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Vom 2. bis 4. Mai 2011 findet die 10th International Conference on Computer and IT Applications in the Maritime Industries (COMPIT) in Berlin statt. Die große internationale Besetzung, wieder mit erfreulich starker deutscher Beteiligung, und die Themen, auf die wir nachfolgend eine kurze Vorschau geben, lassen wieder auf eine bemerkenswerte Veranstaltung zur Entwicklung maritimer Technik hoffen.

Seit dem Jahr 2000 hat sich die COMPIT als hochrangige Konferenz etabliert, die Entwickler und Anwender von Software zum Entwurf[ds_preview], zur Produktion und zum Betrieb von Schiffen zusammenbringt. Fast schon nebenbei dient die COMPIT dabei als Kontaktbörse für Mitarbeiterrekrutierung und Plattform zur Vorbereitung und Verbreitung von internationalen Forschungsvorhaben. Mehr als 60 % Industriebeteiligung unterstreichen die Praxisnähe der Veranstaltung.

Die COMPIT behandelt moderne Anwendungen der Informationstechnologie (IT) über den Lebenszyklus des Schiffes, vom Entwurf bis zum Betrieb. Aus zahlreichen eingereichten Vorschlägen wurden gut 50 Beiträge angenommen zur Präsentation. Für unsere Leser stellt der Organisator Prof. Dr.-Ing. Volker Bertram anhand einiger Beiträge die generellen IT-Trends in maritimen Anwendungen dar. Die Haupt­trends sind dabei:

• Produktdatenmodelle (PDM) wachsen in ihrer Bedeutung. Sie integrieren mehr Daten und Anwendungen und werden über längere Phasen im Lebenszyklus des Schiffes eingesetzt. Technische Lösungen für damit zusammenhängende Probleme, insbesondere den Schutz des geistigen Eigentums, kristallisieren sich langsam heraus.

• Simulationen werden immer früher im Entwurf eingesetzt, nicht zuletzt dank (fast) automatischer Modellerstellung. Anwendungsbreite und Reife der Simulationen nehmen weiterhin zu.

• Integrierte Entwurfsumgebungen werden weiter ausgebaut, durch weitere Applikationen (Einbau bzw. Kopplung von Simulationssoftware) und formeller Optimierung.

• Energie-Effizienz und Emissionen sind Themen, zu denen neue Software-Lösungen angeboten werden, sowohl im Entwurf wie im Betrieb von Schiffen.

• Das Internet nimmt einen immer stärkeren Raum ein, auch in unserer Arbeit. »Social Computing«, d. h. der Austausch von Information und Wissen in mehr oder weniger losen Teams, wird jetzt auch von namhaften Anbietern schiffbaulicher Software unterstützt.

• Maritime Roboter werden autonomer. Fortschritte in individueller Intelligenz und Teamfähigkeit (Schwarm-Roboter) eröffnen neue Anwendungen bei Besichtigungs-, Reinigungs- und Suchaufgaben, in Meerestechnik, Ozeanographie und Marine-Anwendungen.

Schiffbau ist ohne Computer nicht mehr vorstellbar. Informationstechnik (IT) begleitet das Schiff vom Vorentwurf über die Konstruktion bis zur Fertigung. Zunehmend wird auf Simulation statt grober Schätzung oder Bauchgefühl gesetzt. Die Besten verknüpfen dabei intelligent Erfahrung mit modernen Werkzeugen. Im frühen Entwurf werden sehr schnelle Abschätzungen benötigt, da noch wenig Information vorliegt und viele mögliche Lösungen durchgespielt werden müssen. Später wird im detaillierten Entwurf und in der Konstruktion hohe Genauigkeit gefordert, wobei allerdings auch viel mehr Information vorliegt. Von daher erscheint es nur logisch, dass sich im Laufe der Zeit verschiedene CAD-Lösungen für die unterschiedlichen Phasen herauskristallisiert haben. Die effiziente Weitergabe von Information zwischen den Insellösungen der einzelnen Phasen ist ein Problem, das fast so alt ist wie der Einsatz von CAD im Schiffbau. Es gibt hier im Prinzip zwei Ansätze: (1) Man versucht, den Übergang vom Vorentwurf zu detailliertem Entwurf möglichst reibungsfrei zu gestalten, indem z. B. 2d-Modelle aus dem Vorentwurf »intelligent« weitgehend automatisch in 3d-Modelle für den detaillierten Entwurf verwandelt werden, wobei der Daten-Export/Import über genormte Formate läuft. (2) Man konsolidiert das Software-Portfolio und eine Software unterstützt beide Phasen, z. B. indem 3d-Modelle weitgehend automatisch erzeugt werden, was die Hemmschwelle senkt, bereits von Anfang an 3d-Modelle einzusetzen. Oder man benutzt integrierte Entwurfsumgebungen, die zwar 2d- und 3d-Modelle zu unterschiedlichen Phasen einsetzen, aber intern den Datenaustausch »reibungslos« geregelt haben.

