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Tognum / MTU meldet Ausstieg aus der BZ-Technik

Mit der offiziellen Bekanntgabe des totalen Ausstiegs aus der Brennstoffzellentechnik der Tognum-Gruppe, unmittelbar vor Jahresschluss 2010, haben die Bemühungen[ds_preview] um eine Einführung dieses Energiewandlers in den Schiffbau einen herben Rückschlag erlitten. Besonders davon betroffen sind einige ehrgeizige Teilprojekte des am 1. Juli 2009 gestarteten Leuchtturmprojektes »e4ships« (vgl. HANSA 7/2009, Seite 39 ff). Kennzeichnend für den Rückschlag ist das Argument für den Rückzug: »Nach Vorlage der neuesten Absatzprognosen und einer sorgfältigen Abwägung von Chancen und Risiken hat sich Tognum gegen ein weiteres Engagement im Bereich Brennstoffzellen entschieden«, so der Vorstand der Tognum AG in einer Presseinformation.

Auch die weiteren Äußerungen aus Friedrichshafen setzen Fragezeichen, wenn es um die Zukunft der Brennstoffzellen geht: »Das Unternehmen ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich das Geschäft mit stationären Brennstoffzellen mittelfristig unter den zurzeit weltweit erkennbaren Markt- und Förderbedingungen nicht kommerziell gestalten lässt«. Dasselbe gilt selbstverständlich für die Brennstoffzellen an Bord von Schiffen. Tognum hatte im vergangenen Jahr intensiv die Marktchancen unter anderem im asiatischen Raum untersucht und sich um einen Partner für die Serienfertigung von Brennstoffzellen bemüht. Ausschlaggebend für die Entscheidung zum Ausstieg aus dem BZ-Geschäft war schließlich das Scheitern der zunächst als aussichtsreich bewerteten Verhandlungen mit einem asiatischen Kooperationspartner am 28. Dezember 2010, was zu einer Ad-hoc-Meldung vom 29. Dezember 2010 führte.

Wie aus Kreisen des Leuchtturmprojekts »e4ships« zu hören ist, hat die in der Tognum-Gruppe für die Brennstoffzellen zuständige Gesellschaft, die »MTU Onsite Energy GmbH« in Ottobrunn, sich bereits seit Mitte des Jahres 2010 aus allen Bereichen des Projektes zurückgezogen. Insofern überraschte die Meldung vom 29. Dezember die Insider nicht. Überraschend an der Entscheidung von Tognum ist für die Branche wohl nur das Motiv; denn wie ebenfalls aus Projektkreisen zu hören ist, haben gerade die Ergebnisse der letzten Monate eine deutliche Verbesserung der spezifischen Werte der Brennstoffzellen erwarten lassen. Darüber hinaus fragt man sich, ob die von Tognum für die Abwicklung des Geschäftes mit Brennstoffzellen im Jahresabschluss 2010 vorgesehenen Rückstellungen in Höhe von 20 Mio. € nicht besser für die Weiterentwicklung hätten genutzt werden können.

Die »Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie GmbH«, kurz NOW, verhehlt nicht ihre Enttäuschung über den Schritt von Tognum / MTU und nennt für die eingetretene Verzögerung im Projektablauf sechs bis neun Monate. Weitergehen soll das Leuchtturmprojekt mit neuen Partnern, über die in den ersten Wochen des Jahres 2011 eine Entscheidung fallen soll. Die Industrie hat termingerecht die Anträge für die Fördermittel bei der NOW eingereicht. Für die weitere Brennstoffzellenentwicklung stehen vier neue Anbieter im Raum, über deren Erfahrung und Kompetenz noch nichts bekannt wurde. Klar ist nur, dass keiner der neuen Anbieter über Brennstoffzellen mit einer Leistung verfügt, wie sie von MTU angeboten waren. Das bedeutet umfassende Neuentwicklungen mit weiteren zeitlichen Verzögerungen. Die NOW bemerkt dazu, dass zurzeit keine geeignete »Hardware« zur Verfügung steht und man daher den neuen Anbietern (Konsortien) eine Chance geben müsse, die benötigten Produkte zu entwickeln.

Im Kern geht es dabei um Hochtemperaturbrennstoffzellen hoher Leistung, die für den Einsatz auf Passagierschiffen (Meyer Werft) sowie auf Yachten und Marineschiffen (Blohm + Voss) zum Einsatz kommen können. Niedertemperaturbrennstoffzellen spielen gegenwärtig eine untergeordnete Rolle, da das von Beluga Shipping eingebrachte Fährschiffprojekt Mitte 2010 aufgegeben wurde.

Die Reederei Beluga Shipping hat sich ebenfalls Mitte 2010 aus dem Leuchtturmprojekt zurückgezogen und wird das in Aussicht genommene Fährschiff für den Inseldienst zwischen Neuharlingersiel und Spiekeroog zunächst nicht realisieren. Für dieses Projekt waren mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen von Proton Motor vorgesehen. Beluga hält die BZ-Technik nicht für so ausgereift, dass damit kommerzielle Dienstleistungen zu erbringen sind. Insoweit stimmt das Unternehmen mit Tognum / MTU überein. Beluga bleibt dem Leuchtturmprojekt, wie es in Bremen offiziell heißt, über sein »Center of Maritime Research« in Elsfleth beratend verbunden.

Da für die anderen Teilprojekte mehr Zeit und auch Geld benötigt wird, geht man in Kreisen der Industrie davon aus, dass die mit dem Verzicht von Beluga frei werdenden Mittel auf die anderen Teilprojekte umgeleitet werden. Das wäre auch insofern nötig, als die Komponenten dieser Projekte, wie sich gezeigt hat, in mehreren Stufen entwickelt werden müssen und die angestrebte Leistung gegenwärtig noch nicht erreicht ist.
Hans-Jürgen Reuß