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HPA will die »Elektrifizierung« des Hamburger Hafens weiter vorantreiben –

Hafenbahn liefert 2010 das beste Ergebnis ihrer Geschichte ab – Neuer Hafenentwicklungsplan liegt auf dem Tisch

Eckhard-Herbert Arndt

Nach den beträchtlichen Umschlagmengen-Verlusten des Jahres 2009 liegt der Hamburger Hafen seit dem Frühjahr[ds_preview] 2010 wieder auf Wachstumskurs und knüpft bei den Zuwachsraten in Teilbereichen wieder an alte Zeiten an. Wachstum bedeutet aber auch: Der Hafen muss sich weiter anpassen. Wichtige Stichworte lauten in diesem Zusammenhang Eurogate-Westerweiterung, Neugestaltung des Mittleren Freihafens, Wegfall des Freihafenstatus mit dem 31. Dezember 2012 und vieles mehr. Das jedoch steht auch fest: Freiraum für weiteres Wachstum muss im Wesentlichen innerhalb der Grenzen des heutigen Hafengebietes genutzt werden. Das – theoretische – Hafenerweiterungsgebiet mit Francop und Moorburg im Westen ist zwar weiterhin vorhanden, ob sich die Politik jedoch an dieses »heiße« Eisen wagt, ist die große Frage. Denn langwierige, kräftezehrende Auseinandersetzungen mit Umweltschutz-Organisationen sind programmiert.

Genaue Informationen für die Hafen-Trucker

Für Jens Meier, seit April 2008 an der Spitze der Hamburg Port Authority (HPA) stehend, kann Freiraum für weiteres – politisch gewolltes – Wachstum auch dadurch gewonnen werden, dass vorhandene Ressourcen einfach »intelligenter« genutzt werden. Meier, dessen Vita auch ein Informatik-Studium aufweist, setzt auf IT, um diesen Raum zu schaffen. Gern spricht er in diesem Zusammenhang von der »Elektrifizierung« des Hafens. Dazu gibt es verschiedene Ansatzpunkte. So startet in diesem Frühjahr das computergesteuerte Verkehrsmanagement-System im Hafen. Zu diesem Zweck wurden in den zurückliegenden Monaten im Hafengebiet umfangreiche technische Vorarbeiten durchgeführt, unter anderem durch den Einbau von Detektorschleifen – an rund 140 Stellen – in den für den Hafenverkehr wichtigen Straßen sowie das Aufstellen von großen Digital-Schautafeln. Sie informieren die Verkehrsteilnehmer, allen voran die Lkw-Fah-

rer, über die aktuelle Verkehrslage im weitläufigen Hafengebiet. Die Maßnahme konnte auch deshalb so schnell in Angriff genommen werden, weil dafür Mittel aus dem großen Konjunkturprogramm des Bundes zuflossen, das zur Bewältigung der Folgen der Weltwirtschafts­krise aufgelegt wurde.

Auch die Hamburger Hafenbahn wird ihren bereits hohen Standard auf dem Gebiet Informationstechnologie noch einmal toppen können. Meier geht davon aus, dass das neue IT-System bis 2012 den Bahnverkehr noch einmnal »optimieren« wird. Das ist auch deshalb vonnöten, weil über das 305 km umfassende Netz der Hafenbahn – hinzu kommen gut 160 km Privatgleisanschlüsse – immer mehr Güter befördert werden. 2010 geht als das bislang beste Ergebnis in die Geschichte der 1866 gegründeten Hafenbahn ein. Rund 40,1 Mio. t und gut 1,93 Mio. TEU wurden im Berichtsjahr bewegt. »Hamburg hat damit seine Spitzenstellung in Europa als Eisenbahnhafen erneut weiter ausgebaut«, betont Meier.

Hamburg ist in Europa Spitze als Eisenbahnhafen

Die Transportleistungen legten seit 2003 beständig zu. Damals waren es noch 29,2 Mio. t. Die Hafenbahn profitierte dabei natürlich auch vom erheblichen Umschlagmengenwachstum des Elbe-Hafens in der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts. Überschattet wurde die Erfolgsgeschichte der Hafenbahn durch die 2005/2006 immer deutlicher zutage tretenden gravierenden Mängel, im Wesentlichen ausgelöst durch zu geringe Investitionen ins Netz – bei Unterhalt und Neubau. Langsamfahrstellen pflasterten das Schienennetz im Hafen, Gewichtsbeschränkungen auf zahlreichen Bahnbrücken im Hafen, zugeparkte Gleiskapazitäten. Zugverspätungen waren an der Tagesordnung. Die Hafenkunden schimpften über die »marode Hafenbahn«. Der Ruf des Elbe-Hafens als führender Eisenbahnhafen stand auf dem Spiel.

