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Die penible Steuermannskunst latenter Manipulation ist nicht mehr gefragt und verblieben ist die Projektion einer Wirklichkeit, die dem Manipulator als einziges den Selbstmord belässt. Mit dieser Umschreibung des Theaterstückes »Change« von Wolfgang Bauer aus dem Ende der 1960er Jahre kann man die Verhaltensmuster deutscher Banken und die Entwicklung der letzten zwei Jahre in der Schifffahrt am besten umschreiben.

Der »Ölprinz», abgeleitet aus seiner Frisur, ist von der Bühne abgetreten, aber scheinbar sitzen auch andere Mitarbeiter des »Größten« Schiffsfinanzierers[ds_preview] der Welt nicht mehr an den Stellen, wo man sie vermutet. Ist ­dies der Umbruch einer ganzen Bank oder nur der Bruch von Aussagen und Verhaltensmaßregeln, die mir glaubhaft dargelegt wurden in einem persönlichen Gespräch bezüglich der Abbaubank, über das ich hier im letzten Jahr geschrieben habe.

Wahrscheinlich hat die Entwicklung der Märkte, insbesondere in der Containerschiff­fahrt, dazu beigetragen, die vorgegaukelte Vertragstreue, die ich in dem Artikel über die Abbaubank beschrieben habe, völlig in Vergessenheit geraten zu lassen. Anders ist nicht erklärbar, was beim größten Schiffsfinanzierer der Welt derzeit abgeht.

Portfolien, Engagements und Kredite entsprechend ihrer vertraglichen Bedingungen weiter laufen zu lassen und somit zu den eingegangenen Verpflichtungen zu stehen, war das klare Bekenntnis. Aber daran erinnert sich keiner mehr, wie auch, wenn sie alle weg sind? Mit solchen Aussagen versuchte die Bank, ihre Klientel, die in Bedrängnis war, zu beruhigen, aber was sind diese Aussagen heute noch wert? Soviel wie die oft zitierte Aussage unseres Altkanzlers Adenauer: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?

In exakter Anlehnung an diese Aussage sieht die heutige Realität leider aus. Man steht zwar zu den eingegangenen Verpflichtungen, betrachtet diese heute aber mit ganz anderen Augen. Dies wurde vielen Betroffenen aus dem Bereich der Schifffahrt sehr klar durch die Ausführungen von Björn Nullmeyer von der Bremer Landesbank, als er während des HANSA-Forums im November 2010 meinte: »Nach dem dritten Jahr sind weitere Tilgungsstundun­gen nur bei einer stark erhöhten Risikoeinstufung des Kredits mit entsprechend hoher Eigenkapitalhinterlegung seitens der Bank möglich.«

Keiner der anwesenden Banker anderer schiffsfinanzierender Banken fühlte sich genötigt, zu dieser Aussage irgendeinen Kommentar abzugeben. Im Gegenteil, zufriedenes selbstgefälliges »in die Runde schauen« begleitete diese Aussage. Natürlich gibt es kein ehernes Gesetz, das besagt, dass man nur für maximal zwei Jahre die Stundungen der Tilgungsleistungen gewähren darf, und ein diesbezügliches Lex Specialis gibt es auch nicht. Vielmehr scheint es sich um eine selbstdefinierte Schmerzgrenze zu handeln, und die Folgen sind in der Schifffahrt bereits zu spüren. Ein bisschen erinnert das an den Trivialspruch: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich! Interessanterweise fangen die schiffsfinanzierenden Banken an, einander ähnelnde Vorgehensweisen an den Tag zu legen, aber warum?

Genau diese Vorgehensweise ist es, die die Schifffahrt in unnötige Bedrängnis bringt – in einer Phase, in der dies absolut nicht notwendig wäre. Die Containerschifffahrt ist davon am stärksten betroffen, weil sie über Jahre hinweg das Segment mit der größten Anzahl von Schiffen im Kapitalanlagemarkt war. In einer Phase, in der sich dieses Marktsegment deutlich erholt und die Schiffsgesellschaften sich zusehends den Bereichen nähern, in denen wieder etwas Geld verdient wird und man sich über jeden zusätzlichen Dollar freut, der durch weiter steigende Charterraten im Markt erzielt werden kann, entwickeln sich die Banken in der Schifffahrt zu modernen »Raubrittern«. Im Mittelalter schritten die Landesherren ein, wenn das Treiben der Raubritter zu arg wurde, und zogen sie zur Rechenschaft. Hoffentlich kommt das wieder!

