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Klaus Voß

Der 4. Senat des Bundesfinanzhofes äußert sich in seinem Urteil vom 21.10.2010 – Aktenzeichen V R 23/08 – zum Zweck der Einführung des § 5a EStG wie folgt:

»Den Vorschlag der Einfügung der Vorschrift enthielt erstmals die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Verkehr des Deutschen Bundestags[ds_preview] vom 31. März 1998 (BTDrucks 13/10271); die Einführung einer Tonnagesteuer sollte der Neubestimmung der Steuerpolitik für die Seeschifffahrt im europäischen Wirtschafts­raum entsprechen und der Sicherung des eigenen Standorts dienen (vgl. im Einzelnen BTDrucks 13/10271, S. 8)«.

Es ging also um zwei Komponenten:

1. Die Einführung einer Tonnagesteuer sollte der Neubestimmung der Steuerpolitik für die Seeschifffahrt im europäischen Wirtschaftsraum entsprechen

2. Sicherung des eigenen Standortes

Dem ist zuzustimmen. Mit Ausnahme von Griechenland waren die allseits bekannten Leitlinien der EU für staatliche Beihilfen Grundlage für die Einführung einer Tonnagesteuer in den EU-Ländern. Man wollte mit der schifffahrtspolitischen Entwicklung in Europa »gleichziehen« bzw. die deutsche Schifffahrtsbesteuerung harmonisieren. Der Standort Deutschland wird nicht gesichert, wenn steuerrechtliche Effekte für diesen nicht auszumachen sind. Zutreffend wird vom Bundesfinanzhof auch nicht mehr auf das Führen einer deutschen Flagge abgestellt.

Nunmehr wird verschiedentlich eingewandt, dass derartige Zielvorstellungen nicht trennscharf genau und demzufolge nicht »operabel« seien. Dass dies nicht unbedingt juristisch gilt, soll an zwei älteren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs demonstriert werden, die meines Erachtens auch heute noch ihre Gültigkeit haben.

Grundfall – Beispiel nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit dem Aktenzeichen IV R 12/73: Ein inländisches Befrachtungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ohne eigenen Schiffsfuhrpark chartert als Charterer Schiffe mit ausländischer Staatszugehörigkeit (ausländische Flagge, ausländisches Schiffsregister), deren gesamte Ausrüstung einschließlich Kapitän und Besatzung vom ausländischen Schiffseigner oder Ausrüster gestellt wird, und verwendet diese fremden Schiffe im Wege der Zeitcharter, befrachtet diese also lediglich. Kann dieser inländische Befrachtungsunternehmer zur Tonnagesteuer optieren?

Tätigkeitsbezogene Prüfung

Grundsätzlich wird nur die Tätigkeit gefördert, die aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr resultiert. Vom Tätigkeitsbild des § 5a Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetztes (EStG) ausgehend werden vorstehend gecharterte Schiffe mittels Zeitcharter zur Beförderung eingesetzt.

Die weiteren Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetztes liegen ebenfalls vor. Nach dieser Bestimmung gehört zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auch die Vercharterung, wenn sie vom Vercharterer ausgerüstet worden sind. Fraglich ist nunmehr, ob nach dem Wortlaut der Vorschrift beim Vorhandensein von zwei Vercharterern zu verlangen ist, dass der Letztvercharterer das Schiff ausgerüstet hat. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofes – Aktenzeichen: IV R 86/88 – sprach der Zweck der Regelung des § 34c Abs. 4 a.F. des Einkommensteuergesetztes gegen eine derartige Auslegung.

