurden.

Einzel-Schuldzuweisungen, so richtig sie sein mögen, bringen nicht weiter. Größtmögliche Zustimmung finden dürfte dagegen: Wir sind gemeinsam – freundlich ausgedrückt – leichtsinnigerweise hineingeschliddert. Der eine mehr, der andere weniger extensiv und individuell beteiligt. Die groben Fehler werden ja inzwischen eingeräumt, so auch auf dem Podium des 14. HANSA-Forums.

Da das Ausmaß der Schäden, das die mittlerweile im Rettungsboot sitzenden Schiffbrüchigen gemeinsam angerichtet haben, so groß ist, dass davon der gesamte Schifffahrtsstandort Deutschland betroffen ist, lautet die Schlussfolgerung: das Unwetter gemeinsam abwettern und sich gegenseitig Unterstützung geben, selbstverständlich auch durch das Höchstmaß an Selbstbeteiligung. Für die Reeder, Emissionshäuser und Investoren bedeutet das: alles, was möglich ist, beizusteuern. Für die Banken bedeutet es: Nicht vorzeitig aus dem gemeinsamen Boot zu springen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Hiermit soll nicht denen das Wort geredet werden, die schon vor der Krise zu schwach gewesen waren. Unstreitig ist für manchen Trittbrettfahrer oder gar für schlichte »Sofa-Reeder« kein Platz mehr im gemeinsamen Boot.

Banken und ihr Risiko-Management

Erstmals hat sich ein HANSA-Forum mit den unterschiedlichen Verantwortlichkeiten innerhalb von Banken beschäftigt, die da heißen »Markt« und »Marktfolge«. Mit letzterer hat der Reederkunde gewöhnlich nichts zu tun, seine Ansprechpartner sitzen im »Markt« (auch Akquisiteure zu nennen). Die über Jahre gewachsenen Geschäftsbeziehungen werden mit ihnen gepflegt, auch gehegt. Gewöhnlich werden Probleme und alle anfallenden Besonderheiten mit dem zuständigen Kundenberater und ggf. mit dessen Vorgesetzten bis hin zum Vorstand besprochen und verhandelt. Mit Vertretern der »Marktfolge« hingegen bekommt der Kunde erst zu tun, wenn er unter Risiko-Aspekten schlecht eingestuft wird (Mangel an Bonität). Erst recht, wenn sein notleidend gewordener Kredit bankintern vom so genannten »Weißbuch« ins »Graubuch« überstellt wird.

Als Folge der Krise finden sich deshalb so viele Schifffahrtsunternehmen und natürlich Schiffsfonds-KGs in der »Marktfolge« wieder und deren Risiko-Management. Zwar betonten die Bank-Repräsentanten des 14. HANSA-Forums die bankintern gute Kooperation zwischen »Markt« und »Marktfolge«, was die Schifffahrt angeht. Doch ist es von Bank zu Bank sehr unterschiedlich, wieweit Schifffahrts-Know-how in diesen Abteilungen vorhanden, zum anderen ob es ggf. auch genutzt wird. Nach den berichteten Erfahrungen aus der Praxis der Kreditnehmer hört es sich vielmehr so an, dass »der Markt nichts zu melden« habe. Lediglich die Bremer Landesbank bekommt in dieser Sache gute Noten. Björn Nullmeyer von der BLB berichtete, dass sich in seinem Haus das führende Management beider Abteilungen jede Woche einmal treffe und die kritischen Fälle dort durchgesprochen und miteinander abgestimmt würden – auch wenn die Entscheidungshoheit beim Risiko-Management läge.

Der Schifffahrtsstudie 2010 von Roland Berger zufolge befinden sich 29 % des Schiffskreditvolumens in der Restrukturierung, entsprechend 23,7 Mrd. €. Bei den einzelnen der befragten Banken beträgt der Anteil überwiegend zwar weniger als 20 %, bei ein oder zwei Banken aber auch zwischen 61 und 80 % des Schiffskreditportfolios! Ziel der Restrukturierung sei es in jedem Fall, darin waren sich die Banker des 14. HANSA-Forums einig, den / die Kre­dit(e) vom »Graubuch« wieder den Kollegen vom »Weißbuch« überstellen zu können und nicht etwa ins »Schwarzbuch« zu übertragen, was dann tatsächlich Verwertung bedeute mit der Folge eines Not-Verkaufs oder auch Insolvenz mit Versteigerung.