Im Laufe der Zeit hat sich CAD (Computer Aided Design) vom bloßen technischen Zeichnen am Computer zur zentralen Entwurfsplattform entwickelt. Damit verbunden ist der Trend, immer früher im Entwurf 3d-Modelle der Stahlstruktur und der Ausrüstung einzusetzen, die Ausgangsbasis für vielfältige Simulationen sind. Den Modellen werden neben der reinen Geometrie noch weitere Daten zugeordnet, wie Material, Toleranzen, Lieferanten, etc. Derartige Produktdatenmodelle (PDM) sind inzwischen Stand der Technik im maritimen CAD. Sie unterstützen den generellen Trend hin zu verteilter, paralleler Arbeit mit häufigen Änderungen, wobei zunehmend über das Internet Information zwischen den Partnern ausgetauscht werden muss. Alle namhaften Anbieter maritimer CAD-Software unterstützen diese Trends und präsentieren auf der COMPIT ihre neuesten Entwicklungen. Allerdings wird das Potential von PDMs bei weitem noch nicht voll ausgeschöpft. So werden die Produktdatenmodelle (außer bei der Marine in einigen Ländern) noch nicht durchgehend vom Entwurf bis zum Betrieb benutzt. Die Vision eines durchgängigen Produktdatenmodells ist bislang nur in Ansätzen (z. B. in einigen Anwendungen der Klassifikationsgesellschaften) verwirklicht, aber Gegenstand vielfältiger Aktivitäten. Ein wesentlicher Hemmschuh für eine Ausweitung der Nutzung von PDMs zwischen Werften und Reedern ist der Schutz des geistigen Eigentums. Keine Werft möchte, dass ein Reeder ein Schiff kauft, sämtliche Informationen erhält und dann »Raubkopien« billig in China bauen lässt. Hier darf man aber optimistisch sein, dass sich Lösungen finden, um das Know-how der Entwickler zu schützen und trotzdem zu einem wahren «Life-Cycle Management« von Schiffen zu kommen. Rikard Mikalsen (University of Newcastle) beleuchtet Probleme und Lösungsansätze in »Patent Protection of Software-Based Inventions in the Maritime Industry«. Der Beitrag schaut zunächst darauf, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit software-basierte Innovationen in der maritimen Industrie ein Patent erhalten können und welche relevanten Vorschriften dabei zu berücksichtigen sind, insbesondere welche Innovationen generell nicht patentfähig sind. Danach werden alternative Schutzstrategien für solche Innovationen diskutiert. Der Beitrag geht dabei auf landseitig eingesetzte Software (Entwurf, maritime Logistik) und bordseitig eingesetzte Systeme (Energiemanagement, Maschinenwartung) ein. Vor- und Nachteile von Patenten und anderen Schutzstrategien (wie Betriebsgeheimnisse) werden für unterschiedliche Fälle diskutiert.

Nick Danese (NDAR) legt den Finger in eine Wunde, indem er ausführt, dass bis heute Programme und damit durchgeführte Anwendungen (Berechnungen, CAD, Projektmanagement, Planung, Schiffsmanagement, Flottenmanagement) ein informationstechnisches Inseldasein fristen. Vorhandene Information wird nicht schnell und einfach ausgetauscht. Die Folgen sind Duplizierung von Daten, Fehler und ineffiziente Prozesse. »CAD Centric, Multi-­Source Data and Information Management« erläutert seine Vision für unsere Industrie, wobei er aufzeigt, was bereits heute möglich ist, indem man die auf dem Markt befindlichen »low-tech«-Technologien geschickt ausnutzt. In »Driving the Adoption of Cutting Edge Technology in Shipbuilding«, diskutieren Larkins und Morais (ShipConstructor Software), wie verschiedene neue Technologien (dazu gehören Cloud Computing, papierlose Produktion, Virtual Reality, Laser-Scanning, und Digital Prototyping) in anderen Industrien eingesetzt werden, warum sie vergleichsweise langsam Eingang in der maritimen Industrie finden und mit welchen Strategien man ihre sinnvolle Einführung beschleunigen könnte. Penas and Gonzalez (SENER) sprechen ein Schlüsselproblem von PDMs an in ihrem Beitrag »Integration of DB Oriented CAD Systems with Product Lifecycle Management«, nämlich den Datenaustausch zwischen Softwaresys­temen zum Product Lifecycle Management (PLM). In ihrem Ansatz ermöglicht eine neutrale Schnittstelle den Austausch von Dokumenten, einschließlich aller Daten und der 3d-CAD-Modelldarstellung. Dabei wird weitgehend auf etablierte Standards wie XML (extensible mark-up language) zurückgegriffen.