»Dieser Zweck des § 34c Abs. 4 EStG … liegt in der Förderung der deutschen Seeschiffahrt; die Steuererleichterungen sollen ihr eine Entlastung im Wettbewerb gegenüber den sog. Billigflaggen gewähren … Um dies zu erreichen, muß auch die Vercharterung deutscher Handelsschiffe begünstigt werden; im Hinblick auf die Steuervergünstigungen kann der Vercharterer das Schiff zu einem günstigeren Charterpreis anbieten. Dies gilt auch für einen Vercharterer, der das Schiff seinerseits gechartert hat. Würde ihm die Steuerbegünstigung versagt, wäre der Einsatz des gecharterten Schiffes beeinträchtigt, weil er einen höheren Charterpreis verlangen müßte. Da der Nutzen des Weitervercharterers in der Differenz zwischen der Erstcharter und Zweitcharter liegt … erfährt der Weitervercharterer zwar einen geringeren Steuernachteil als der Erstvercharterer, wenn diesem die Steuervergünstigung verwehrt würde. Auch der beim Weitervercharterer auftretende Steuernachteil kann aber für den Einsatz des Schiffes von wesentlicher Bedeutung sein.

Sowohl der Erstvercharterer als auch der Zweitvercharterer erbringen zudem die Transportleistungen, die durch § 34c Abs. 4 EStG begünstigt sind. In der Erstcharter verpflichtet sich der Vercharterer als sog. Verfrachter gegenüber dem Charterer, bestimmte Transportleistungen zu erbringen; dieser verpflichtet sich seinerseits als sog. Unterverfrachter (Anm. d. Verf.: Unterverfrachter aus der Sicht des Hautverfrachters oder Erstverfrachters) gegenüber seinen Kunden zu bestimmten Transportleistungen und bedient sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung des Hauptverfrachters als Erfüllungsgehilfen. Mit der Erfüllung des Vertrages durch den Erstvercharterer genügt auch der Zweitvercharterer seinen Pflichten … Im Hinblick auf § 34c Abs. 4 EStG ist kein einsichtiger Grund dafür ersichtlich, dass zwar die Transportleistungen des Erstvercharterers, nicht aber die gleichartigen Leistungen des Zweitvercharterers begünstigt sein sollen. Für die Gleichbehandlung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Begünstigung der deutschen Seeschiffahrt war in der Vergangenheit in § 34c Abs.4 EStG 1969 geregelt, der sich auf Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erstreckte, ohne hierzu nähere Definitionen zu enthalten. In Auslegung des Gesetzes wurde in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 30. Dezember 1969 (BStBl I 1970, 131) zur Streitfrage ausgeführt, dass das Entgelt aus der Vercharterung von Handelsschiffen beim Vercharterer zu den Einnahmen aus dem Bereich der Handelsschiffe im internationalen Verkehr gehöre, soweit es sich nicht um die Vercharterung eines Handelsschiffes auf Bareboatbasis handle. Ein derartiger Vercharterer verpflichte sich nicht zur Erbringung von Beförderungsleistungen.

§ 34c Abs. 4 EStG hat seine neue Fassung durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1973 vom 18. Juli 1974 (BStBl I, 521) erhalten. Diese Fassung geht auf den Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes zurück. In der Regierungsbegründung zu diesem Entwurf ist im Zusammenhang mit der vorgesehenen Einfügung eines § 105 EStG ausgeführt, dass die Bestimmung des Begriffs »Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr« aus Gründen der Rechtssicherheit aus dem gleichlautenden Erlass zu § 34c Abs. 4 EStG (BStBl I 1970, 131) in das Gesetz übernommen worden sei (BTDrucks 7/1470 S. 293). Dies ist tatsächlich jedoch nicht in vollem Umfang geschehen, da das Gesetz nicht lediglich die reine Mietcharter von der Begünstigung ausschließt, sondern stattdessen verlangt, dass der Vercharterer das Schiff ausgerüstet hat. Folgt man der vom FA vertretenen Auslegung, würde dies zwar beim Erstvercharterer, nicht aber beim Weitervercharterer zu dem in den gleichlautenden Erlassen vorgesehenen Ergebnis führen. Darin würde ein Redaktionsversehen liegen, an dem sich die Auslegung des Gesetzes nicht orientieren kann.«

