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Seit rund zehn Jahren drängt der Speditionskonzern Kuehne + Nagel (K+N) intensiv in das Geschäft mit verderblicher Ware. Branchenexperten schätzen das disponierte Reefer-Volumen des Unternehmens auf über 100.000 teu pro Jahr. Der Konzern nennt selbst keine Zahlen. Über Strategien und Perspektiven in dem Markt äußert sich Frank Ganse, Global Director Reefer Logistics bei K+N, im Interview.

K+N hat sich die weitere Verzahnung und Integration des Produktbereichs Perishable Logistics auf die Fahne geschrieben. Wie eng[ds_preview] arbeiten die Abteilungen zusammen, was ist die Marschrichtung?

Frank Ganse: Die Perishables-Initiative umfasst bei uns primär den See- und Luftfrachtbereich, wo eigene Produktbereiche dafür geschaffen wurden. Beide arbeiten eng zusammen im Vertrieb und Verkauf, treten gemeinsam bei Kunden und auf Messen auf.

Overland-Transport und Kontraktlogistik spielen dabei keine Rolle?

Ganse: In der Kontraktlogistik gibt es punktuell Aktivitäten. Dort ist K+N an bestimmten Standorten wie z. B. in Mailand, Rungis oder auch in Großbritannien mit eigenen Kühlhauskapazitäten vertreten. Eine spezialisierte Operation für Kühlhausladung wie bei der See- und Luftfracht gibt es in diesem Bereich noch nicht. Es wird in den kommenden Jahren untersucht werden, ob man dort Ähnliches aufsetzen kann. Die Vor- und Nachläufe und das Cross-Docking in den See- und Luftfrachtketten werden über die See- und Luftfrachtabteilungen mit abgewickelt. Nehmen wir das Beispiel Melonen oder Ananas aus Costa Rica: Wir laden die Ware in den Packstationen in Reefer-Container, die im Vorlauf aktiv gekühlt werden. Wir erledigen die Exportdokumentation, verbringen die Container in den Hafen, lassen sie verladen und nehmen sie in Antwerpen oder Rotterdam ab. Neben der Verladung ins Kühlhaus bzw. Distributionsentrum übernehmen wir das Crossdocking. Die Distribution in den Handel ist der letzte Part, an dem wir heute nicht partizipieren.

Wie groß ist der Bereich Perishables See heute?

Ganse: Das Geschäft wird in enger Zusammenarbeit mit der Corporate-Reefer-Division Bremen / Hamburg von rund 20 Regional- und Country-Managern gesteuert. Insgesamt umfasst der Bereich ca. 175–180 Mitarbeiter weltweit. In allen Reefer-starken Ländern gibt es eine spezialisierte operative Abwicklung. Im Rahmen unserer Wachstumsinitiative planen wir, unser Perishables-Netzwerk auszubauen, vor allem in Ländern, in denen wir nicht stark genug vertreten sind.

An welche Regionen denken Sie?

Ganse: Wir verfolgen einen globalen Ansatz und konzentrieren uns dabei vorerst auf Lateinamerika, Südafrika sowie Australien und Neuseeland.

Was bewegen Sie derzeit an Ladung pro Jahr, und wo wollen Sie mal hin?

Ganse: Das Geschäft ist über die vergangenen Jahre, auch im Rezessionsjahr 2009,

stetig um über 20 % pro Jahr gewachsen. 95 % der Ladung wird von uns kontrolliert, also richtiges Speditionsgeschäft, im Gegensatz zum reinen Abwicklungsgeschäft von großen Reefer-Seefrachtkontrakten zwischen Verladern und Carriern. Aber auch in diesem Bereich, den wir als STM (Seafreight Transportation Management) bezeichnen, sehen wir noch großes Wachstumspotential.

Der Großteil ist lupenreines Speditionsgeschäft, sagen Sie.

Machen Sie als Reefer-Abteilung ihren eigenen Rateneinkauf bei den Carriern?