»Social Computing« mag für viele Leser ein neuer Begriff sein. Facebook oder Wikipedia werden dagegen den meisten zumindest vom Hören vertraut sein. »Social Computing» bezeichnet den Einsatz von Computern (insbesondere des Internets) zur Unterstützung des Austauschs von Information, insbesondere auch innerhalb von Fachgruppen oder Teams, die auch betriebsübergreifend zusammenarbeiten. Social Computing hat sich rasant, teilweise besorgniserregend, in unserem Privatleben ausgebreitet. Jetzt setzen auch Unternehmen Social Computing ein, um Lernprozesse und Informationsaustausch in der Arbeit zu beschleunigen. Schiffbau und Schiffsbetrieb sind fundamentale Aktivitäten, die nur durch Teamwork im großen Stil möglich sind. David Thomson von AVEVA gibt uns eine gute Einführung in Social Computing in seinem Beitrag »The Role of Social Computing in Shipbuilding«. Durch Parallelen zu Anwendungen aus der Medienwelt und dem Privatleben zeigt er, in welchem Kontext uns Social Computing in unserer Arbeit unterstützen wird. Dabei streicht er zwei wesentliche Vorteile von Social Computing heraus, nämlich den schnelleren Wissensaustausch durch soziale Netzwerke und Wissensabsicherung, die durch Kombination von PLM-Systemen und Social Computing in integrierten CAD-Systemen der Zukunft unterstützt werden. Ob der Computer aber wirklich den traditionellen Küstenklatsch in Puncto Schnelligkeit schlagen kann, wird auf der COMPIT zu diskutieren sein.

Ein Team ist klüger. Das gilt auch bei der Software. Zunehmend werden Einzelanwendungen kombiniert. Die Kombination mehrerer Verfahren öffnet häufig die Tür zu neuen oder leistungsfähigeren Anwendungen.

Harries et al. (Friendship Systems, SSPA Sweden, Formation Design Systems) beschreiben in »Numerical Hull Series for Calm Water and Seakeeping«, wie komplex und aufwändige Simulationen in so genannten Metamodellen für schnelle Entwurfsanwendungen kondensiert werden können. Traditionell haben Entwerfer auf Vergleichsschiffe, statistische Regressionsformeln und systematische Schiffsserien (z. B. Series 60) zurückgegriffen. Die systematischen Serien sind allesamt hoffnungslos veraltet. Heute können aber maßgeschneiderte Serien virtuell im »numerischen Schlepptank« getestet werden. In parametrischen Modellen werden dabei die relevanten Parameter variiert und per CFD (computational fluid dynamics) ausgewertet. So kann für einen bestimmten Schiffstyp einmal aufwändig eine Wissensbasis erzeugt werden, in der dann später im eigentlichen Projekt blitzschnell interpoliert werden kann und der Entwerfer auch ein Gespür für den Einfluss der Parameter auf den Entwurf bekommt. Der Ansatz wird anhand einer Megayacht-Familie illustriert. Hess (Naval Surface Warfare Center) und Faller (Applied Simulation Technologies) kombinieren ebenfalls verschiedene Techniken in »Ensuring Stability in Synergistic Computing: Combining Flow Simulations and Neural Nets to Predict Maneuvering«. Der Ausdruck »Synergistic Computing« bezeichnet die Kombination verschiedener Berechnungsver-

fahren mit unterschiedlichen Stärken, wobei in Summe mehr rauskommt, eben Synergien ausgenutzt werden. In diesem Fall wird ein schnelles hydrodynamisches Simulationsverfahren zur Vorhersage des Manövrierens von U-Booten (auf Basis einer nichtviskosen Methode) durch neuronale Netze ergänzt, um zu genaueren Vorhersagen zu kommen. Die neuronalen Netze lernen dabei, die Differenz zwischen den einfach berechneten und den tatsächlich gemessenen Kräften auf Grundlage von mehreren Messfahrten vorherzusagen. Danach können dann beliebige andere Manöver durch einfache Berechnung (nichtviskoses Rechenverfahren) und einfache Korrektur (neuronales Netz) deutlich genauer vorhergesagt werden.