Bei der tätigkeitsbezogenen Prüfung ist nunmehr darauf einzugehen, dass es um den Fall der Vercharterung gecharterter Schiffe geht. Nach § 5a Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetztes müssen in diesem Fall gleichzeitig eigene oder ausgerüstete Handelsschiffe im internationalen Verkehr betrieben werden. Eigene Schiffe sind laut Sachverhalt nicht vorhanden. Bei Anwendung der zitierten Rechtsprechung muss aber der Weitervercharterer nicht selbst ausrüsten. Es reicht aus, wenn der Erstvercharter ausrüstet. Demzufolge werden ausgerüstete Handelsschiffe im internationalen Verkehr betrieben.

Welche Relevanz hat die Nichteintragung der weitervercharterten Schiffe im inländischen Seeschiffsregister?

Nach § 5a Abs. 2 Satz 4 des Einkommen­steuergesetztes darf in derartigen Fällen die Nettotonnage der nicht im inländischen Seeschiffsregister eingetragenen Handelsschiffe nicht das Dreifache der eigenen und / oder gecharterten bzw. im Falle einer Vercharterung ausgerüsteten Handelsschiffe übersteigen. Diese Bestimmung setzt voraus, dass im inländischen Seeschiffsregister eingetragene Schiffe und nicht eingetragene Schiffe existent sind, wobei es sich bei den eingetragenen Seeschiffen (eigene oder gecharterte) um solche handelt, die zur Stückgutbeförderung bzw. zur Vercharterung (Notwendigkeit einer Ausrüstung) eingesetzt werden. Im vorstehenden Fall werden aber die hinzugecharterten Schiffe im ausgerüsteten Zustand (wenn auch durch den ausländischen Erstvercharterer) zur Beförderung vermittels Zeitcharter eingesetzt. Das heißt, die nicht in das inländische Seeschiffsregister eingetragene Schiffsmenge ist identisch mit der zu vergleichenden Schiffsmenge. Demzufolge sind auch diese Voraussetzungen erfüllt. Die Tätigkeit unseres Befrachtungsunternehmers ist demnach begünstigt. Damit ist die Prüfung aber noch nicht abgeschlossen. Nach § 5a Abs. 1 des Einkommensteuergesetztes bedarf es noch der Geschäfts­leitung und der Bereederung der Handelsschiffe im Inland. Die erste Voraussetzung ist laut Sachverhalt erfüllt. Es handelt sich um ein inländisches Befrachtungsunternehmen. Es liegt jedoch keine Bereederung der weitervercharterten Schiffe im Inland vor. Es handelt sich um Schiffe, deren gesamte Ausrüstung einschließlich Kapitän und Besatzung vom ausländischen Schiffseigner oder Ausrüster gestellt wurden. Lesen wir, wie der Bundesfinanzhof damals entschied:

»Vorrangiger Zweck des Gesetzes ist also eine zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit geschaffene selbständige Tarifvergünstigung für die im internationalen Verkehr eingesetzte deutsche Seeschiffahrt.«

