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D. Seidel

Die Ergänzung der deutschen Energieversorgung durch Windkraftanlagen ist erklärtermaßen ein politisches Ziel. Die Industrie hat sich[ds_preview] bereits seit längerem darauf eingestellt. Gebiete für die Aufstellung der Windkraftanlagen auf See sind ausgewiesen, Anträge auf Errichtung diverser Windenergieparks auf See gestellt und in hoher Zahl bereits genehmigt. Die Herstellung der Anlagen hat begonnen. Nun stellt sich die Frage, von welchen Häfen die Anlagen dereinst verschifft werden sollen und insbesondere, welche Randbedingungen es für die Transporte auf deutschen Seeschifffahrtsstraßen zu beachten und einzuhalten gilt. Dieser Artikel will zu dieser Klärung einen Beitrag leisten. Das scheint auch notwendig, zumal, wie sich unlängst gezeigt hat, sogar aus Gutachten zu Hafenplanungen hervorgeht, dass notwendige rechtliche, insbesondere schifffahrtspolizeiliche Zulassungsvoraussetzungen für solche außergewöhnlichen Transporte auf den Bundeswasserstraßen keine oder unzureichende Berücksichtigung finden.

Bei den bislang geplanten Transporten von Anlagen oder Anlagenteilen für Windenergieanlagen ist deutlich geworden, dass sich Nutzungskonflikte zwischen den Belangen insbesondere der kommerziellen Großschifffahrt und diesen Transporten einstellen können. Diese Nutzungskonflikte gilt es rechtzeitig im Vorfeld konkreter Investitions- und Standortentscheidungen zu identifizieren und im Dialog mit den zuständigen Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nach Lösungsmöglichkeiten dieser Nutzungskonflikte zu suchen.

Zuständigkeit für schifffahrtspolizeiliche Genehmigungen des Transports von Windenergieanlagen

Für die Erhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den deutschen Küstengewässern und den angrenzenden Seeschifffahrtsstraßen wie z. B. der Ems, der Weser oder der Elbe ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig. Dieser gesetzliche Auftrag, abgeleitet aus dem Grundgesetz, findet sich im Seeaufgabengesetz §§ 1 und 3 ff. Die weitere Konkretisierungen der verkehrsrechtlichen Rahmenbedingungen, die zu beachten sind, ergeben sich aus der Seeschifffahrtsstraßenordnung und den sie ergänzenden Bekanntmachungen zur Seeschifffahrtsstraßenordnung der Wasser- und Schiff-

fahrtsdirektionen Nord und Nordwest.

Wie läuft die Prüfung eines beantragten Vorhabens ab?

Die beantragten Transporte von Windkraftanlagen, mit in der Regel beträchtlichen Abmessungen, sollen auf sehr dicht befahrenen Revieren durchgeführt werden. Insofern ist der Maßstab, der an eine Prüfung der Rahmenbedingungen für diese Transporte anzulegen ist, hoch, gilt es doch, den bisher hohen Sicherheitsstandard des Schiffsverkehres auch zukünftig zu gewährleisten.

Aus nachstehender Übersicht ergibt sich beispielhaft, welche Aspekte im Einzelnen zu prüfen sind. Dazu hat der Antragsteller – soweit in seinem Verantwortungsbereich – Informationen über das geplante Vorhaben bereitzustellen. Dies ist im Interesse des Antragstellers unumgänglich, um die für eine abschließende Beurteilung notwendigen Informationen zur Verfügung zu haben.

Gedacht ist hierbei u.a. auch an Angaben über den beabsichtigten Umschlag – denn auch der kann den fließenden Verkehr behindern oder beeinträchtigen –, sowie das vorgesehene Transportmittel und dessen Abfahrtsfrequenz, die Abmessungen der Ladung, Tiefgänge, geplante Geschwindigkeiten, Wind- und Seegangsempfindlichkeiten von Schiff und Ladung.

Zunächst gilt, dass das Vorhaben auf Zulässigkeit nach der Seeschifffahrtsstraßenordnung, vor allem der Vereinbarkeit mit sonstigen Verkehren, geprüft wird. Hier findet sich mit dem § 25 ff. SeeSchStrO die in diesen Fällen oft einschlägige Bestimmung, dass die dem Fahrwasserverlauf folgende Schifffahrt Vorfahrt hat. Das bedeutet konkret, dass beim Einlaufen in ein Fahrwasser (z. B. Ablegen vom Kai) oder dem Verlassen des Fahrwassers (z. B. Anlegen an den Kai), die durchgehende Schifffahrt nicht beeinträchtigt werden darf. Sind z. B. tideabhängig fahrende »Außergewöhnlich Große Fahrzeuge (AGF)«, wie Großcontainerschiffe oder Bulker im Fahrwasser, die auf die Fahrrinne angewiesen sind, so kann dies für Windkraftanlagentransporte eine wesentliche Einschränkung der möglichen Abfahrt»fenster« – und damit unmittelbar der Zahl der Abfahrten – mit sich bringen, wenn nicht sie sogar vollends unmöglich machen.

