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Hamburgs Terminalbetreiber und Binnenschiffer setzen große Hoffnungen auf die Mittelelbe. Zur Entlastung von Straße und Schiene sollen Vor- und Nachläufe per Binnenschiff ausgebaut werden. Nur ein Konsens mit den Behörden über die notwendigen Flussanpassungen ist nicht abzusehen.

Während sich bei der Planfeststellung für die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe für Großcontainerschiffe scheinbar immer neue Hindernisse auftürmen, ist[ds_preview] auch die Lage stromaufwärts kaum dazu angetan, die blanken Nerven der Hamburger Hafenwirtschaft zu beruhigen. Eigentlich bietet der Verkehrsträger Binnenschiff beste Voraussetzungen, um größere Mengen Container kosteneffizient und umweltschonend tiefer ins Hinterland zu befördern. Das könnte die Terminals und auch Straßen und Schienentrassen, die angesichts der wirtschaftlichen Erholung wieder im Güterverkehr zu ersticken drohen, erheblich entlasten.

Die natürlichen Bedingungen auf der Elbe sind gar nicht schlecht. Wären da nicht die Hochwasserschäden der Flutkatastrophe aus dem Jahre 2002, deren Beseitigung sich nach Auskunft der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost noch bis ins kommende Jahr hineinziehen wird. Dann soll den Binnenschiffern und Logistikern endlich die verlässliche Fahrrinnentiefe von 1,60 m zwischen Hamburg und Dresden zur Verfügung stehen, für die sich die im Elbstromverein zusammengeschlossenen Firmen und Kammern seit Jahren einsetzen. »Wir stehen kurz vor Erreichen des Ziels«, sagte Tjark Hildebrandt, Dezernatsleiter der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost, kürzlich auf dem Elbschifffahrtstag in Wittenberge. Letzte Instandsetzungsarbeiten seien für 2011 geplant, sobald die Wasserstände es zulassen.

Über Stellenwert und Wirksamkeit der 1,60-m-Tiefe sind Behörden und Gewerbe allerdings geteilter Auffassung. Der Elbstromverein will die Instandsetzung nur als erste Etappe zur weiteren Flussanpassung verstanden wissen. »Die 1,60 m sind die Minimalvoraussetzung, damit überhaupt etwas stattfinden kann«, unterstreicht Heinrich Ahlers, Geschäftsführer der Buss Group, die verschiedene Mehrzweck- und Containerterminals an der See und im Binnenland betreibt. Auch Thomas Lütje, Geschäftsführer der HHLA Container Terminals GmbH, hält bei dem aktuellen Zustand noch keine großen Verkehrssprünge für möglich. Auf dem Rhein könnten Schiffe und Schubverbände bis zu 500 teu befördern, »wir kämpfen auf der Elbe gerade einmal um 80 teu«, verdeutlichte er.

Ziel: Dreilagiger Containerverker

Für die Logistikwirtschaft ist klar: Wenn das Binnenschiff seinen Anteil von knapp 2 % am Modal Split in Hamburg bei der wieder steigenden Umschlagmengen halten – geschweige denn ausbauen – will, müssen weitere Schritte in Angriff genommen werden. In seiner Wittenberger Erklärung fordert der Elbstromverein daher weitere Ausbaumaßnahmen zur Verbesserung der »flusseigenen Räumkraft« auf den Strecken bei Coswig und Dömitz, um so auch die Voraussetzungen für einen durchgängig dreilagigen Containerverkehr auf der Elbe zu schaffen. Damit laufen die Unternehmer bei den Behörden gewiss keine offenen Türen ein. »Auch bei dem heutigen Zustand gibt es ein Riesenpotenzial bei Containern. Die Möglichkeiten werden viel zu wenig genutzt«, schrieb Hildebrandt aus Sicht der Schifffahrtsdirektion den Unternehmern ins Stammbuch. Weitere Quantensprünge bei der Fahrrinnentiefe bis Dresden seien nicht zu erwarten, stellte er klar und appellierte: »Machen Sie sich Gedanken, wie Sie den Strom in dem heutigen Zustand nutzen können.« Die Wasserstände seien 2010 durchaus gut gewesen, hätten sich aber nicht so auf das Güterverkehrsaufkommen ausgewirkt, »wie man das hätte erwarten können«, bemängelte Hildebrandt.

Diese Kritik weist das Gewerbe schroff zurück. Da die Instandsetzung noch nicht abgeschlossen ist, sei die vorteilhafte Fahrwassertiefe über das vergangene Jahr nicht planbar gewesen. Auf diese Unwägbarkeiten hätten sich die Ablader nicht einlassen wollen. »Man wusste es vorher nicht, deshalb konnte man auch nicht entsprechende Ladungsverträge abschließen«, spielt Buss-Manager Ahlers den Ball zurück und kann sich dabei der Rückendeckung vieler Verlader gewiss sein. »Wir haben einen extrem volatilen Wasserstand, der ein Höchstmaß an Flexibilität in den logistischen Prozessen erfordert. Das ist nicht planbar«, bekräftigt Andreas Josefowicz, Logistikmanager von Zellstoff Stendal, die das Binnenschiff in großem Umfang für Rohstofflieferungen und den Export von nicht-containerisierter Ware nutzt. Die Tochtergesellschaft des kanadischen Konzerns Mercer transportiert laut Josefowicz jede Woche 1.000 bis 2.000 t Exportware per Schubleichter Richtung Hamburg. Seit 2007 seien das 100.000 t gewesen. Für ihre je nach Marktlage stark schwankenden Containerexporte nach Asien verlässt sich die Firma allerdings auf den Vorlauf per Lkw. In diesem Bereich ist die Konkurrenz hart, und die Umfuhren zum nächsten Container-Binnenhafen zuzüglich Umladungskosten würden die Kalkulation sprengen, erklärt Josefowicz. Durch den Aufbau neuer Containerbinnenhäfen und die Verdichtung von Binnenschiffsdiensten in der Zukunft könnte sich das vielleicht ändern. Jedenfalls stellt der Manager klar: »Bei Kostengleichstellung gegenüber anderen Verkehrsträgern forcieren wir das Binnenschiff!« Ein größeres Angebot und mehr Wettbewerb unter Partikulieren und Binnenschiffsdiensten sowie neue Verlader, »die diesen Weg mit uns gehen«, sagte er, seien erforderlich, um zu weiteren Zuwächsen zu kommen.

