Spezialschiffbau in Deutschland

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Die konjunkturelle Erholung in der Weltwirtschaft und im Welthandel hat zur Stabilisierung der Schifffahrt beigetragen und auch die Neubaunachfrage in[ds_preview] einzelnen Marktsegmenten im Weltschiffbau verbessert. Doch trotz erhöhter Bestellungen lagen die Ablieferungen 2010 deutlich über den Auftragseingängen und verringerten zusammen mit den gemeldeten Stornierungen die weltweiten Auftragsbestände.

China hat dank seines massiven Kapazitätsausbaus sein industriepolitisch ursprüng­lich für 2015 gestecktes Ziel bereits 2010 vorzeitig erreicht und ist mit einem Marktanteil von rd. 36 % zum weltweit führenden Schiffbauland aufgestiegen. Diese Entwicklung wird sich noch fortsetzen, da sich die Kapazitäten in China nach Berechnungen von Marktbeobachtern bis 2014 nochmals um 23 % erhöhen werden.

Ungeachtet der leichten Verbesserung der Situation und neuer Aufträge am Markt sieht sich der internationale Schiffbau immer noch mit den alten Kernproblemen konfrontiert. Dazu zählen insbesondere die in China und Korea durch Subventionen entstehenden Überkapazitäten und Finanzierungshilfen für neue Aufträge, die zu einer Abwanderung von Aufträgen von deutschen Werften beitragen. Zusätzlich stellt die anhaltende Zurückhaltung einiger deutscher Banken bei der Finanzierung von Spezialschiffen für die deutschen Werften ein erhebliches Problem dar.

Der deutsche Schiffbau fährt also weiterhin in schwerer See. Gleichzeitig sind aber mittlerweile auch ermutigende Signale nicht zu übersehen. Die Produktion des abgeschlossenen Jahres verlief trotz Krise weiter auf beeindruckend hohem Niveau. Die Werften haben – nach ersten Schätzungen – 49 Schiffe abgeliefert und das sogar mit noch höherer Tonnage und höherem Wert. Fähr- und Passagierschiffe sowie Yachten machen mittlerweile 75 % des Auftragsbestandes aus. Und wie jüngst gemeldete Aufträge zeigen, wird sich dieser Trend fortsetzen: Bei den 24 (2010) neu bestellten Schiffen handelt es sich fast ausschließlich um Spezialschiffe. Dazu zählen Schiffe für den Bau von Offshore-Windparks, Eisbrecher, Fähren, Kreuzfahrtschiffe und ebenjene Megayachten, von denen eine in diesem Jahr von der Zeitschrift Hansa zum »Ship of the year 2010« gewählt wurde.

Die Wahl zum Schiff des Jahres blickt auf eine lange Tradition zurück: Den Anfang machte Ende 1982 die »Polarstern« als Schiff des Jahres 1981. Fast drei Jahrzehnte später heißt der frisch gebackene Preisträger für das Jahr 2010 »Eclipse«, gebaut auf der Werft Blohm + Voss in Hamburg. Es beerbt damit das Swath-Schiff »Elbe« der Werft Abeking & Rasmussen. Betrachtet man alle Preisträger, kann man die erfolgreiche Innovations-Entwicklung der deutschen Schiffbauindustrie über fast drei Jahrzehnte verfolgen und sieht eindruckvoll dokumentiert, dass Spezialschiffbau in Deutschland eine lange Tradition hat.

Auch im abgelaufenen Jahr hat die deutsche Schiffbauindustrie wieder unter Beweis gestellt, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hat: Die 2010 abgelieferten Schiffe sind beeindruckende Beispiele deutscher Ingenieurkunst und der maritimen Fachpresse wird es bei einer solchen Reihe von markt- und zukunftsfähigen Innovationen sicher nicht leicht gefallen sein, das »Schiff des Jahres« zu küren. Herausragende Neubauten neben den Mega-Yachten sind z. B. die weltgrößten RoPAX-Fähren, in Komfort und Energieeffizienz weiter verbesserte Kreuzfahrtschiffe für den Einsatz auf hoher See und in Binnengewässern sowie ein Notfallschlepper mit richtungweisendem Sicherheitskonzept. Ferner wurden mit einem Windparktender in SWATH-Bauweise und einem Windanlagentransporter mit Flettner-Rotoren deutsche Innovationen erfolgreich in neue Märkte transferiert.

Die Zukunft des deutschen Schiffbaus beruht mehr denn je auf technologischen Spitzenprodukten, die wirtschaftlicher und energieeffizienter sind und sich durch besondere Leistungen und innovative Konzepte auszeichnen. Da durch verschärfte Vorschriften und Gesetze zu Umweltschutz und Schiffssicherheit ein steigender Bedarf an Spitzentechnologie entsteht, sieht die deutsche Schiffbauindustrie zuversichtlich in die Zukunft. Werften und Zulieferer haben gemeinsam immer wieder bewiesen, dass sie mit höchster Kompetenz optimale und zukunftsweisende Produkte auch kurzfristig entwickeln können.

Werner Lundt