Eine weitere wesentliche, begrenzende Randbedingung kann aus den (aus § 60 der SeeSchStrO abgeleiteten) jeweils revierspezifischen Bekanntmachungen zur Seeschifffahrtsstraßenordnung der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest herrühren. Hier sind u. a. Rahmenbedingungen zu Überholen, Begegnen festgelegt, die z. B. dazu führen können, dass Transporte nicht stattfinden können, wenn zulässige Begegnungsbreiten in bestimmten Revierabschnitten überschritten werden, weil z. B. ein AGF-Fahrzeug im Revier ist, mit dem eine solche Begegnung unvermeidlich wäre.

Gäbe es diese Regelungen nicht und wäre dem Windkraftanlagentransport Vorrang eingeräumt, käme z. B. der (absehbar stark wachsende) Verkehr auf die Fahrrinnen angewiesener AGF-Massengutschiffe mit Breiten bis zu 58 m und der AGF-Containerschiffe mit Breiten von bis zu 51 m auf der Elbe zum Erliegen. Die Fahrrinnenbreite beträgt auf der Elbe zwischen Lühe und Stör 300 m, weiter unterhalb 400 m. Unter diesen Verhältnissen sind Begegnungen / Überholungen eines Massengutschiffes mit 58 m Breite und einem Windkraftanlagentransport mit z. B. 100 m (liegend transportierter Rotor) aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehres nicht zugelassen. Weiterhin ist zu beachten, dass die Transporteinheiten für Windkraftanlagen meist nur sehr schwach oder gar nicht motorisiert sind und infolgedessen, vor allem unter Berücksichtigung der Strömungsverhältnisse, als Schleppverband laufen müssen. Diese Schleppverbände haben je nach Umschlaghafen und aufgrund ihrer niedrigen Geschwindigkeiten eine lange Verweildauer im Revier oder erreichen die Nordsee u. U. nicht einmal während einer Tide. Auch dadurch würden sich erhebliche, nicht akzeptable Einschränkungen für den durchlaufenden Verkehr, wie o. a. ergeben.

Der von den Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes jeweils abzuarbeitende formale und nautische Prüfkatalog ist identisch, die Ergebnisse dieser Prüfungen sind, wie zuvor erläutert, aufgrund der Unterschiedlichkeit der Reviere hingegen revierspezifisch. Da sich z. B. die Verhältnisse auf der Weser von denen auf der Elbe sehr unterscheiden, kann es keine pauschalen Aussagen darüber geben, was im konkreten Einzelfall mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vereinbar ist und was nicht. Selbst auf demselben Revier kann es je nach Fallkonstellation (u. a. Art der Transportfahrzeuge, realisierbare Geschwindigkeiten oder auch Länge des zu befahrenden Revierabschnitts und damit der Behinderung des übrigen Verkehrs) zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen.

Als ein probates und dem heutigen Stand der Technik entsprechendes Instrument, das zur Entscheidungsfindung beiträgt, wird von der WSV zunehmend die Simulation von solchen Transporten nebst An- und Ablegemanövern an modernen Schiffsführungssimulatoren gefordert. Im Auftrag des Antragstellers und unter fachlicher Begleitung der WSV werden dazu relevante Verkehrssituationen durchgefahren und bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit der Transporte mit berücksichtigt.

Die Wasser- und Schifffahrts­direktionen Nordwest und Nord haben die Erfahrung gemacht, dass die frühzeitige Klärung der verkehrsbezogenen Randbedingungen dazu beitragen kann, Investitions- und Standortüberlegungen einzelner Investoren und an der Ansiedlung von entsprechenden Unternehmen interessierter Hafenverwaltungen auf eine breitere und damit belastbarere Basis zu stellen. Politisch und betriebswirtschaftlich unerwünschte Fehlentwicklungen können so bereits weit im Vorfeld vermieden werden.

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes versteht es als eine ihrer wichtigen Aufgaben, die Vorhaben mit Sachkompetenz zu prüfen und angemessen, verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei Rahmenbedingungen und Auflagen festzulegen. Dieser Aufgabe werden sich die Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wie bisher, auch zukünftig kompetent stellen. Sie stehen für aufklärende Gespräche zu entsprechenden Vorhaben jederzeit zur Verfügung.


Kapt. Dietmar Seidel