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Hans-Jürgen Reuß

Das vergangene Jahr hat in allen Bereichen der Antriebstechnik eine so große Zahl an Neuheiten gebracht, dass sie zwangsläufig nicht alle in die unmittelbar nach den Ereignissen erschienenen Berichte aufgenommen werden konnten. So bietet die SMM Istanbul einen willkommenen Anlass, auf verschiedene Entwicklungen dieses Marktes einzugehen.

Dieselmotoren

Über den Großmotorenbau ist im vergangenen Jahr ausführlich berichtet worden. Anlässe dafür waren die AVL TechDays in[ds_preview] Graz, der CIMAC Kongress in Bergen sowie die SMM 2010 in Hamburg, zu denen ausführliche Berichte an dieser Stelle erschienen. Insofern sei hier nur daran erinnert, als es starke Entwicklungs­trends für Gasmotoren gibt, mit denen den strengen Abgasnormen der Zukunft zumindest in den ECAs wirtschaftlich begegnet werden kann.

Dazu gibt es auch bei MAN Diesel & Turbo neue Aktivitäten. Das Unternehmen kündigte während der SMM an, dass der im Kopenhagener Entwicklungszentrum stehende Versuchsmotor in eine »GI«-Variante umgebaut wird, die ab Jahresende 2010 mit Erdgas betrieben werden soll. Ziel dieser Maßnahme ist die Erprobung der Gasversorgung von Zweitaktmotoren mit dem technischen Standard ME-GI. Hierfür wird das von Daewoo Shipbuilding and Marine Engineering Co. Ltd in Korea entwickelte Hochdruck-Flüssigerdgas-System an den umgebauten Versuchsmotor angepasst. MAN und Daewoo hatten bereits im Februar 2010 eine entsprechende Verabredung zu dieser Erprobung und Weiterentwicklung getroffen.

Der wesentliche Vorteil des Gasbetriebs der Zweitaktmotoren von MAN mit der Ausrüstung nach dem Standard ME-GI liegt in den erheblich verringerten Betriebskosten, da der Preis von LNG niedriger als der von Schweröl ist. Darüber hinaus sind mit dem Gasbetrieb geringere CO2, SOx- und NOx-Emissionen verbunden. Nach Angaben des Unternehmens sollen im Gasbetrieb die Grenzwerte von IMO Stufe 3 eingehalten werden. Das würde bedeuten, dass mit diesen Motoren und entsprechender Ausrüstung der Schiffe, problemlos die ECAs befahren werden könnten. Technische Veränderungen an den Motoren betreffen vor allem die Abgasrückführung. Darüber hinaus wird auch die Wärmerückgewinnung angeboten, die wesentlich zur Reduzierung der CO2-Emission beiträgt.

Bei den ME-GI-Motoren handelt es sich um langsamlaufende Wechselmotoren, die wahlweise mit Gas oder mit Dieselkraftstoff betrieben werden können. Im Programm stehen vier Baureihen mit Reihenmotoren von jeweils fünf bis acht Zylindern, die einen Leistungsbereich von rund 3.000 bis 26.000 kW abdecken, bei Drehzahlen zwischen 77 und 167 min-1.

Um den Kunden optimale Lösungen für gasbetriebene Motoren anbieten zu können, hat MAN Diesel & Turbo eine Zusammenarbeit mit TGE Marine Gas Engineering vereinbart. Dieses Unternehmen gilt als Spezialist für die Entwicklung von Flüssiggasanlagen. In diesem Fall geht es besonders um Anlagen für die Gasversorgung von mittelschnelllaufenden Viertakt-Wechselmotoren des Unternehmens. Die Zusammenarbeit zwischen MAN und TGE umfasst alle technischen und kaufmännischen Aspekte von der Lagerung des Kraftstoffs an Bord bis zur Überwachung aller Systeme. In allen Fällen werden maßgeschneiderte Lösungen angeboten.

Wärtsilä begann nach der SMM mit der Einführung eines, wie es heißt, intelligenten Systems zur Überwachung des Verbrennungsvorgangs bei langsamlaufenden Zweitaktmotoren. Dieses neue System soll den Schiffsbetrieb in seiner Wirtschaftlichkeit deutlich verbessern, indem es Informationen über den Zustand der Bauteile im Verbrennungsraum aller Zylinder liefert. Wärtsilä geht davon aus, dass die Kraftstoffkosten um bis zu 2 % reduziert werden können, falls es gelingt, die Motoren immer mit dem optimalen Zünddruck zu fahren. Darüber hinaus tragen die mit dem System zu sammelnden Informationen dazu bei, dass Wartungsarbeiten zum rechten Zeitpunkt ausgeführt werden. So lassen sich unerwünschte Liegezeiten und damit verbundene Ausfälle vermeiden.

Mit dem neuen System von Wärtsilä wird der Druck in jedem Zylinder unter allen Lastzuständen während des gesamten Verbrennungsvorgangs kontinuierlich gemessen. Außerdem wird die Bewegung der Kurbelwelle exakt aufgezeichnet und man erhält Echtzeitdaten für die Analyse. Integriert in das von Wärtsilä entwickelte System zur Überwachung der Verbrennung ist das ABB Cylmate System.

