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Konkurrenten nutzen Liquidiation des KV-Operateurs für Einstieg in neue Routen

Im kombinierten Verkehr (KV) Schiene-Straße werden die Karten neu verteilt: Nach dem Beschluss zur Liquidation des Kombi-Operateurs Intercontainer[ds_preview]-Interfrigo (ICF) mussten sich große namhafte Bahnbetreiber nicht lange zu Übernahmeangeboten bitten lassen. Innerhalb von sechs Wochen ist das gesamte Beförderungsnetz des schweizerischen Operateurs zerlegt und aufgeteilt worden.

Das 1967 von europäischen Bahngesellschaften als Genossenschaft gegründete und später in eine Aktiengesellschaft überführte Unternehmen konzentrierte sich seit einer strategischen Ausrichtung vor einigen Jahren auf Güterverkehre zwischen der Schweiz bzw. Österreich und den Nordseehäfen, Langstreckenverkehre mit Ost- und Südosteuropa sowie den Containerverkehr mit den GUS-Staaten. Je nach Fahrtgebiet lag der Schwerpunkt eher auf Seecontainern oder Ladeeinheiten für den Straßenverkehr wie Sattelaufliegern und Wechselbrücken. Das Verkehrsvolumen teilte sich in etwa zur Hälfte in Seehafenverkehre und in reine Festlandverkehre auf. ICF disponierte zuletzt 145 Ganzzüge pro Woche in Europa, wobei Betrieb und Marketing in die Geschäftseinheiten West, Ost und GUS gegliedert waren.

Die Westverkehre werden per 31. Januar von dem privaten österreichischen Operateur IMS-Intermove Systems Speditions- und Transport GmbH übernommen. Dabei handelt es sich um die folgenden volumenstarken Seehafen-Routen: Hamburg–Frenkendorf / Rekingen (Schweiz), Bremerhaven–Renkendorf / Rekingen, Hamburg–

Wolfurt (Österreich), Bremerhaven–Wolfurt, Rotterdam–Wolfurt, Rotterdam–Schweiz. Da ICF das Operating der Relationen bis 30. Januar anbiete, könne den Kunden ein nahtloser Serviceübergang gewährleistet werden, sagte Wolfgang Tomassovich, Vorstandschef von IMS. Für den Betrieb der Linien werde noch eine Tochtergesellschaft in der Schweiz gegründet. Der österreichische Betreiber, der mit rund 50 Mitarbeitern in Österreich, Deutschland, der Slowakei und Polen zuletzt 120.000 TEU pro Jahr auf der Schiene beförderte, stockt sein Personal durch Übernahme eines rund 20-köpfigen Teams von ICF auf. Ihre Transportvolumina könnten die Österreicher damit auf einen Schlag mehr als verdoppeln; dem Vernehmen nach beförderte ICF auf den West-Routen bislang ca. 150.000 teu pro Jahr. Die Preisvorstellungen der Eigentümer sollen bei 8 Mio. € gelegen haben. IMS selbst wollte zum Übernahmepreis keine Angaben machen.

ICF wollte die maritimen Verkehre zwischen der Schweiz und den Nordseehäfen unbedingt im Block verkaufen. Allerdings wird bereits darüber spekuliert, dass die neuen Eigentümer bestimmte Routen nach der Übernahme weiterverkaufen könnten. Einige Mitbewerber, die es nur auf die Westhafenverkehre mit der Schweiz abgesehen hatten, sollen bereits auf IMS zugegangen sein, um über die Aufteilung des Geschäfts zu reden.

Neuer Betreiber der ICF-Container-Blockzugdienste zwischen Deutschland und den GUS-Staaten sowie der Mongolei ist Trans Eurasia Logistics (TEL) – die 2008 gegründete Gemeinschaftsfirma der Deutschen Bahn und der russischen Bahn RZD. Die Blockzugangebote unter der Marke »Ostwind« werden zusammen mit dem bisherigen ICF-Partner IRS InterRail Services vermarktet, der noch andere durchgehende Verkehre von Deutschland nach Russland in Zusammenarbeit mit Polzug und Kombiverkehr anbietet. Für den Hauptlauf des »Ostwind« ab Berlin-Großbeeren werden Feederverkehre von zwölf deutschen Containerbahnhöfen sowie von Antwerpen und Rotterdam angeboten. Ab Berlin-Großbeeren werden mindestens zwei Abfahrten pro Woche angeboten. In den GUS-Staaten werden unter anderem die Stationen Moskau, Baku und Wladiwostok bedient. Ergänzt wird das Angebot durch direkte Containerzüge der TEL zwischen Duisburg und Moskau. Die Transportroute verläuft über Frankfurt (Oder)–Malaszewicze /Brest–Bekassovo in die GUS. Hauptmagistrale im Verkehr mit dem Fernen Osten, der Mongolei und China ist die Transsibirienroute Moskau–Wladiwostok.

Bereits im Dezember hatte sich der belgische Operateur Inter Ferry Boats (IFB) – Tochter der beglischen Güterbahn SNCB Logistics – das Südosteuropageschäft (Business Unit East) von ICF gesichert. Dabei handelt es sich um Verbindungen von den Westhäfen über Deutschland (Neuss, Mannheim / Ludwigshafen) weiter nach Ungarn, Rumänien und in die Türkei. IFB übernimmt nach eigenen Angaben rund 30 ICF-Mitarbeiter, nutzt die von ICF angemieteten Trassen und mietet deren Waggons und Büros. Wöchentlich sollen rund 40 Züge und ein Volumen von ca. 2.000 TEU gefahren werden. IFB bietet bereits maritime Verkehre von und zu den Seehäfen Antwerpen, Seebrügge und Rotterdam sowie reine Landfrachtverkehre zwischen Belgien und Spanien, Frankreich, Italien und Rumänien an. Dieses Jahr sollen noch weitere Angebote eingeführt werden, heißt es bei IFB.

Das letzte große Stück im ICF-Puzzle sind die seit 1993 von der Tochter Intercontainer Scandinavia betriebenen Skandinavienverkehre. Alle Aktien der Gesellschaft mit Hauptsitz in Göteborg wurden im Dezember von dem Investor Medströms Invest AB übernommen. Das Netz dort umfasst 49 wöchentliche Verbindungen zwischen zehn Terminals in Süd- und Mittelschweden sowie Anschlussverbindungen nach Deutschland. Alle sechs Mitarbeiter von Intercontainer Scandinavia werden unter dem neuen Eigentümer weiterbeschäftigt, wie es heißt. Medströms will angeblich in den Ausbau des Netzwerks investieren, um die Firma in ein paar Jahren profitabel verkaufen zu können.

Die Liquidation von ICF war Ende November 2010 auf einer Aktionärsversammlung beschlossen worden. Damit verabschieden sich die 25 Gesellschafter der Firma von der Idee einer gemeinsamen Vermarktung von Containertransporten auf der Schiene. Der Niedergang von ICF hatte aber bereits vor etlichen Jahren begonnen. In der Anfangsphase, als die nationalen Bahnnetze noch stärker getrennt waren, hatte ICF volle Rückendeckung seiner Anteilseigner für die internationalen KV-Verkehre. Die Bahngesellschaften, denen ICF gehört, konzentrierten sich mit ihren eigenen KV-Angeboten auf Verkehre innerhalb der nationalen Grenzen. In Folge der Bahnliberalisierung in Europa kamen die nationalen Bahntöchter aber auf den Geschmack, eigene grenzüberschreitende Container-Bahnverkehre aufzubauen – und damit ICF ins Gehege