Ganse: Ja, die Raten werden über das Reefer-Setup selbst beschafft, wobei uns die allgemein starke Stellung und Kompetenz von K+N natürlich zugute kommt.

Einkaufsmacht durch große Volumina ist in diesem Bereich aber gar nicht unbedingt der entscheidende Faktor.

Sondern?

Ganse: Es kommt viel mehr auf die Expertise und Zuverlässigkeit an. Der Carrier muss merken, dass er sich auf uns verlassen und eine logistische Partnerschaft mit uns eingehen kann. Durch vernünftige Planungen und Forecasts sorgen wir dafür, dass dem Carrier keine unnötigen Kosten entstehen, zum Beispiel durch Equipment-Positionierung für Ladung, die dann aber gar nicht gebucht wird. Es geht um die Stabilität der Lieferketten. Und die sollte nicht über den Haufen geworfen werden, nur weil plötzlich irgendwo eine etwas günstigere Frachtrate angeboten wird. Wir setzen da auf eine enge Partnerschaft und Abstimmung mit den Carriern.

In den vergangenen Jahren gab es starke Engpässe bei Reefer-Containern. Wir das in der jetzt anlaufenden Hochsaison wieder der Fall sein?

Ganse: Davon ist auszugehen. Die mit im Durchschnitt 22 Jahren überalterte Flotte von konventionellen Reeferschiffen, das Slow Steaming, das die Rundläufe verlängert, die in jüngster Zeit zu geringen Investitionen in Reefer-Container und die wachsende Nachfrage lassen keinen anderen Schluss zu, als dass die Verfügbarkeit in den saisonalen Spitzen nicht ausreichen wird.

Und wie gehen Sie mit der Situation um?

Ganse: Wir haben unsere Platz-Allokationen und Equipment zeitig eingekauft. Durch die guten Beziehungen zu den Carriern hat K+N vernünftig vorsorgen können. Natürlich vermarkten wir auch nicht mehr als das, was wir uns gesichert haben. Übervermarktung kommt nicht in Frage.

Die Kunden müssen aber auch mitspielen und sich an ihre Planungen und Vorhersagen halten.

Ganse: Selbstverständlich. Wir raten zu äußerster Umsicht bei der Seefrachtplanung. In einer Welt der Equipmentengpässe kann es fatal sein, nur auf die billigste Frachtrate zu gucken. Wenn Sie noch einmal 100 USD bei der Rate herauskitzeln, nützt Ihnen das unter Umständen herzlich wenig. Denn das bezahlen Sie mit einer geringeren Platzgarantie.

Kommen wir noch einmal auf K+N zurück. Wo sehen Sie mittelfristig neue Felder für Reefer Perishables, in welchen Produktkategorien oder Märkten wollen Sie wachsen?

Ganse: Wir wollen uns verstärkt auch auf den Bereich Seafood konzentrieren. Hauptaugenmerk wird aber weiterhin im Bereich »Produce« (frische agrarwirtschaftliche Produkte) liegen, hier sehen wir großes Potenzial im Kartoffelsegment, wo es uns gelungen ist, größere Geschäfte durch neue Dienstkonzepte in den Container zu verlagern. Das gleiche gilt für das Bananengeschäft, speziell aus Ecuador heraus. Das ist ein interessanter Markt, der allmählich containerisiert wird. Diesen Prozess wollen wir mit vorantreiben. Veränderungen erkennen wir auch in den Beschaffungsprozessen. Wurde der überwiegende Teil der Frucht in den vergangenen Jahrzehnten stark auf Kommissionsbasis durch Frucht-Importeure beschafft oder durch staatliche Ko­operationen (siehe Capespan z. B.) organisiert, erkennen wir mehr und mehr eine Direktvermarktung der großen Exporteure/Erzeuger bzw. ein Category-Management, das organisiert wird durch den Europäischen Lebensmitteleinzelhandel mit entsprechenden Partnern. In UK ist dies bereits ein gängiges Konzept.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.