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Durch die 18.000-TEU-Order drohen Überkapazitäten auf den Ost-West-Routen. Schiffe unter 10.000 TEU dürften verdrängt werden. Wie weit geht der Kaskadeneffekt diesmal? Für die deutschen Häfen werden die Megafrachter zum Prüfstein.

Bescheidenheit klingt anders. Maersks Triple-E-Schiffe würden ein »neues Kapitel in der Schifffahrt und im Schiffbau« aufschlagen, sagte der[ds_preview] Chef von Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering, Nam Sang-Tae, bei der offiziellen Verkündung des spektakulären Neubaudeals. Dass Nam die sonst übliche asiatische Zurückhaltung missen ließ, ist nicht verwunderlich. Alle Experten sind sich einig: Das Aufrüsten des Marktführers nur wenige Jahre nach Einführung der E-Klasse 2006 ist eine erneute Zäsur für die maritime Wirtschaft. Sowohl auf die weltweit fahrende Tonnage, den Wettbewerb unter den Linienreedern wie auch die Hafenbetreiber haben die 18.000-TEU-Schiffe große Auswirkungen.

Vom Zeitpunkt her überraschen die zehn Bestellungen nicht. Im Vergleich zum Branchenzweiten MSC, der bei der Containerkapazität zuletzt stark aufholte, hatte Maersk ein relatives schmales Orderbuch bei Schiffen mit mehr als 10.000 TEU. Zudem stehen die Dänen wirtschaftlich glänzend da. 2010 fuhren sie 3,8 Mrd. € Nettogewinn ein – dies war das beste Ergebnis der über 100-jährigen Unternehmensgeschichte. Mehr als die Hälfte des Gewinns kam dank stark gestiegener Frachtraten aus dem Containerverkehr. Aber auch in konjunkturell schwierigen Phasen verleiht das Mischportfolio als Öl- und Gasförderer, als Betreiber von Supermärkten und Hafenanlagen sowie als Linienreeder dem Konzern A. P. Moeller-Maersk einen Vorteil gegenüber den reinen Schifffahrtskonkurrenten.

Der Branchenprimus ist daher wohl der einzige, der einen Auftrag in Höhe von 1,9 Mrd. USD mit Kaufoptionen auf 20 weitere Schiffe für dann insgesamt 5,7 Mrd. USD vergeben kann. Die nötige Finanzkraft hat das Unternehmen unbestritten. So gab der Chef der Maersk Line, Eivind Kolding, denn auch zu Protokoll, es sei »sehr wahrscheinlich«, dass eine Option über zehn zusätzliche Schiffe noch in diesem Jahr ausgeübt werde.

Relativ günstiger Kaufpreis

Hinsichtlich der Neubaupreise hat Maersk einen recht günstigen Moment erwischt. Während 2008 noch bis zu 170 Mio. USD für einen 13.000-TEU-Frachter gezahlt wurden, sind 190 Mio. USD für ein deutlich energieeffizienteres und mit mehr als 35 % größerer Kapazität ausgestattetes Schiff moderat.

Auf die Frage, ob die Hauptwettbewerber MSC und CMA CGM direkt kontern, lässt sich indes keine einfache Antwort finden. Bislang war es zumindest stets so. 2006, als die Dänen den Markt mit der »Emma Maersk« schockten, ließen die Konkurrenten nicht lange auf sich warten und orderten 14.000-TEU-Schiffe im Dutzend. »Wenn der Marktführer anfängt zu bestellen, tendieren die anderen dazu mitzuziehen«, sagt Bernd Runde, Analyst der NordLB. Das glaubt auch Max Falckenberg, Partner der Unternehmensberatung Roland Berger: »So wie die Schifffahrt in der Vergangenheit auf die Ankündigung von neuen Großschiffen reagiert hat, ist davon auszugehen, dass die Wettbewerber auch diesmal ihre Flotten entsprechend ausrüsten werden.«

Den Chefs von MSC und CMA CGM, Gianluigi Aponte und Jacques Saadé, wäre es durchaus zuzutrauen, mit einer Bestellung von 20.000 TEU und größer aufzuwarten. Beide sind Selfmademen, die in der Vergangenheit stets unternehmerischen Mut bewiesen haben. Und an fehlenden Angeboten der Werften sollte es auch nicht scheitern: STX hatte bereits vor drei Jahren verkündet, ein 22.000-TEU-Schiff mit 460 m Länge entwickelt zu haben. Und bei mindestens einer chinesischen Großwerft soll ein 21.000-TEU-Modell in der Schublade liegen.