Wie auch immer: Vom Risiko-Management behandelt bzw. »betreut« zu werden, ist keine Harmonie-Veranstaltung und bedeutet größte Herausforderung und Stress. Die Uhren ticken dann anders und auf ausreichendes Schifffahrtsverständnis, wie es sich der Experte aus der Schifffahrt wünscht, kann nicht unbedingt gerechnet werden.

Unabhängiges Risiko-Management

Risiko-Manager in Banken sollen und müssen unabhängig sein. Das gilt sowohl bei der Bearbeitung leistungsgestörter Kredite in der Krise als auch bei der Entscheidung einer Bank, einen Kredit zu begeben. Auch im Rahmen eines Kreditantrages, den der »Markt« entgegennimmt, beurteilt und ihm nach Prüfung zustimmt, sind die Risiko-Leute einzuschalten. Nur mit ihrer Zustimmung kommt es zur Kreditauszahlung. Im Falle von Stimmengleichheit kann sich das »Risiko« mit einer Doppelstimme durchsetzen.

»Schifffahrts-Verbundenheit« wird man von Risiko-Managern nicht erwarten können; es ist auch nicht ihre Aufgabe, branchenverbunden zu sein. Dementsprechend wird sich ein Risiko-Manager auch nicht dafür verantwortlich fühlen, wenn der Kunde ihm vorhält, wie sehr sich die Bank seinerzeit gerade um ihn bemüht habe oder der Kunde die Bank mitverantwortlich für die Folgen machen möchte. Für Fehler der Vergangenheit ist der Risk-Manager nicht zuständig. Oder etwa doch?

Kommen wir auf das »gemeinsame Boot« zurück. In Zeiten des Hypes, als Schiffskredite sozusagen am laufenden Band beantragt und auch vergeben wurden – nicht selten »auf Zuruf« zunächst mündlich, aber schriftlich auch innerhalb weniger Tage – da waren selbstverständlich auch die Risiko-Abteilungen mit im Boot. Wie gewissenhaft und unabhängig fielen ihre Prüfungen aus? Wie stark waren die Risiko-Teams überhaupt mit qualifizierten Mitarbeitern besetzt? Wie viel Zeit wurde für die Prüfung eines Schiffskredites aufgewendet?

Vor dem Hintergrund, dass man heute weiß, wie wenig werthaltig abgegebene Bürgschaften und (Platzierungs-)Garantien in Wirklichkeit waren, dass diese aber jahrelang von Banken als werthaltig akzeptiert und sogar ständig durch neue Geschäfte erhöht wurden, bekommt die Frage nach der Mit-Verantwortung eines Risiko-Ma­nage­ments ein anderes Gewicht. Inzwischen weiß man, dass es Banken mit nachweislich unzureichendem Risk-Management gegeben hat, bei denen mithin die vorgeschriebene Kontroll-Funktion ausgeschaltet gewesen war. Könnte das auch auf schiffsfinanzierende Banken zutreffen? Dem Hörensagen nach zu urteilen ja: es soll Banken gegeben haben, bei denen die Anträge quasi nur noch abgestempelt worden seien. Wäre es so, wäre das ein Versagen auf ganzer Linie. In einer solchen Bank mag sich ein Risiko-Manager heute gegenüber dem Kreditnehmer zwar unabhängig fühlen und dementsprechend auftreten – die Bank dürfte es nicht. Sie wäre mitverantwortlich für die Folgen.

Schlussfolgerung in punkto Schifffahrtsstandort:

1. Die Schifffahrt muss sich im Klaren darüber sein, dass die Entscheidungen über die Zukunft das (im Grunde schifffahrtsfremde) Risiko-Management der Banken trifft, und das gilt sowohl während als auch nach der Krise, wenn sich die Schiffswerte erholen und Charterraten gestiegen, die Schulden aber noch vorhanden sind.