Die Art und Weise, wie die Banken mit der Schifffahrt derzeit umspringen, ist mehr als nur bedenklich. Da werden Margen, also genau die Beträge, an denen die Banken im Rahmen von Finanzierungszusagen verdienen, gnadenlos erhöht. Eine Verdreifachung dieser Margen auf mittlerweile 6 % sind keine Seltenheit und die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Schiffsgesellschaften sind verheerend. Wenn man sich ein Kreditengagement von z.B. 10 Mio. Dollar vorstellt, bedeutet eine Margenerhöhung von bisher 2,5 % auf 6 % eine Zinsverteuerung von TUSD 350 pro Jahr. Um eine solche Zinserhöhung aufzufangen, müsste die Schiffsgesellschaft ab Inkrafttreten der Margenerhöhung eine rd. 960 Dollar höhere Tagescharterrate erzielen, um den Schaden zu kompensieren. Die Charterraten sind zwar im Steigen begriffen, aber solche Sprünge machen sie auch nicht.

Welcher Sinn steckt dahinter? Will man mit diesen Kunstgriffen die Kundschaft zwingen, die Bank zu verlassen? Längst kursiert im Markt das Gerücht, die Mitarbeiter der Abbaubank erhielten für jeden »abservierten« Kunden, der die Abbaubank nicht länger belastet, eine Prämie. Überraschen würde es mich in diesem Prämiensystem der Banken nicht, wenn es so wäre.

Aber der Reigen des Abzockens unter dem Deckmantel der mangelnden Eigenkapitalhinterlegung ist gerade erst eröffnet worden. Die Selbstbedienungsmentalität der Banken scheint in ihrer Kreativität eine Eigendynamik angenommen zu haben, dass einem hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Schifffahrt angst und bange werden kann. Es werden Gebührenstrukturen geschaffen, die wir bislang nicht kannten. Dies rangiert dann unter dem Begriff der erhöhten Risikoeinstufung eines Kredites.

So wird zusätzlich zur üblichen Bearbeitungsgebühr eine jährliche Bereitstellungsgebühr von einem Prozent der zugesagten Kreditvolumina, auch des Kontokorrentes, in Rechnung gestellt. Für den Fall des Verkaufs eines Schiffes, bei termingerechter Rückführung der Kredite, wird eine Break-Up-Gebühr erhoben, egal ob eine Zinsbindung besteht oder nicht. Im Zusammenhang mit der Absicherung neuer oder auch bestehender Kredite, bei denen nachverhandelt wird, werden alle nur erdenklichen Sicherheiten abverlangt. Dies erstreckt sich bis hin zu sämtlichen Versicherungsansprüchen, die im Rahmen einer ganz normalen Absicherung eines Schiffes überhaupt entstehen können.

Aber in meinen Augen wird die Spitze damit erreicht, dass neue Kreditunterlagen mittlerweile von Anwaltskanzleien aufgesetzt werden und zur Unterschrift vorgelegt werden. Da Anwälte üblicherweise ihre Honorare für Vertragsausarbeitungen nach der Gebührenordnung der Anwälte (RVG) abrechnen und diese Gebührenordnung nicht gerade am Sozialsystem ausgerichtet ist, kommen hier weitere erhebliche Kosten beim Neuabschluss von Kreditverträgen auf die Schifffahrt zu. Das wirft die sarkastische Frage auf, wozu diese ganzen »Innendienstranger» dann eigentlich noch in der Bank sitzen? Wenn die Arbeitsleistung »outgesourct« ist, könnte man die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen aus den Krediten mit Computern überprüfen und Personal sparen.