Doch nach der Krise sind die Vorzeichen andere als mitten im Boom. CMA CGM hat sich durch den Einstieg der türkischen Yildirim-Gruppe gerade erst finanziell freigeschwommen und dürfte nicht gleich wieder Milliardenaufträge vergeben. Und die Schweizer Linie MSC hat laut Alphaliner mit 51 Schiffen und rund 550.000 TEU ein gut gefülltes Orderbuch (siehe Tabelle Seite 49). Reedereichef Aponte sagte kürzlich, er sei lediglich an Schiffen mit bis zu 14.000 TEU interessiert, von denen er in den kommenden zwei Jahren noch einige erhält. Auch Maersk selbst nimmt an, dass die Triple-E-Schiffe für »eine ganze Weile« die weltgrößten Containerfrachter sein werden, so Kolding.

Angesichts des Effizienzvorteils beim Betrieb, den Maersk dank Skaleneffekten auf 26 % gegenüber einem 13.100-TEU-Schiff beziffert, besteht bei den Wettbewerbern dennoch Zugzwang. Sie werden Maersks Annahme sicherlich genau nachrechnen. Manchem Experten erscheinen 26 % allerdings »ziemlich viel«, sagt etwa Roland-Berger-Berater Falckenberg. Beim Sprung von 9.000 TEU zu den 15.500 TEU der E-Klasse habe der Kostenvorteil auch nur 5 bis 7 % betragen.

»Knautschzone« bei 6.500 TEU

Sollten kurzfristig weitere Schiffe mit 18.000 TEU und mehr in den Markt drängen, wäre das für die Branche alles andere als gesund. Denn es steht noch eine gewaltige Zahl an Auslieferungen bereits bestellter Schiffe bevor – teilweise noch aus der Vorkrisenzeit. »Wir müssen davon ausgehen, dass wir in den oberen Größensegmenten Überkapazitäten bekommen«, sagt Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen. Seinen Berechnungen zufolge fahren derzeit 64 Schiffe mit mehr als 10.000 TEU auf den Weltmeeren, 146 werden laut Orderbuch bis Ende 2013 ausgeliefert – die Triple-E-Schiffe noch nicht eingerechnet.

Sie werden fast ausschließlich auf den Asien-Europa-Routen zum Einsatz kommen. Auch Maersk zielt mit der neuen Klasse auf den Handel mit Fernost ab. Die Schiffe seien »speziell für China« geplant worden, sagte Kolding, der von weiter steigenden Volumina ausgeht. »Die Containerschifffahrt ist zurück auf dem Wachstumspfad«, lautet seine optimistische Einschätzung.

Experten wie Paul Dowell von Howe Robinson warnen indes vor zu großer Euphorie – gerade in Bezug auf den Asien-Europa-Handel. Dowell zufolge wird sich der Containerfrachtzuwachs 2011 hier auf rund 5 % abschwächen. Dadurch und aufgrund der neuen Tonnage würden die schon jetzt bestehenden Überkapazitäten zwischen 2012 und 2014 auf 400.000 bis 600.000 TEU anwachsen – unter der Annahme, dass kleinere, derzeit im Ost-West-Verkehr fahrende Schiffe woanders keine Beschäftigung finden (siehe Grafik). Beim Slow Steaming sieht Dowell kein weiteres Verknappungspotenzial mehr.

Ein Kaskadeneffekt ist also nötig – und er wird auch kommen, sind sich Marktbeobachter einig. Während er in der Krise von 2002/03 bei 6.500 bis 8.500 TEU startete und im Bereich von 2.000 bis 3.000 TEU endete, gehe es diesmal ab 14.000 TEU abwärts, erwartet Dowell. Die Knautschzone sieht er dort, wo der Kaskadeneffekt letztmalig anfing. Allein 134 Schiffe um 6.500 TEU sind nach Prognosen des Howe-Robinson-Analysten bis Ende 2012 potenziell von der Verdrängung betroffen.

Wohin mit der Tonnage?

Ein passendes Einsatzgebiet sind die Transpazifikverkehre. Dort fahren allerdings jetzt schon viele Schiffe dieser Größe, darüber hinaus laut einer Studie der DVB Bank mehr als 30 der Super-Postpanamax-Klasse mit etwa 8.000 TEU.

Naheliegend wäre der Einsatz auf den Nord-Süd-Routen. Besonders Richtung Südamerika ist genügend Fracht da, vor allem nach Brasilien. Aber nur wenige Häfen werden ihre Infrastruktur kurzfristig für Schiffe dieser Größe ausbauen können. Ähnliches gilt für Afrika, wo sich außer Durban und Kapstadt kaum Anlaufstellen für Postpanamax-Schiffe anbieten, geschweige denn solche mit 10.000 TEU und mehr, sollten diese eines Tages durch die Triple-E-Klasse verdrängt werden. Infrage kommt zudem Australien. »Ausreichende Frachtvolumina, um einen großen Teil der freiwerdenden Tonnage zu binden, wird es dort so schnell kaum geben«, sagt NordLB-Analyst Runde.