2. Vorstände als auch die Gesellschafter der Banken müssen sich bewusst machen: Gibt es für sie eine besondere Verantwortung für den maritimen Standort Deutschland, so sind sie es, die eingreifen und Richtungen bestimmen müssen. Nur sie können Voraussetzungen oder Rahmenbedingungen so schaffen, dass diese auch für das ansonsten bankintern unabhängige Risiko-Management bzw. die »Marktfolge« gilt. Der »Markt« kann das nicht, nicht einmal der Markt-Vorstand.

3. Banken, bei denen in der Blütezeit der Vergabe von Schiffskrediten das Risiko-Management unzureichend gewesen ist, stehen in der Mitverantwortung. Sie müssten ihre Risk-Manager dementsprechend (eigentlich) zügeln und ihnen erlauben, solche Kredit-Engagements mit entsprechender Großzügigkeit durch die Krise zu geleiten.

Banken auch juristisch in Mitverantwortung

Zwei Rechtsanwälte zeigten den Banken auf dem 14. HANSA-Forum juristische Grenzen auf, die den Reedern, Emissionshäusern und Investoren eine willkommene Hilfestellung bedeutet haben dürften. Letztendlich geht es um Grenzen hinsichtlich der »Freiheit« von Banken, ihre Ansprüche zur Durchsetzung von Forderungen mit eigentlich normalen banküblichen Maßnahmen durchzusetzen. Das freilich würde ihnen erschwert werden können, je mehr ihnen juristisch eine Mitverantwortung nachgewiesen werden könnte.

Strafrechtler Dr. h.c. Gerhard Strate aus Hamburg wartete mit einem Paukenschlag auf: Indem er eine Passage aus dem Geschäftsbericht der HCI Capital AG 2009 zitierte, stach er in ein Wespennest. Dieses Nest heißt Platzierungsgarantien. Im Verlauf der Krise hatte sich herausgestellt, dass die zahlreichen von Emissionshäusern und Vertriebsfirmen abgegebenen Platzierungsgarantien nicht hielten, was sie versprachen. Die meisten Garanten konnten nicht erfüllen; weder ihre Platzierungsgarantien noch konnten sie für die abgegebenen Bürgschaften eintreten, allen voran die drei börsennotierten AGs MPC, HCI und Lloyd Fonds. Versierte Garanten hatten sich sogar in den entsprechenden Vertrag hineinschreiben lassen, dass die Garantie nur gelte, solange das Unternehmen in der Lage sei, am Kapitalmarkt das Eigenkapital einzuwerben.

Rechtsanwalt Strate genügte ein Satz: »… Das hohe Volumen dieser Verbindlichkeiten korreliert mit der Platzierungskraft in einem normalen Marktumfeld …«, woraus er scharfzüngig schloss: »Die Garantien gelten nur für den Fall, dass sie nicht gebraucht werden.« Das bedeute, so Strate, dass der Kreditnehmer der Eigenkapital-Zwischenfinanzierung (das Emissionshaus) der Bank keine ausreichende Sicherheit biete. Was der HCI-Geschäftsbericht ein paar Sätze weiter auch einräume: »Bei den Eventualverbindlichkeiten, die insgesamt das bilanzielle Eigenkapital der HCI-Gruppe um ein Vielfaches übersteigen, würde eine Inanspruchnahme aus einzelnen dieser Verbindlichkeiten die Leistungsfähigkeit des Unternehmens aus der Liquidität überfordern.«

Strates strafrechtliche Schlussfolgerung, wenn auch etwas »holzschnittartig« skizziert: Kredite ohne ausreichende Sicherheiten erfüllten nach Rechtsprechung des BGH den Tatbestand der Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue und seien deshalb kurzerhand ein »verbotenes Geschäft«. Ob und wann dabei ggf. auch »Vorsatz« vorliege, darauf ging der Anwalt nicht ein …

Niels Andersen (AndersenWeyer Rechtsanwälte Berlin) wies das Auditorium darauf hin, dass Banken entgegen den in jedem Beteiligungsprospekt zu findenden ausdrücklichen Hinweisen, »die Verträge ausschließlich im Eigeninteresse im Hinblick auf ihre Interessen als Darlehensgeber (des einen Schiffes) geprüft« zu haben, durch ihren Wissensvorsprung, durch eigene Geschäftsinteressen rund um die Projekte, durch Einflussnahme mehr als reine Darlehensgeberin sein könnten. Das könne durchaus haftungsrelevant sein. So habe der BGH exemplarisch auf »eigene Haftung der finanzierenden Bank« erkannt, wenn diese »in Zusammenhang mit Planung, Durchführung oder Vertrieb des Projektes über ihre Rolle als reine Darlehensgeberin hinausgehe« (Wissensvorsprung).

