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Die deutschen Reedereien sind von der schwersten Krise der Nachkriegszeit getroffen worden. Nach der tief greifenden Wirtschaftskrise zeichnet sich zum[ds_preview] Jahresende 2010 ein erster Silberstreif ab. Für 2010 wird von einem Anstieg des Welthandels von 11,4 % ausgegangen. Für 2011 fällt die Vorhersage mit 7 % zwar vorsichtiger aus, knüpft aber an das durchschnittliche Niveau der Vorkrisenjahre an.

Die Krise hat deutlich gemacht, dass die Entwicklung in den einzelnen Schifffahrtsmärkten sehr unterschiedlich verläuft. Aus den Teilmärkten kommen 2010 höchst unterschiedliche Signale.

Die positiven Effekte des weltweiten Wirtschaftswachstums sind bei weitem noch nicht bei allen Mitgliedern des VDR angekommen. Während die Linienschifffahrt einen substantiellen Mengen- und Ratenanstieg verzeichnete, steht insbesondere die Trampschifffahrt noch vor großen Herausforderungen, da sich die Charterraten erst teilweise erholt haben. Insbesondere bei kleineren Einheiten reichen die Charterraten häufig nicht aus, den Kapitaldienst zu bedienen. Gleichzeitig steigen die Kosten.

Die Krise hat gezeigt: Die mittelständisch geprägten Reedereiunternehmen haben besonders flexibel auf die sich schnell verändernden Märkte reagieren können. Die Reedereien haben erfolgreich mit aller Kraft um den Erhalt der Existenzgrundlage gekämpft. Das ist deswegen so wichtig, weil die kleinen und mittelgroßen Unternehmen den Schwerpunkt der deutschen Reedereilandschaft bilden. Die durchschnittliche deutsche Reederei betreibt acht Schiffe. 60 % der VDR-Mitglieder haben vier Schiffe oder weniger. Der Wert dieser mittelständischen Struktur muss in Politik und Öffentlichkeit noch deutlicher werden. Selbst in der tiefsten globalen Krise wurden bei den Reedereien praktisch keine Arbeitsplätze abgebaut. Daran lässt sich ablesen, dass die mittelständische Struktur sinnvoll und volkswirtschaftlich effizient ist. Es ist daher nicht notwendig, dass viele kleine zu einigen wenigen Großreedereien fusionieren, wie dies gelegentlich gefordert wird.

Im Mai 2011 findet in Wilhelmshaven die nächste Nationale Maritime Konferenz statt. Die deutschen Reeder stehen zu ihren Versprechen im Maritimen Bündnis. Als wichtiges Element des Maritimen Bündnisses erwarten die Reeder von der Bundesregierung aber auch Erleichterungen beim Führen der deutschen Flagge. Mit der Halbierung der Beihilfen werden besonders die Reedereien getroffen, die die deutsche Flagge führen und junge Menschen an Bord ausbilden. Das stellt die Zuverlässigkeit der Zusagen der Bundesregierung im Maritimen Bündnis in Frage. Wenn das Bündnis weiterhin Erfolg haben soll, muss über die Gesamtwirkung, die für den Standort Deutschland durch die Einführung der Tonnagesteuer entfaltet wurde, angemessen gesprochen werden. Der VDR hat für die Maritime Konferenz im Mai 2011 das Ziel, dass die deutsche Flaggenstaatsverwaltung neu aufgestellt wird. Es ist zu kompliziert und zu teuer, die deutsche Flagge zu führen.

Der Umweltschutz wird 2011 ein zentrales Thema auf der Agenda bleiben. Die deutschen Reeder haben ein vitales Interesse daran, dass der Umweltschutz voran kommt. Allerdings müssen entsprechende Regeln für die Schifffahrt immer weltweit gelten. Aktiver Umweltschutz darf nicht zu Wettbewerbsnachteilen führen.

Global wird die weitere Reduzierung der CO2-Emissionen aus der Schifffahrt im Rahmen der IMO debattiert. Für den VDR geht es dabei insbesondere darum, dass frühzeitig alle wirtschaftlichen Konsequenzen auf den Prüfstand kommen. Das Klimafondsmodell ist aus Sicht der deutschen Reeder das sinnvollste Modell mit der größtmöglichen positiven Wirkung für die Umwelt, denn es erlaubt der Umwelt eine doppelte Dividende: Die Schifffahrt wird sauberer und mit dem eingenommenen Geld werden Umweltprojekte unterstützt. Mit diesem Modell lassen sich auch die Beschlüsse aus Cancún weiterentwickeln.

Bei den radikalen Grenzsetzungen durch die IMO in den SECA-Gebieten im Jahr 2008 wurde eine Folgenabschätzung unterlassen. Diese Folgenabschätzung hat der VDR in Abstimmung mit der Bundesregierung wissenschaftlich fundiert nachgeholt. Das ISL aus Bremen hat dabei erschreckende Ergebnisse ermittelt: Es wird Verkehrsverlagerungen von bis zu über 40 % geben. Die Folge sind erheblich stärkere Lkw-Verkehre mit den ökologisch und politisch unerwünschten Folgen. Der Bestand von Fährreedereien in der Ostsee ist grundlegend gefährdet, wenn die Regelungen wie geplant eingeführt werden. Hier müssen intensive Gespräche darüber geführt werden, wie die negativen Auswirkungen vermieden werden. Es darf nicht Ergebnis der Politik sein, Verkehre vom umweltfreundlichen Verkehrsträger Seeschiff zurück auf die Straße zu verlagern.

Die Piraterie bedroht weiterhin die Schifffahrt. Die Leidtragenden der Piratenüberfälle sind die Mannschaften auf den Schiffen. Der VDR begrüßt ausdrücklich die zeitliche und geografische Erweiterung des „Atalanta“-Mandates. Auch die Selbstschutzmaßnahmen der Reedereien werden immer erfolgreicher. Es braucht weitere Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, um die Piraterie einzudämmen. Es ist wichtig, dass die Handelswege für alle Schiffe der friedlichen Handelsschifffahrt befahrbar bleiben. Die bisher eingeleiteten militärischen Maßnahmen zum Schutz der Schiffe sind aus Sicht des VDR nicht ausreichend. Noch besseren Schutz würden bewaffnete hoheitliche Kräfte an Bord für die besonders gefährdeten Schiffe geben.

Ralf Nagel

Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Reeder e.V.

Ralf Nagel