»Dieses Ziel würde leicht in sein Gegenteil verkehrt werden können, wenn deutsche Reeder oder Frachtfahrtunternehmer ohne eigenen Schiffspark steuerlich auch dafür begünstigt würden, daß sie mit gecharterten billigeren ausländischen Schiffen Seeschiffahrt betreiben. Ob dadurch die eigene deutsche Handelsflotte einen direkten Schaden erleiden kann, hängt wohl von der jeweiligen Marktlage im Schiffsfrachtverkehr ab. Die Frage kann hier offenbleiben. Feststeht jedenfalls, daß durch die steuerliche Begünstigung der Einkünfte aus dem Einsatz gecharterter ausländischer Schiffe die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Handelsflotte im internationalen Verkehr nicht gestärkt wird. Vor allem dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – der deutsche Schiffahrtsunternehmer ausländische Schiffe chartert, deren gesamte Ausrüstung, also auch Kapitän und Besatzung, vom ausländischen Schiffseigner oder Ausrüster gestellt wird und sie lediglich befrachtet, wäre nicht verständlich, wie durch die steuerliche Begünstigung der Einkünfte aus dem Betrieb solcher ausländischen Schiffe der deutschen Seeschiffahrt geholfen werden kann. Geholfen wird dadurch dem betreffenden Frachtfahrtunternehmen ohne eigenen Schiffspark oder dem Reeder, der zusätzlich gecharterte Schiffe verwendet. Vorteile davon hat auch, wie die Klägerin selbst ausgeführt hat, der betreffende ausländische Schiffahrtsunternehmer, der sein ausgerüstetes Schiff viel leichter an deutsche Befrachter verchartern kann, wenn diese auch für die Einkünfte aus dem Betrieb solcher ausländischen Schiffe die bedeutende Steuervergünstigung des § 34c Abs. 4 EStG erhalten. Die wirtschaftlichen Interessen der deutschen Handelsflotte werden durch die steuerliche Begünstigung der Einkünfte aus dem Einsatz solcher ausländischen Schiffe jedenfalls nicht gefördert, eher geschädigt.«

Es ging damals noch um die deutsche Handelsflotte, also um Schiffe mit deutscher Staatszugehörigkeit (inländisches Schiffsregister, deutsche Flagge). Einer deutschen Flagge bedarf es nicht mehr. Die Stärkung des Standortes Deutschland soll nunmehr durch das Merkmal der inländischen Bereederung gesichert werden. ­Dies ergibt sich auch aus dem nachfolgenden Beispiel.

Abwandlung des Grundfalls nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit dem Aktenzeichen IV R 86/88: Es handelt sich um den gleichen Fall. Die hinzugecharterten Schiffe sind diesmal allerdings in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen, deren gesamte Ausrüstung einschließlich Kapitän und Besatzung vom inländischen Schiffseigner oder Ausrüster gestellt wird. Der Befrachter setzt diese Schiffe im eigenen Linienstückgutverkehr ein. Alternativ verchartert er die Schiffe weiter. Hier hat der Bundesfinanzhof die Förderungswürdigkeit bejaht.

Schlussbemerkung: Das hier gefundene Ergebnis mag vielleicht überraschen. Vielleicht kommen andere Autoren zu einem anderen Ergebnis. Zu einer Äußerung ist jeder eingeladen. Sollte man jedoch dem Ergebnis folgen, so ist festzustellen, dass die tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen (Wie muss ich das Schiff einsetzen) erfüllt sind. Das Zünglein an der Waage ist in analoger Anwendung der älteren Rechtsprechung das nunmehrige Erfordernis der Bereederung im Inland, man könnte auch sagen: der Ausrüstung im Inland. Schaut man sich den Tätigkeits- bzw. Pflichtenkatalog eines Charterers eines klassischen Bareboat-Charterverttrages (z. B. »Barecon 89«) an, so wird man feststellen, dass dieser – sieht man von der Befrachtung ab, was sich aus der Natur der Sache ergibt – identisch ist mit den Voraussetzungen, die die Finanzverwaltung an das Erfordernis der Bereederung im Inland stellt. Weiter ist insbesondere der Fallabwandlung zu entnehmen, dass die inländische Befrachtung bei inländischer Ausrüstung in der beschriebenen Konstellation (Erstvercharterer / Zweitvercharterer) selbstredend begünstigt ist. Hierzu bedarf es nicht der Zuhilfenahme eines Neben- bzw. Hilfsgeschäftes, dies ergibt sich schon aus der Systematik des Gesetzes als solches. Weiter ergibt sich hieraus aber auch, dass die Befrachtungstätigkeit in dem Fall, in dem der Befrachter nicht als Charterer aufritt, erst recht begünstigt ist. Dies ist vom Gesetzgeber gewollt; an den der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu Grunde liegenden Gesetzespassagen nach altem Recht hat er nichts geändert.

Klaus Voß