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Die Geschichte des Automobils ist über die Fachwelt hinaus vielen Menschen zumindest insoweit ein Begriff, als sie die Anfänge mit Carl Benz und Gottlieb Daimler verbinden. Nach den Anfängen der Motorschiffahrt gefragt, müssen die meisten wohl passen. Dass beide dieselben Wurzeln haben, klingt unglaublich, entspricht aber den Tatsachen. Insofern feiern wir in diesem Jahr nicht nur 125 Jahre Automobil, sondern auch 125 Jahre Motorschiffahrt. Stichtag ist der 29. Januar 1886, an dem das Kaiserliche Patentamt Benz & Co. in Mannheim das Patent mit der Nummer 37435 über ein »Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb« erteilte.

Carl Benz hatte bei der Vorbereitung der Patentanmeldung nicht nur daran gedacht, seinen »Gasmotor« für den Antrieb von Straßenfahrzeugen, sondern[ds_preview] auch für den Antrieb kleiner Schiffe zu verwenden. Wörtlich lautet der erste Satz der Patentschrift von 1886: »Vorliegende Construction bezweckt den Betrieb hauptsächlich leichter Fuhrwerke und kleiner Schiffe, wie solche zur Beförderung von 1 bis 4 Personen verwendet werden.« Sein Gasmotor hatte eine entsprechende Einrichtung, um leicht flüchtige aber flüssige Kraftstoffe so aufzubereiten, dass sie im Motor verbrannt werden konnten. Es handelte sich um einen im Viertaktverfahren arbeitenden Ottomotor.

Festzuhalten ist, dass es vor dem Ottomotor von 1876 keinen entwicklungsfähigen Verbrennungsmotor gab. Insofern kennzeichnet das Patent von Carl Benz die Anfänge der Motorschiffahrt, wenn auch im Binnenland und mit recht kleinen Wasserfahrzeugen. Schließlich ging es nicht nur um eine Absichtserklärung. Die ersten von Benz mit Motorantrieb ausgerüsteten Boote waren 1887 auf dem Rhein bei Mannheim zu sehen.

Noch 1886 erhielt Gottlieb Daimler das Patent mit der Nummer 39367 erteilt. Dies schützte ihm ab dem 9. Oktober 1886 eine »Einrichtung zum Betriebe der Schraubenwelle eines Schiffes mittels Gas- oder Petroleum-Kraftmaschine«. Wie es in einer Broschüre zur Daimler-Gedächtnisstätte in Stuttgart-Bad Cannstatt zu lesen ist, entstanden die Daimlersche Motorkutsche und das erste Motorboot fast gleichzeitig im Sommer 1886. Wie es dort weiter heißt, machten Daimler und Wilhelm Maybach im August jenes Jahres erste Probefahrten auf dem Neckar. Die erste öffentliche Vorführung eines Bootes erfolgte im Oktober 1886 auf dem Waldsee bei Cannstatt.

In einem zeitgenössischen Bericht vom 7. November 1886 heißt es dazu: »In der letzten Zeit hat ein auf dem Neckar fahrendes, von etwa acht Personen besetztes Boot, das sich, wie von unsichtbarer Kraft getrieben, mit großer Geschwindigkeit stromauf- und -abwärts den Weg durch die Fluten bahnt, bei den Vorübergehenden nicht geringes Aufsehen erregt. Das Schiffchen mit eigenartigem Triebwerk ist vom Ingenieur Daimler erbaut, die erste Probefahrt wurde Anfang August gemacht. Seitdem haben mehrere hervorragende Techniker solche Fahrten mitgemacht. Seitens des Ruderers bedarf es nur eines Druckes mit der Hand, um das Boot nach jeder gewünschten Richtung in schnellerem oder langsamerem Laufe in Bewegung zu setzen.«

Diese zweifellos bescheidenen Ansätze in der Motorschiffahrt dokumentieren die Anfänge der Motorisierung der Schiffahrt in der Binnenschiffahrt. Zwar verlief die weitere Entwicklung mit Ottomotoren und Motoren mit anderen Verbrennungsverfahren als Schiffsantrieb nicht so spektakulär wie mit dem Dieselmotor, rund zwanzig Jahre später, doch kam etwas in Bewegung, was selbst bei der Gasmotoren-Fabrik Deutz dazu führte, Motorschiffe auf den Markt zu bringen. Zur Entwicklung beim Dieselmotor sei hier nur darauf verwiesen, dass in den knapp zehn Jahren vom Lastkahn »Petit Pierre« bis zum seegehenden Personen- und Frachtschiff »Selandia«, die Leistung von Schiffsmotoren um mehr als Faktor 30 anstieg.

Die HANSA und ihre Schwester, die »Binnenschifffahrt«, werden in den nächsten Monaten noch ausführlich auf dieses Jubiläum eingehen.


Hans-Jürgen Reuß