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»Windkraftanlagen auf hoher See werden in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen!«, prophezeite Christian Nath, Geschäftsführer für Erneuerbare Energieanlagen beim Germanischen Lloyd, am 10. Januar vor dem Nautischen Verein Brunsbüttel. Allein die Zahl seiner Mitarbeiter spiegelt diese Entwicklung wieder: 130 Menschen sind beim GL in Deutschland inzwischen mit erneuerbarer Energie befasst, weltweit sind es über 800.

Die rasante Entwicklung an Land ist allgegenwärtig. Mit dem Bau des »Growians« versuchte man Mitte der 80er Jahre in den[ds_preview] Leistungsbereich von 3 MW (1 Megawatt = 1.000.000 Watt) vorzudringen, kam aber nie über den Probebetrieb hinaus. Seit geeignete Flächen an Land knapper werden und Windkraftanlagen im Wattenmeer aus Naturschutz und Tourismus-Gründen nicht möglich sind, wurden vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zahlreiche Flächen in der Deutschen Bucht für Windkraftanlagen ausgewiesen. Die dortige Wassertiefe von 30–50 m, die Gewalten der See, die Strömung, Erosion und Bodenbeschaffenheit stellen eine immense Herausforderung an Konstruktion und Bau großer Anlagen dar, die gegenwärtig mindestens das Doppelte der Leistung des Windkraftfossils »Growian« aufweisen.

Die gewaltigen Dimensionen übersteigen vielfach das Vorstellungsvermögen. Wer weiß schon, daß bei einer Anlage mit 120 m Rotordurchmesser jede Sekunde über 100 t Luft durch die Fläche strömen? Die Flügellänge entspricht hier der Länge eines »Jumbojets«, der sich in seinem Leben ca.100 Millionen mal mit hoher Geschwindigkeit um die eigene Achse drehen soll.

Mit zunehmender Wassertiefe wird die Gründung der über 100 m hohen Türme aufwendiger und teurer. Das Maschinenhaus mit der Windturbine, das auf der Spitze der Türme montiert wird, wiegt 300 bis 500 t. Die dort auftretenden Kräfte sind beträchtlich und noch gar nicht endgültig abzuschätzen, weil es wenig Erfahrungen mit Anlagen dieser Leistungen weit draußen auf See gibt. Anlagen in Dänemark und England stehen im flachen Wasser oder auf felsigen Untergrund und sind somit nicht einfach auf die Verhältnisse in der Deutschen Bucht übertragbar. Die ersten Großanlagen in Deutschland stehen im Seegebiet Borkumriff (alpha ventus) und produzieren bereits elektrische Energie.

Kurz nach dem Start gab es dort allerdings schon zahlreiche Probleme mit den Gleitlagern, die aufwendige Reparaturen und Nachbesserungen erforderlich machten. Für solche Montagen auf hoher See stehen bisher viel zu wenige Spezialschiffe mit riesigen Kränen weltweit zur Verfügung. Immerhin wurde jetzt auch bei einer deutschen Werft (Sietas-Werft) ein Offshore-Lifter in Auftrag gegeben. Erforderlich sind robuste, wartungsarme Windturbinen, um die Kosten für Servicearbeiten in vertretbaren Grenzen zu halten.

Die Montage der Anlagen kann nur bei bestimmten Wetterverhältnissen stattfinden und wird dadurch sehr zeit- und kostenintensiv. Der Aufbau der Windfarmen in den ausgewiesenen Seegebieten wird sich deshalb wahrscheinlich über Jahrzehnte hinziehen. Voraussetzung ist auch eine entsprechende Verbindung der Windparks untereinander mit Unterseekabeln sowie Anbindung an das europäische Hochspannungsnetz, um den Strom an die Verbraucher leiten zu können. Die für die beträchtlichen Strommengen nötige Infrastruktur ist noch lange nicht vorhanden. Die Investitionen dafür sind immens und überhaupt noch nicht abzuschätzen.

Auch in anderen Ländern arbeitet man am Aufbau von seegestützten Windfarmen. Im Bereich der Nordsee haben die Niederlande und England große Wasserflächen als mögliche Standorte ausgewiesen. Im tiefen Wasser vor Norwegen könnten schwimmende Anlagen entstehen. Mittelfristig könnte die Leistung zukünftiger Windkraftturbinen 10 bis 20 MW erreichen.

Nach dem Vortrag diskutierten die Mitglieder und zahlreiche interessierte Gäste mit dem Referenten Fragen, die offen geblieben waren. Insbesondere Einschränkungen der Schifffahrt und Fischerei durch Verbotszonen, Belastungen der Meeresumwelt, die hohen Investitionskosten sowie Fragen zur Speicherung von elektrischer Energie aus Windfarmen wurden diskutiert. Einige dieser Themen wird der Nautische Verein Brunsbüttel ab Herbst 2011 auf gesonderten Veranstaltungen wieder aufgreifen.