Banken könnten sehr wohl in die Prospekthaftung geraten. Nämlich, wenn es Umstände gebe, die dem Anleger aus dem Prospekt verborgen blieben und seinen Vertragszweck (Anlageobjekt) vereiteln könnten. Andersens Stichworte dazu: Finanzierungsstruktur, Risikoverteilung, Geschäfts-/Interessen. Ebenfalls unter dem Aspekt der Prospekthaftung entwickelte der Anwalt seine These von der »Bank als Hintermann«: »Wer auf Geschäftsgebaren oder Gestaltung des konkreten Projektes besonderen Einfluss nimmt und daher Mitverantwortung trägt«, sei »Hintermann«. Das Auftreten nach Außen sei dafür keine notwendige Voraussetzung, die Kenntnis von der Prospektverwendung genüge. Wirtschaftliche Initiative und Interessenlage böten Anknüpfungspunkte für die besondere Einflussnahme einer Bank, die sich auch im späteren Geschäftsgebaren zeigen könnten. An Beispielen für mögliche Einflussnahmen zählte Andersen u. a. auf: Bestellung einer Serie von Schiffen mit gestaffelter Ablieferung, Finanzierung über diverse parallele Fondsgesellschaften, Implementierung neuer Geschäftsführungen bei Fondskomplementären, Übertragung von Schiffseigentum oder Kommanditanteilen auf andere »Holding«.

Angesichts der zahllosen 100-Prozent-Finanzierungen mit angeschlossenen Veräußerungen (Resales) einschließlich Aufpreisen – und dies oftmals im internen Bereich innerhalb des Initiatorenkreises –, dazu den Bauzeit- und Eigenkapital-Vorfinanzierungen, fällt dem Autor eine Menge an aktiver Einflussnahme in eigenem Geschäftsinteresse durch Banken ein …

Probleme der Banken / Bürde der Banken

Um ihre Probleme sind die schiffsfinanzierenden Banken nicht zu beneiden. Die Eigenkapital-Bindung wächst (Ba­sel II und III), Schiffskreditportfolios müssen nicht nur in der HSH Nordbank abgebaut werden, Tilgungen kommen nicht in genügendem Umfang zurück, an US-Dollar-Refinanzierungen ist schwer heranzukommen, die Verpflichtungen aus den Neubau-Pipelines müssen weiter finanziert werden – und das inklusive Eigenkapital! Am viel attraktiveren Neugeschäft kann man derzeit weder national noch international teilnehmen. Will man es in Zukunft überhaupt und wenn ja, in welchem Umfang? Und dann erwartet die deutsche Kundschaft – aus gutem Grund – weiterhin Nachsicht und großzügige Behandlung zugunsten des Standorterhalts, an dem man auch selbst interessiert sein muss.

Alles andere als leicht, aus dieser Gemengelage herauszufinden … Dabei bieten steigende Märkte die Chance, sich vieler Belastungen zu entledigen. Dazu kommen die zahlreichen Angebote von Investoren, die den Banken nur allzu gerne notleidende Schiffe, am liebsten gleich ganze Flotten, abnehmen würden. Entweder über den Weg des erzwungenen Verkaufs oder über den Kauf von Kreditportfolios. Bisher widerstanden Banken den Werbe-Avancen. Der geforderte Abschlag war (noch) zu hoch (oder der Leidensdruck zum Glück nicht stark genug). Doch diese Art von Alternative bleibt, zumal bei steigenden Märkten, eine Verlockung. Zwar bemühten sich alle Bankenvertreter des 14. HANSA-Forums, die Befürchtungen vor dem drohenden Ausverkauf zu zerstreuen. Doch die Begründungen waren auf das »bisher« bezogen, nicht auf die Zukunft. Vertrauen konnte da schlecht aufkommen.