Getriebe

Bei der Fassmer-Werft in Berne begann Ende letzten Jahres die Fertigstellung des neuen Flaggschiffs von Greenpeace, der »Rainbow Warrior III«. Dies ist das erste Schiff, das diese Organisation als vollständigen Neubau erhalten wird, er soll Mitte Oktober 2011 in Dienst gestellt werden. Der in Danzig entstandene Rohbau des Segelschiffs erhält unter anderem einen Hilfsantrieb in Hybrid-Ausführung, mit dem wahlweise ein mechanischer Antrieb direkt vom Dieselmotor oder ein elektrischer Antrieb über einen Elektromotor erfolgen kann. Kernstück dieser Antriebsanlage ist ein ZF-Untersetzungsgetriebe, das für den Hybrid-Antrieb einen dritten Flansch erhielt, den PTI (Power Take-In), über den der E-Motor den Hauptantrieb des Schiffes mit einer Leistung von 315 kW übernehmen kann. Diese Technik führt nicht nur zu erheblichen Kraftstoffeinsparungen, sondern auch zu deutlich verringerten Schadstoff­emissionen. Als Hauptmaschine erhält das Schiff einen schnelllaufenden Dieselmotor von Caterpillar aus der Baureihe 3512 C mit einer Leistung von 1425 kW, die von einem Verstellpropeller übertragen wird. Für die Stromversorgung an Bord und gegebenenfalls den E-Antrieb des Propellers sind zwei Bordaggregate mit einer Leistung von je 440 kVA vorgesehen sowie ein Hafen- bzw. Notstromaggregat mit 156 kVA. Das Schiff wird vom GL als Motorsegler für unbegrenzten Einsatz klassifiziert.

ZF liefert Getriebe mit PTI sowohl für konventionelle Wellenanlagen, als auch für Pod-Antriebe. Bis zu Leistungen des Dieselmotors von 1.500 kW sind elektrische Leistungen über einen PTI standardmäßig bis zu 70 kW vorgesehen. In diesen Fällen wird die Leistungselektronik ebenfalls von TF geliefert. Bei höheren mechanischen Leistungen arbeitet das Unternehmen mit Spezialisten auf der elektrotechnischen Seite zusammen.

Propeller

MAN Diesel & Turbo stellte auf der SMM seine neue Generation Verstellpropeller vor. Die neue Baureihe VBS Mk 5 umfasst, aufgeteilt auf drei Gruppen, 20 Nabengrößen für die Übertragung von 1.000 bis 40.000 kW. Die Nabendurchmesser liegen zwischen 600 und 2.150 mm. Die Naben der neuen Propeller sind kleiner als die der bisherigen Ausführung, was zu einem geringeren Widerstand führt. Der Fuß der Propellerflügel ist jetzt bündig mit der Kontur der Nabe ausgeführt, was ebenfalls den Widerstand verringert. Nach Werksangaben soll der Wirkungsgrad der neuen Propeller um bis zu 2 % gegenüber den Vorläufern verbessert sein.

Interessant ist der Einstieg von Berg Propulsion in den Markt für Ruderpropeller. Die erste Lieferung überhaupt ging im Frühjahr 2010 an Dubai Shipbuilding. Dabei handelte es sich um zwei Ruderpropeller mit einer Leistung von je rund 1.840 kW für ein Offshore-Versorgungsschiff mit einer Länge von 63,5 m. Wie zu lesen war, brachte dieser Auftrag den Durchbruch für das neue Produkt. Das Programm umfasst zurzeit Einheiten für den Antrieb mit Diesel- oder Elektromotoren mit Leistungen bis zu 2.500 kW, wobei diese sowohl mit Festpropeller, als auch mit Verstellpropeller ausgeführt werden können. Inzwischen sind weitere Ruderpropeller zur Auslieferung gekommen.

Die Entwicklung der elektrisch betriebenen Hohlwellen-Ruderpropeller von Voith hat einen kräftigen Sprung gemacht. Lag die größte nutzbare Leistung bei diesem Prinzip bislang bei 300 kW, so stehen die sogenannten »Inline Thruster« jetzt für Leistungen bis zu 1.550 kW zur Verfügung. Den ersten Ruderpropeller mit dieser Leistung erhält das vom dänischen Eigner A2Sea in China bestellte Hubschiff, zusätzlich zu drei Voith-Schneider-Propellern. Die Lieferung ist für den August dieses Jahres geplant. Der Stapellauf des Schiffes, das für die Aufstellung von Windkraftanlagen bestimmt ist und eine Länge von 131 m und eine Breite von 39 m hat, ist für Anfang 2012 geplant.

Kupplungen und Dämpfer

Geislinger, der österreichische Spezialist für Kupplungen und Dämpfer, stellte auf der SMM gleich zwei neue Produkte vor, die speziell für den Einsatz bei Bordaggregaten bestimmt sind. In einem Fall handelt es sich um einen Dämpfer, der gegenüber seinem Vorläufer die doppelte Lebensdauer aufweist. Grundlage dafür ist eine konstruktive Ausführung, die ein verlängertes Wartungsintervall ermöglicht. Neben geringeren Betriebskosten ist damit eine erhöhte Verfügbarkeit verbunden. Nach einer Wartung ist ein zweiter Zyklus möglich und nach dessen Ende führt eine Grundüberholung zu zwei weiteren Zyklen.

Ebenfalls neu bei Geislinger ist eine modular aufgebaute Baureihe von Elastomerkupplungen, die ebenfalls vorzugsweise bei Bordaggregaten zum Einsatz kommt. Der radiale Einbau der Kupplung und die langlebigen, leicht auszutauschenden Elemente aus Elastomeren, kennzeichnen die bis zu einem Drehmoment von 64 kNm zur Verfügung stehenden Einheiten.

Verfasser:

Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Reuß Freier Journalist, mail@pr-reuss.de


Hans-Jürgen Reuß