Schließlich beinhalten die Planspiele sogar die Ostsee, seit Maersk mit einem 8.400-TEU-Schiff Danzig in einer verlängerten Schleife aus Shanghai anfährt – bislang vor allem wegen vorhandener Überkapazitäten. Kein Einzelfall: MSC legte unlängst mit einem 5.500-TEU-Frachter im litauischen Klaipeda an. Fakt ist, dass Häfen im Baltikum, in Polen und Russland – insbesondere St. Petersburg, Kaliningrad und Ust-Luga – kräftig ausgebaut werden.

Es sei jedoch nicht anzunehmen, sagt ISL-Forscher Lemper, dass Größenklassen mit über 5.000 TEU in der Ostsee künftig zur Regel werden. »Zum einen mangelt es vielfach noch an der Hinterlandlogistik«, so Lemper. Zum anderen dürfte sich die Fahrt in die Ostsee teilbeladen und angesichts dennoch auftretender Transhipmentkosten durch Feederverkehre kaum rechnen.

Mittelfristig wiederum ist die Perspektive der von Ost-West-Routen verdrängten Schiffe gar nicht schlecht. Wenn wie geplant 2014/15 der Ausbau des Panamakanals abgeschlossen ist – die Schleusen sollen auf 55 m verbreitert und auf mehr als 400 m gelängt werden –, könnten sich ganz neue Einsatzgebiete für heutige Postpanamax- und Super-Postpanamax-Schiffe eröffnen. Zumal der Kanalausbau dann auch Investitionen in die Hafeninfrastruktur auslösen dürfte, insbesondere an der amerikanischen Ostküste.

Hafenbetreiber müssen sich anstrengen

Was die Triple-E-Schiffe angeht, plant Maersk eine klassische Route. Bei der Präsentation der neuen Weltrekordhalter nannte die Reederei die Anlaufhäfen Shanghai, Ningbo, Xiamen, Yantian (Shenzen), Hong Kong, Tanjung Pelepas in Malaysia sowie Algeciras, Rotterdam, Felixstowe und Bremerhaven. Ob das gerade in Bezug auf die deutschen Seehäfen ein endgültiger oder vielmehr beispielhafter Fahrplan ist, wird sich erst zeigen.

Maersks Strategie werde jedenfalls sein, mit so vielen Containern wie möglich in so wenig Häfen wie nötig festzumachen, erwartet Ben Hackett von der Beratungsfirma Hackett Associates. Die Anforderungen an die Hafenbetreiber steigen dabei. Der Chef von Maersks Terminaltochter APM, Kim Fejfer, sagte, die 18.000-TEU-Schiffe würden eine engere und anspruchsvollere Zusammenarbeit mit den Häfen erfordern. Neben ausreichender Wassertiefe zählten die Ausstattung mit Liegeplätzen, Kranausrüstung, Be- und Entladegeschwindigkeit sowie die Anbindung ans Hinterland.

Unter den Häfen der Nordrange könnten die Triple-E-Schiffe voll beladen (14,5 m Tiefgang) derzeit nur Rotterdam ohne Einschränkungen anlaufen. Für die deutschen Standorte ist bis zur Erstauslieferung 2013 noch viel zu tun. Ob die Hinterlandlogistik des dann gerade eröffneten JadeWeserPorts (JWP) ausreicht, um mit einem solchen Containervolumen fertig zu werden, ist fraglich.

Hamburg hätte damit keine Probleme und sieht sich mit den neuen Krananlagen an den Großschiffliegeplätzen am Container Terminal Burchardkai (CTB) auch für die 400 m langen und 59 m breiten Neubauten gerüstet. Aber noch ist die Elbe ein Nadelöhr: »Die Schiffe unterstreichen, dass die Vertiefung der Fahrrinne notwendig ist«, sagt ein Sprecher der HHLA. Nach der Elbvertiefung sollen Frachter bis 14,50 m Tiefgang tideabhängig aus Hamburg auslaufen können.

Ähnlich ist die Situation in Bremerhaven, wo die Außenweser um einen Meter auf 13,80 m – bei mittlerem Tideniedrigwasser – ausgebaggert werden soll. Für Bremerhaven spricht Maersks Beteiligung am Containerterminal vier (CT4), wo seit 2006 Schiffe der E-Klasse abgefertigt werden. Auch der Tiefwasserhafen JWP dürfte bei ausreichendem Infrastrukturausbau dank der 30-prozentigen Beteiligung der Dänen am Betrieb Chancen auf ein Anlaufen der Megafrachter haben.

Am wichtigsten sei indes, sagt Berater Falckenberg, dass die deutschen Häfen stärker zusammenarbeiten. Sonst würden sie weiter an Boden gegenüber den europäischen Wettbewerbern Rotterdam und Antwerpen verlieren.


nis