Kommt Otto mit ins Boot?

Für Container-Importverkehre auf der Elbe könnte es einen Schub geben, wenn sich der Versandhändler Otto zu einer Verlagerung seiner Verkehre durchringt. Es halten sich hartnäckig Gerüchte, dass der Konzern und seine Logistiktochter Hermes seit einiger Zeit intensiv bei Dienstleistern vorfühlen, wie die Versorgung des zentralen Logistikzentrums in Haldensleben teilweise auf nasse Verkehre umgestellt werden kann. Immerhin ist der Ort per Kanal an die Elbe angebunden. Dazu passt auch, dass die Otto-Gruppe ihr ökologisches Image stark forciert und auch in der Transportkette nach eigenem Bekunden auf CO2-Vermeidung setzen will.

Wie eng Erfolg und Scheitern beim Container-Binnenschiffsverkehr auf der Elbe und den angrenzenden Kanälen beieinander liegen, zeigt das Beispiel der Elbe-Spree-Containerlinie. Der wöchentliche Dienst für 54 Container zwischen Berlin und Hamburg, organisiert von der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft und der Spedition Konrad Zippel, wurde nach einem Jahr wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit wieder eingestampft. Wichtigster Exportkunde für den Dienst war BSH Bosch und Siemens Hausgeräte. Als Grund nennt Axel Schröder, Geschäftsführer von Konrad Zippel, dass eine Brücke auf der Strecke so niedrig sei, dass man mit zwei übereinander gestapelten High-Cube-Containern nicht hindurchpasse. Zudem empfindet der Spediteur die behördlichen Vorschriften mitunter als schikanös. Auf dem Binnenschiff habe ein Zollgang für Besichtiger freigehalten werden müssen, die in der Praxis nie auftauchten. »Dadurch konnten wir 10 % weniger Ladung befördern«, ärgert sich Schröder. Obendrein habe sich herausgestellt, dass die Umschlagkosten für das Containerschiff gegenüber Bahn/Lkw um 30–90 € je teu höher lägen, was sich durch Skaleneffekte und bei den geringen Margen kaum kompensieren lasse. »Ich würde es begrüßen, wenn die Hemmnisse für die nächste Saison ausgeräumt würden«, lässt Schröder Interesse am Wiedereinstieg in die Binnenschifffahrt erkennen.

Hamburger Terminals denken um

Kritiker sehen die wirklichen Hindernisse sowieso eher in den teuren und mühsamen Abfertigungsprozessen für Binnenschiffe im Hamburger Hafen denn in der Elbfahrwassertiefe. »Wenn Sie Binnenschiffer fragen, dann sagen die, dass sie die erforderlichen Mengen in dem Zeitraum nicht zur Verfügung gestellt bekommen«, übt Tjark Hildebrandt von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion deutliche Kritik an den Abfertigungsvorgängen bei den HHLA- und Eurogate-Seeterminals in Hamburg. Das Problem weisen die Beteiligten gar nicht zurück. Die Hafenterminals seien mit ihren Großumschlaggeräten ganz klar auf große Containerschiffe spezialisiert, spezielle Binnen- und Feederschiffsterminals wie in Rotterdam gibt es in Hamburg schließlich nicht. Legt man Superpostpanamax-Brücken auf Binnenschiffe an, wie es heute der Fall ist, geraten Kosten und Prozesse unweigerlich aus dem Ruder. »Das ist so, als würden sie eine einzige Streichholzschachtel mit dem Lkw nach München transportieren«, verdeutlicht Gunther Bonz, Generalbevollmächtigter der Eurogate-Gruppe. Ein Arbeitskreis bei der Logistikinitiative Hamburg habe deshalb Lösungsvorschläge entwickelt, die den Behörden und Umschlagfirmen Anfang 2011 als Empfehlungen zugestellt werden sollen. Kernforderung der Arbeitsgruppe ist die weitestgehende Entmischung des Binnenschiffs- und Seeschiffsumschlags im Hamburger Hafen, trotz begrenzter Ressourcen. »Das wird eine ganz wichtige Voraussetzung für die Erhöhung des Binnenschiffsanteils im Hamburger Hafen sein«, betont Bonz.

Thomas Lütje von der HHLA akzeptiert, dass es sich dabei um einen entscheidenden Faktor handelt – aber eben nur einen unter mehreren. Umschlagkosten, Fahrwassertiefe und logistische Konzepte müssten gleichermaßen stimmen. Deshalb könne sich der Staat bei der Infrastruktur keinen Stillstand erlauben, »auch wenn das allein nicht die Initialzündung ist«, erklärt Lütje. Die Einsicht, dass die Binnenschiffsförderung immer im Zusammenspiel von Faktoren bestehe, sollte einzelne Akteure zumindest vor Frustration schützen, wenn erhoffte Wirkungen nicht umgehend eintreten. Durchhaltevermögen sei bei allen Maßnahmen gefragt, sonst ersticke man den Erfolg schon im Keim. Dafür stehe zu viel auf dem Spiel, warnt Lütje: »Verkehr ist wie Wasser, er fließt sonst einfach auf die Straße.«


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