Entscheidungen in Entwurf, Fertigung und Betrieb von Schiffen werden zunehmend auf Simulationen abgestützt. So hat sich eine breite Palette von mehr oder weniger anspruchsvollen Simulationsmethoden entwickelt. Ein Schlüsselproblem für alle Simulationen ist die schnelle und kostengünstige Modellentwicklung. Diese ist meist wesentlich für Antwortzeiten und Kosten. Im Idealfall wird das Rechenmodell auf Knopfdruck automatisch erzeugt, was benutzerfreundliche Integration in Entwurfssysteme sowie formelle Optimierungsanwendungen ermöglicht. Finite-Element-Analysen (FEA) werden jetzt auch schon sehr früh im Entwurf eingesetzt. ­Dies ist nur möglich dank des Fortschritts in der Rechenleistung der Computer und intelligenterer Modellierungsalgorithmen, die frühere manuelle Schritte automatisiert haben. Korbetis und Georgoulas (BETA CAE) stellen schnelles Pre- und Post-Processing für eine breite Palette von schiffbaulichen Anwendungen in ihrem Beitrag »Introducing Highly Efficient CAE Pre- and Post-Processing Solutions in Maritime Design« vor. Die robusten und hoch automatisierten Abläufe dürften dabei vor allem für Industrieanwendungen attraktiv sein.

Seit Anfang an hat die Simulation von Fertigungsabläufen und verwandten Anwendungen (z. B. im Hafenbetrieb und bei der Simulation von Menschenströmen) bei der COMPIT einen festen Platz. Im Jahr 2000 bei der ersten COMPIT war »Discrete Event Simulation« (DES) für die meisten noch ein Buch mit sieben Siegeln. Inzwischen hat sich diese Simulationstechnik bei vielen modernen Werften etabliert, wobei der Trend sowohl zu einer breiteren Anwendung wie zu anspruchsvollerer Simulation ungebrochen ist. Inzwischen richtet sich auch hier der Fokus auf schnellere und preiswertere Modellerstellung durch intelligente (Teil-)Automatisierung der Modellierung, sowie leichteren Import bestehender Information aus anderen Modellen. Thomas Koch (Atlantec Enterprise Solution) behandelt genau diese Thematik in seinem Beitrag »Simulating the Production of Future Marine Products«.

Für viele potentielle Neueinsteiger in der Praxis sind der Modellierungsaufwand und die erforderliche Erfahrung wesentliche Hemmschwellen. Koch beschreibt jetzt einen branchen-orientierten und wissensbasierten Ansatz, um DES-Modelle »schmerzfrei« zu erstellen, wobei Objekte aus der echten Fertigungsstrasse für Ingenieure und Planer mit »Wiedererkennungswert« abgebildet werden. Dirk Steinhauer (FSG) ist den Eingeweihten als Papst bei den schiffbaulichen DES-Anwendungen in Deutschland bekannt. In seinem Beitrag »The Simulation Toolkit Shipbuilding« schaut Steinhauer auf 10 Jahre Entwicklungen zur schnellen Modellerstellung bei DES-Simulationen auf seiner Werft zurück. Die »Toolbox« der FSG enthält dabei diverse Werkzeuge (Makros) für den Materialfluss, Modellmanagement und Kontrolle des Simulationslaufs. Die Anwendungen gehen dabei inzwischen weit über die ursprüngliche Fertigungsplanung im Stahlbau hinaus. Caprace et al. (ANAST und COPPE) kombinieren DES, Optimierung und Virtual Reality, um die Planung der Block-Fertigung auf einer Werft zu verbessern. »Discrete Event Production Simulation and Optimisation of Ship Block Erection Process« zeigt, wie Simulationen und Virtual Reality zu mehr Wirtschaftlichkeit durch bessere Arbeitsvorbereitung führen können. Die Kombination der Techniken führte zu signifikanten Steigerungen in der Produktivität. Lödding et al. (TU Hamburg-Harburg) setzen ebenfalls Virtual Reality in der Schiffsfertigung ein. In »Virtual Reality Supported Assembly Planning in the Shipbuilding Industry« beschreiben sie, wie Fertigungsinformation (z. B. über Verspätungen bei der Bauteilzulieferung) und Virtual Reality in modernen Werften verknüpft werden, um effizient die Bauteil-Fertigung neu zu planen. Mesing et al. (Fraunhofer IGD) kombinieren DES und Virtual Reality in ihrem Beitrag »Evaluating Evacuation Simulation Results in a Virtual Reality Environment«. Durch die Verknüpfung von 2d-Simulationen mit 3d-Daten des Schiffes gelingt ein besseres Verständnis, warum es bei der Evakuierung von Passagieren an kritischen Stellen im Schiff zu Engpässen kommt. Dadurch eröffnet sich dann früh im Entwurf die Möglichkeit, gezielt das Design zu verändern. In der Simulation kann der Betrachter dabei die Perspektive eines Passagiers einnehmen und diesen eigenhändig durch das Schiff steuern.