Eine besondere Problematik hat sich aus der Umfinanzierung von Schiffshypotheken in eine andere Währung außerhalb des US-Dollars ergeben. Dazu wurden in der Vergangenheit aus Gründen einer deutlichen Zinsersparnis Wechsel in den Yen vorgenommen. Teiltranchen der in Dollar valutierenden Schiffshypotheken wurden in den Yen umgestellt. Die Darlehenstranche in Yen war nachrangig und auf mehrere Jahre festgeschrieben und es wurde nur verzinst, aber nicht getilgt. Solche Finanzierungsumstellungen waren bis in die Krise hinein üblich und ganz normales Bankgeschäft.

Allerdings hatten diese Währungsumstellungen einen Haken: die sogenannte 105-%-Klausel. Diese Klausel besagt, vereinfacht dargestellt, dass bei einem Währungswechsel eines Teils der Schiffshypothek, beispielsweise aus dem US-Dollar in den Yen, der Ursprungsbetrag der US-Dollarhypothek durch Veränderungen in dem Kursverhältnis zwischen Dollar und Yen nur bis zu maximal 105 % überschritten werden darf. Sollte sich der Währungskurs so schlecht entwickeln, dass der Ursprungsbetrag der konvertierten Dollarhypothek um 105 % überschritten wird, muss das Yen-Darlehen soweit getilgt werden, dass diese Grenze wieder eingehalten wird.

Dies ist durch die Marktentwicklung in den letzten Monaten, auch ausglöst durch die Weltwirtschaftskrise, der Fall gewesen, weil der Yen sich gegenüber dem US-Dollar deutlich verstärkt darstellt und die besagte 105-%-Klausel in vielen Fällen greift. Die Folge ist, dass die Bank eine Rückführung dieser Position verlangen kann, obwohl ­dies aus wirtschaftlichen Gegebenheiten heraus gar nicht notwendig wäre.

Auch in diesem speziellen Finanzierungsbereich gibt es eine ganz neue Vokabel für Gebühren, die man verlangt, damit die Bank bei der Verletzung der oben beschriebenen 105-%-Klausel stillhält. Diese Gebühr für den Verzicht auf die Geltendmachung der Klausel nennt sich »neudeutsch« Waiver Fee und beträgt wenigstens ein Prozent des den 100 % übersteigenden Betrages der 105 %. Diese Gebühr wird pro Quartal jeweils mit einem Prozent erhoben.

Eine besondere Bedeutung kommt dieser 105-%-Klausel allerdings zu durch ein außergewöhnliches Geschäftsgebaren, das die Schiffsfinanzierer in der Zeit von Ende 2007 bis Anfang 2009 an den Tag legte. Ob in Ermangelung weiterer Kreditierungen im US-Dollar oder aus reinem Geschäftsinteresse, mit Stillhalterprämien und Optionen Geld zu verdienen war zu einem Geschäftsmodell entwickelt worden, das sehr nachdrücklich von den Banken empfohlen und von vielen Schifffahrtsgesellschaften auch dankbar umgesetzt wurde, um Kosten zu sparen.

Die Rede ist von Zinsswapgeschäften mit bedingtem Kapitaltausch. Zur Verbilligung der Zinskosten in der Schiffsgesellschaft wurden Zinsswaps auf den USD abgeschlossen, die eine festgelegte Laufzeit hatten. Zur Verbilligung des Zinssatzes wurde ein sogenanntes Stillhaltergeschäft abgeschlossen, welches bei Unterschreiten einer Wechselkursschwelle die Konvertierung eines Darlehensteils in den Yen auslöste. Solange das Zinsniveau entsprechend positiv zu Gunsten des Yen gegenüber dem Dollar war, ging das Geschäft auf. Aber im Zuge der Krise sank das Zinsgefüge in Dollar sehr weit ab und es gab fast keinen Unterschied mehr, ob die Hypothek in Dollar oder in Yen lautete. Deshalb festigte sich der Yen, auch, weil eine Vielzahl von Carry Trades aufgelöst wurde. Den meisten Schifffahrtsgesellschaften fehlten aber die dafür benötigten Mittel, so dass nur die Hoffnung bestand, die Risiken durch ratierliches Tilgen der Yen-Kredite zu beseitigen.