Probleme der Reeder und Schiffsfonds

Viele Reedereien hängen ebenso wie Emissionshäuser und Schiffs-KGs am Tropf der Banken. Knapp zwei Drittel der 2.500 öffentlich platzierten KG-Fondsschiffe mussten im Verlauf der Krise Tilgungsstreckungen beantragen. Mehr als ein Drittel der Fondsschiffe wurde zum Sanierungsfall. Die Selbsthilfe durch Unterstützung seitens der Investoren hat auf bemerkenswerte Weise bisher geklappt. Aber mit Ausbleiben der Tilgungen wächst der Schuldenberg weiter – und das bei kräftig erhöhten Margen, um bis zu 6 %! Wiederkehrende Märkte, Anstieg der Charterraten helfen erst mit erheblichem Zeitverzug, zu kapitaldienstdeckenden Einnahmen zu rückzukehren. Was geschieht bis dahin? Wann verlangt die Bank Nachzahlung gestundeter Tilgungen? Wann werden LTV- und Währungsklausel gezogen? Investoren buhlen um Reedereien, um die Schiffe. Wen nimmt es Wunder, dass mit steigenden Schiffswerten – bei aller Erleichterung – die Sorge einhergeht, zum Verkauf gegen Schulden gezwungen werden zu können?

Um sich möglichst schnell vom Sog freischwimmen zu können, muss weiterhin mit Lösungen, Konzepten und Selbsthilfe proaktiv auf die Banken zugegangen werden. Inanspruchnahme von neuen Investoren mit der Folge von Kapitalverlust für Alt-Gesellschafter wird sich dabei nicht vermeiden lassen.

Zukunft für mittelständische Reeder

Michael Behrendt, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Reeder, brach eine Lanze für die Mehrheit der VDR-Mitglieder: Entscheidend sei, die gesunde mittelständische Struktur der deutschen Reedereien nicht zu zerstören. Denn: »Rund 60 % der deutschen Schifffahrtsunternehmen betreiben eine Flotte von lediglich bis zu vier Schiffen. Im Bundesdurchschnitt beträgt die Flottengröße acht Schiffe.« Diese Unternehmen seien häufig familiengeprägt und legten besonderen Wert auf Nachhaltigkeit, Beschäftigung und Ausbildung. Mit Blick auf die Banken, von denen er Augenmaß einforderte, mahnte Behrendt: »Diese mittelständische Struktur darf jetzt nicht als Spätfolge der Krise in Frage gestellt werden.« Hier das Kind mit dem Bade auszuschütten, richte mehr Schaden für die maritimen Strukturen an, als es helfe – und die Banken schadeten sich damit mittel- und langfristig selbst.

Diese Klarstellung war dringend nötig. Denn sowohl bei Banken als auch den großen Unternehmensberatungen hat sich im Zuge der Krise die angebliche Erkenntnis breit gemacht: dass kleine Reedereien keine Zukunft mehr hätten und sich zu größeren Einheiten zusammenschließen müssten. Um zu überleben, aber auch um für Neugeschäft wieder kreditwürdig zu sein.

Nachdem in anschließender Diskussion klar gestellt wurde, dass Wettbewerbsfähigkeit nicht an der Anzahl von Schiffen gemessen werden könne und dass professionell arbeitende kleine Familienreeder in ihrer Wirtschaftlichkeit großen Reedereien keineswegs nachstehen müssten, wollte Unternehmensberater Nils Kuhlwein von Rathenow (Roland Berger) kleinen Reedern nicht per se die Finanzierungswürdigkeit absprechen: Bedingung sei lediglich: »Sie brauchen ein überzeugendes Geschäftsmodell«. Dazu kann beispielsweise die Kooperation mit Charterern, naher Zugang zur Ladung oder Konzentration auf die (technische) Kernkompetenz gehören.