Optimierung scheint generell ein Dauerbrenner bei der COMPIT zu sein. Dabei gibt es einerseits immer noch Fortschritte bei den eigentlichen Optimierungstechniken, andererseits werden die Anwendungen zunehmend aufwändiger und realistischer. Bei den Methoden haben sich evolutionäre Algorithmen durchgesetzt. Neben den inzwischen schon »klassischen« genetischen Algorithmen kommen auch Schwarm-Algorithmen zum Einsatz. Schwarm-Algorithmen simulieren Strategien von Bienen- oder Ameisenschwärmen, sind ähnlich robust wie genetische Algorithmen, aber effizienter auf Parallelrechnern. Steigende Treibstoffkosten haben die Weiterentwicklung hydrodynamischer Optimierungen für Rumpf und Propeller stimuliert. Unter dem Schlagwort »Numerischer Schlepptank« werden Strömungs-

simulationen um Schiffe und Propeller zusammengefasst, die als Alternative zu Schlepptank und Windtunnel an Bedeutung gewinnen. CFD (computational fluid dynamics = numerische Strömungsmechanik) ist inzwischen eine ernst zu nehmende Alternative zu Modellversuchen. Peric (CD-Adapco) und Bertram (FutureShip) zeigen in ihrem Überblicksvortrag »Trends in Industry Applications of CFD for Maritime Flows«, wie sich CFD in den letzten zehn Jahren entwickelt hat, was heute Stand der Technik ist und was bereits in Forschungsvorhaben verwirklicht wird, dies alles mit Bezug auf Schiffbau und Offshore-Industrie. Der Fortschritt ist dabei vor allem in der Prozesskette beachtlich, insbesondere bei weitgehend automatisierter Modellerstellung. Leistungsfähigere Rechner und Fortschritte in den Algorithmen insbesondere für zeitlich veränderliche Strömungen erlauben sehr realistische Simulationen für komplexe Anwendungen. Die wachsende Bedeutung von CFD, besonders im frühen Entwurf, wird anhand vieler Praxisbeispiele illustriert. Interessanterweise ist der Fortschritt in benutzerfreundlichen Entwurfsumgebungen wichtiger für die Praxis als Details in den eigentlichen Strömungssimulationen, wie zum Beispiel bessere Turbulenzmodellierung. Platteeuw und Croonenborghs benutzen in »An Industrial Case Study in Formal Resistance Optimization« das Friendship-Framework, um automatische Netzgenerierung, CFD-Analysen und Optimierung unter praktischen Randbedingungen in einem Projekt zusammenzubringen. Harries et al. (Friendship Systems, Germanischer Lloyd, NTUA) zeigen eine ähnliche Entwurfsanwendung in »An Integrated Approach for Simulation in the Early Ship Design of a Tanker«. Huuva und Pettersson (Berg Propulsion) zeigen in »Optimization for Improved Propulsive Efficiency and Increased Bollard Pull«, wie die Zulieferindustrie inzwischen auch auf Optimierung zurückgreift, in diesem Fall für ummantelte Propeller. Für niedrige Geschwindigkeiten (zum Beispiel beim Schleppen oder beim Ankerversetzen) erhöht die Düse dabei den Schub der Propulsionsanlage. Berg Propulsion setzt jetzt CFD in der formellen Optimierung ein, um Pfahlzug und Freifahrtverhalten zu verbessern. Clemens Koechert von den Nordic Yards zeigt eine ganz andere, aber ebenso spannende Optimierungsanwendung in seinem Beitrag »Noise Limits in Harbour – A Method to Optimise the Noise Emission of Vessel’s Ventilation Systems«. Die Lärmschutzanforderungen in Häfen verschärfen sich. Dies führt zu entsprechenden strengeren Vorgaben in den Bauspezifikationen, besonders für die Lüftungssysteme auf RoRo- und RoPax-Fähren. Koechert kombiniert nun Optimierungsalgorithmen und Schallprognose in einem IT-Werkzeug für den Entwurf.