Die Probleme aus diesen Geschäften vergrößerten sich, als der Yen nach der Wirtschaftskrise einen weiteren Aufschwung nahm und sich der Währungskurs zu einem deutlich stärkeren Yen entwickelte. Der Bank war das Ergebnis für die Schiffsgesellschaften egal, sie hatte aus der Transaktion ihr Geld verdient, und das allein zählte.

Aktuell für genau diese von der Bank initiierten Geschäfte ebenfalls die 105-%-Klausel zur Anwendung zu bringen, erinnert an den Zauberlehrling mit seiner verzweifelten Aussage: »Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los». Aber die Banken haben zur Bekämpfung dieses Problems als Zauberspruch die 105-%-Klausel parat. Das ist richtig cool, oder?

Sehr erschwerend kommt zu diesen Problemen die scheinbar grenzenlose Unfähigkeit der Banken hinzu, Entscheidungen zu treffen. Mehrere Emissionshäuser haben Sanierungskonzepte in Abstimmung mit den finanzierenden Banken entwickelt und anschließend durchgeführt. Nachdem diese Konzepte erfolgreich umgesetzt wurden, die Gelder der Gesellschafter der Schiffsgesellschaften auf Treuhandkonten lagen und somit sämtliche Bedingungen der Banken erfüllt waren, wurden die Banken gebeten, nunmehr die ihrerseits damit verbundenen Zusagen in die Tat umzusetzen, damit das eingezahlte Geld zweckentsprechend eingesetzt werden kann. Bei einer Reihe von Gesellschaften dauerte die Entscheidung der Banken Monate oder steht nach wie vor aus. Die Gelder zur Sanierung sind vorhanden, doch sie können mangels Entscheidung der Banken nicht eingesetzt werden. Hier stellt sich die berechtigte Frage, ob die Banken noch wissen, was sie eigentlich tun?

Andere Fälle sind bekannt, bei denen das Sanierungskonzept in Abstimmung mit der Bank entwickelt und den Gesellschaftern der Schiffsgesellschaften entsprechend kommuniziert wurde. Zu diesem Zweck wurden Gesellschafterversammlungen einberufen, Tagungsräume angemietet, und sämtliche offiziellen Gremien wie Treuhänder, Geschäftsführung, Beirat und Wirtschaftsprüfer reisten an, um das Modell den Gesellschaftern vorzustellen. Nachdem sämtliche Beschlüsse der Gesellschafter gefasst und alle Schritte eingeleitet wurden, um die Konzepte erfolgreich umzusetzen, besannen sich die finanzierenden Banken eines anderen und stellten weitere Forderungen, die sie noch erfüllt haben wollten.

Die gesamte geleistete Arbeit war hinfällig und, abgesehen von den Aufwendungen, die die Gesellschafter selbst getragen haben, um an den Versammlungen teilzunehmen, waren die Aufwendungen der gesamten Organisation für solche Veranstaltungen für den Schornstein. Muss sowas sein?

Momentan sind die Verhaltensweisen der Banken sehr grenzwertig! In einer Phase, in der bei den Containerschiffen jeder Dollar zählt, den sie durch den steigenden Markt mehr verdienen können, werden die Schiffsgesellschaften mit zusätzlichen Kosten überfrachtet, die das Ergebnis gar nicht hergibt. Sinnvoller wäre es hier, Regelungen zu finden, damit die Banken bei den erwirtschaftbaren Altkonditionen bleiben und sich Besserungsscheine für die Zukunft geben lassen, mit denen sie in stabilen Chartermärkten höhere Margen erhalten, um damit ihr Stillhalten honorieren zu lassen.

In der gegenwärtigen Situation wäre maßvolles, weitsichtiges Handeln der Banken angesagt, das aber scheinen sie verloren zu haben. Der Faden des Damoklesschwertes über der Schifffahrt wird immer dünner und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen rücken in immer größere Ferne. Übrig bleibt die eigenverantwortliche Demontage der Existenz der schiffsfinanzierenden Banken in der Schifffahrt. Die vorgebliche Rückbesinnung auf ihre Kernkompetenz – die Schiffsfinanzierung – wird dadurch zur Farce. Die sich anbahnende Zerstörungswut in der Schiffsfinanzierung nähert sich dem eingangs beschriebenen Selbstmord.

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