Standort Deutschland

Erst ein Jahr ist es her, als die Branche mit dem Argument, der Schifffahrtsstandort Deutschland sei in Gefahr, nach dem Staat um Rettung rief. Die Hilfe kam nicht. Geholfen wurde dennoch: übergangsweise durch die Banken, siehe oben, von denen die größten Schiffsfinanzierer im Lande, HSH Nordbank und Commerzbank (Deutsche Schiffsbank), stattliche Mittel des Staates in Anspruch genommen haben. Wenn der Hilferuf vor einem Jahr ernst gemeint gewesen war und der Schifffahrtsstandort Deutschland wirklich in Gefahr war, dann ist er es auch jetzt noch, trotz teilweiser Markterholung, trotz Rettung der Linienreedereien. Die Trampfahrt steht auf dem Spiel – sie macht den Standort im Wesentlichen aus. Mit ihr eng verbunden ist freilich das gesamte Cluster, einschließlich Schiffsfinanzierung und Banken.

Muss es noch gesondert hervorgehoben werden? Dass sich – auf Basis des heute gescholtenen KG-Modells – in diesem Land die größte Containerschiffsflotte der Welt entwickelte. Dass an die 70 % der Charter-Tonnage von Deutschland aus gemanagt wird? Ein Umstand, auf den die Wettbewerber aus aller Welt seit langem schielen. Kein Wunder, dass sie und andere die Gelegenheit wahrnehmen möchten, diese Art Vormachtstellung zu brechen. Ob Befrachtungsmakler, ob Germanischer Lloyd, ob Zulieferindustrie, ob Consultants und Ingenieur-Büros oder eben die Banken – mit der weltgrößten Containerschiffsflotte im Rücken ließ es sich bisher gut leben. Noch ist die Kompetenz, ein riesiges Know-how vorhanden. Man sollte sich des gemeinsamen Aufbaus und der gegenseitigen Abhängigkeit bewusst sein, bevor man alte Taue kappt …

Denn: Ginge es nach dem freien Spiel der Kräfte, ist der großvolumige Ausverkauf eine realistische Gefahr, sowohl für Reedereien und Emissionshäuser als auch die Banken selbst – und mit ihnen großen verwandten Teilen der Schifffahrts- und Finanzierungsindustrie.

Jeder Entscheidungsträger sollte sich bewusst machen: Die Branche steckt in einer von der Finanzkrise ausgelösten, aber durchaus selbst zu verantwortenden Ausnahmesituation. Wenn man am Erhalt des Standortes und an gemeinsamer Rettung interessiert ist, rechtfertigt eine Ausnahmesituation auch Ausnahmepraxis.

Zum Beispiel: Kapitalschnitte beim Eigenkapital (Alt-Anleger) werden im Falle einer Sanierung als Selbstverständlichkeit angesehen. Was spricht dagegen, wenn auch Banken ihren Kunden – der Ausnahmesituation wegen – derart entgegenkommen, dass sie sich zum Schnitt des Fremdkapitals bereit erklären? Bevor Schiffskredite oder auch das Schiff selbst mit Verlust für die Bank an fremde Investoren ins Ausland verkauft werden, kann man eine sinnvolle Sanierung doch auch begleiten, indem die Bank einen Teil ihrer Forderung (z.B. gestundete Tilgungen) gegen Besserungsschein hinter gewisse Mindestansprüche der zur Sanierung beitragenden Gesellschafter stellt. Dass das grundsätzlich möglich ist, lässt sich aktuell an einem Neukapital-Sanierungsfonds von Dr. Peters bestaunen, mit dem ganz junge Feeder-Schiffe gerettet werden.

Fazit 14. HANSA-Forum

»Nach dem Crash: droht nun der Ausverkauf?«, so fragten und titelten wir zum 14. HANSA-Forum. Dass die »im Raum« stehende Bedrohung als real empfunden wird, bestätigten uns unsere Gesprächspartner auf breiter Linie. Wenn das HANSA-Forum 2010 dazu beitragen konnte, dieser Gefahr wegen gewisser Realitäten offensiv statt verdeckt zu begegnen, Entscheidungsträger an Zusammenhänge und eigene Mitverantwortung zu erinnern, vielleicht auch den einen oder anderen Schutzwall zu errichten, dann wäre das schon ein großer Erfolg. Sollten wir in einigen Jahren in der Rückschau feststellen können, dass der Ausverkauf unterblieb (was zu wünschen wäre), so hoffen wir, dass das 14. HANSA-Forum daran Anteil hatte.

Verfasser:

Jürgen Dobert, Fachjournalist


Jürgen Dobert