Das alles ist heute Vergangenheit. Seit dem Jahr 2008 bis Ende 2010 investierte die HPA rund 125 Mio. € in den Ausbau und Neubau sowie den Unterhalt der Hafenbahn. Berücksichtigt man weitere Zuwendungen, zum Beispiel aus dem im Zuge der Weltwirtschaftskrise aufgelegten Konjunkturprogramm II des Bundes, dann kommen sogar rund 150 Mio. € zusammen. »Wir werden uns auf den erreichten Lorbeeren nicht ausruhen«, stellt Meier klar. »Der Bauprozess hält an«, ergänzt Harald Kreft, Leiter der Hafenbahn. Weitere Gelder werden in das Bestandsnetz fließen, das um gut 160 km private Anschlussgleise ergänzt wird. Zu den größeren Projekten in der näheren Zukunft gehört der Bau einer Art »Lok-Service«-Zentrum im westlichen Hafenteil. Hier sollen wichtige Servicearbeiten an den Loks, allen voran den Rangier-Loks, der Hafenbahnnutzer durchgeführt werden. Aktuell haben 83 Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) eine Zulassung zum Hafenbahnnetz. Auch das eine Spitzenleistung. Kreft: »Wir legen aber Wert auf einen fairen Wettbewerb auf der Schienen.« Die Zunahme der Bahnanbieter – außerhalb der weiterhin starken DB-Gruppe – ist im Übrigen ein weiterer Erfolgsbaustein der Hafenbahn. In keinem der großen Wettbewerbshäfen Hamburgs – allen voran den Westhäfen – gibt es auch nur eine annähernd hohe Anzahl an Anbietern. Neben den Bahnunternehmen, die bestimmte Ganzzugprodukte mit Ziel- und Quellgebiet Hamburg anbieten, hat sich im Hafen auch ein Service-Kern etabliert. EVUs , die ausschließlich für die Verkehrsabwicklung auf der »letzten Meile«, also für Abhol- und Zustellaufgaben, eingesetzt werden.

Hafenbahnentgelt-System findet Nachahmer im Ausland

Mit dem geplanten Lok-Service-Zentrum leistet die HPA einen weiteren Beitrag zur Stärkung des Eisenbahnhafens Hamburg. Und man schafft damit auch ein Alleinstellungsmerkmal. Derzeit ist es noch so, dass die kleineren Service- und Wartungsarbeiten an den Loks im Bereich des knapp 30 km entfernten, für den Hamburger Hafen weiterhin sehr wichtigen Rangierbahnhofs Maschen durchgeführt werden. Dazu muss die Lok aber jedesmal dort hin- und wieder in den Hafen zurückfahren. Solche Fahrten könnten durch ein zentrales Service-Zentrum entfallen. Das sei nicht nur ein wirksamer Beitrag für den Umweltschutz, sondern trage auch dazu bei, die vorhandenen Gleiskapazitäten zwischen Hamburg und Maschen besser zu nutzen. Meier: »In der Bahnbetriebsführung macht es keinen Unterschied, ob auf einer Strecke ein 700 m langer Güterzug oder eine einzelne Lok fährt. Die Trasse ist in dem Moment belegt.« Durch das Service-Zentrum würden also auch – gewissermaßen als Beigabe – zusätzliche Trassenkapazitäten entstehen.

Diese Extra-Luft auf der Schiene benötigt der Hafen aber für das weitere, absehbare Wachstum im schienengeführten Hinterland-Verkehr. Denn Hamburg ist gerade für die Staaten in Mittel- und Südosteuropa, aber auch für die süddeutschen Bundesländer, ideal über die Schiene angebunden. Herausragend ist dabei der Verkehr von und nach Tschechien mit weit über 300.000 TEU im vergangenen Jahr.

Neben den baulichen Maßnahmen auf dem Hafenbahnnetz haben auch verbesserte Organisationstrukturen das Wachstum ermöglicht. So sorgte ein zunächst von der Hafenwirtschaft kritisiertes neues Hafenentgeltsystem für Aufregung. Heute ist das weiterentwickelte Abrechnungssystem eine Art Erfolgsmodell. Meier: »Befreundete Wettbewerbshäfen orientieren sich ebenfalls daran.« Namentlich der Rotterdamer Hafen, der sich auch dank der Betuweroute künftig stärker als Bahnhafen entwickeln will, hat sich von den HPA-Experten beraten lassen. In Hamburg führte das neue Entgeltsystem auch dazu, dass das »Zuparken« von knappen Gleiskapazitäten beseitigt werden konnte. Denn langes Abstellen von Waggons kostet viel Geld.

Neue Terminals werden in Zukunft entstehen

Weitere Anreize wurden jetzt in das System eingearbeitet, über die erreicht werden soll, dass die Zugabwicklung auf dem Hafenbahnnetz noch umweltfreundlicher erfolgt. Das heißt: weniger Lärm durch den Einsatz lärmarmen Waggonmaterials und weniger Dieselruß, weil die Loks mit Rußpartikelfiltern ausgerüstet sind oder künftig werden. Immerhin: 2010 nahm die HPA rund 13 Mio. € auf dem Netz der Hafenbahn ein, spürbar mehr als geplant.

Neben der Stärkung der IT-Kompetenz wird die HPA aber auch den klassischen Hafenausbau weiter betreiben. Eine Reihe von Großprojekten wird in Angriff genommen. Dazu gehört unter anderem die Neugestaltung im Bereich des Container Terminals Tollerort (CTT) der HHLA. Vier Hektar Landmassse werden bis 2016 abgetragen, wodurch die Schiffe den Terminal wesentlich leichter ansteuern können. Zugleich entstehen zwei neue Feeder-Liegeplätze. Die­se Operation sei sehr anspruchsvoll, da sie im laufenden Betrieb erfolgen müsse. Das Vorhaben ist ein Bestandteil des Hafenentwicklungsplans, der sich derzeit noch in der Abstimmung befindet. Ebenfalls auf der Liste stehen die Westerweiterung des Eurogate-Terminals und die Neugestaltung des Mittleren Freihafens – Stichwort: Central Terminal Steinwerder. Diese und weitere Vorhaben sind Bestandteil des neuen Hafenentwicklungsplans (HEP), der 2011 ein zentraler Gegenstand der hafenpolitischen Diskussion in Deutschlands größtem Universalhafen sein wird.