Auch den Schiffsbetrieb hat der Computer revolutioniert. Hier hat es in jüngerer Zeit einige spannende Entwicklungen gegeben, um Kosten für Treibstoff, Crew und Wartung (bzw. Ausfallzeiten) zu verringern, ohne Abstriche bei der Sicherheit zu machen. Dabei spielt IT fast immer eine zentrale Rolle. Ein generelles Problem ist, dass moderne Schiffe eine Flut von Daten für verschiedene Spezialanwendungen produzieren. Hier sind inzwischen auch Computer gefragt, um die Datenflut anderer Computer zu verwalten und intelligent für uns zu filtern. Mit »Fleet-wide Operational Reporting – Performance and Environment«, stellen Ignatius et al. (Onboard-Napa) Wege vor, wie Borddaten (Logbuch-Daten, Treibstoffverbrauch, Emissionsdaten) zusammengeführt werden können und wie diese sinnvoll eingesetzt werden in Optimierungen, Controlling und anderen Anwendungen. Bruns et al. (FSG shipyard) stellen ein Software-Produkt der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft vor: »FSG EcoPilot – An Onboard Tool for Fuel Efficient Speed Profile Selection«. Aufbauend auf ihrer umfangreichen Simulationserfahrung im Schiffsentwurf hat die FSG ein interaktives Tool für den Bordbetrieb entwickelt. Für eine gegebene Route empfiehlt die Software dann ein Geschwindigkeitsprofil, unter Berücksichtigung der wechselnden Wassertiefen, der Wettervorhersage und des Fahrplans.

Zustandsbasierte Wartung (»Condition Based Maintenance» = CBM) ist ein weiterer Trend in unserer Industrie, sei es für Stahlstrukturen oder für Maschinen an Bord. Auf diesem Feld sind traditionell die Klassifikationsgesellschaften lange involviert, da sie immer wieder den Zustand von Schiffen und Anlagen begutachten müssen. 3d-Produktdatenmodelle könnten hier Prozesse wirtschaftlicher und schneller machen. Wie beeinflussen zum Beispiel unterschiedlich abrostende Bauteile die Sicherheit des Schiffs als Ganzes? Ohne Detailanalysen kann man dies sicher nicht beantworten. In »Hull Structure Assessment for Operating Ships« beschreiben Wilken et al. (Germanischer Lloyd) Entwicklungen zur Festigkeitsanalyse während des Lebenszyklus von Schiffen auf der Basis von 3d-PDMs, Dickenmessungsdaten und Finte-Element-Analysen. Der Datenaustausch zwischen verschiedenen Anwendungen ist dabei keinesfalls trivial, da unterschiedliche Anwendungen sich in Anforderungen an die Modelle und Detailgrad unterscheiden. Neben 3d-PDMs, werden wohl auch Roboter zunehmend eine Schlüsselrolle bei CBM für Schiffe spielen, zum Beispiel in der Besichtigung und beim Reinigen des Rumpfs von Bewuchs.

Christensen (DFKI) und Fischer (BALance) geben ein Beispiel mit ihrem Beitrag »Cost Effective Autonomous Robots for Ballast Water Tank Inspection«. Sie stellen das Konzept eines autonomen 3d-Roboters zur Besichtigung und Wartung von engen Ballasttanks vor. Zwar gibt es Techniken für Roboter, die auf Stahlplatten gehen oder klettern können, aber in Ballasttanks gibt es Probleme mit ausreichend zuverlässigem Halt. ­Dies liegt an den Rückständen auf den Wänden, aber auch an Begrenzungen in der Stromversorgung und den engen räumlichen Verhältnissen. Das jetzt vorgestellte Konzept benutzt eine einfache rostfreie Schiene, um einen Roboter zu führen. Dies erlaubt relativ kleine Roboter (bei gegebener Nutzlast) und auch Über-Kopf-Betrieb.


Prof. Dr.-Ing. Volker Bertram