Print Friendly, PDF & Email

Autohersteller (OEMs) suchen verstärkt nach Einsparpotenzial in Transport und Logistik, nachdem Fertigung und Entwicklung weitgehend optimiert wurde. Vor dem Hintergrund steigender Kraft- und Brennstoffkosten für den Transport sowie ungenutzten Synergien zwischen unterschiedlichen Lieferanten sollen Ladungspartien auch im Überseebereich stärker gebündelt werden.

Die Welt nach der Krise ist nicht dieselbe wie vor der Krise, ist immer häufiger auch in der Logistik zu[ds_preview] vernehmen. Was bedeutet das aber konkret in Bezug auf wichtige Industrien wie den Automobilsektor? Durch das »globale Sourcing« von Komponenten und Material nahm die Bedeutung der Autohersteller und -zulieferer als Kunden der Reedereien im vergangenen Jahrzehnt rapide zu. Dass die Wertschöpfungsketten weiter internationalisiert und die Beschaffung in Übersee ausgebaut werden sollen, ist unmittelbar nach der Weltwirtschaftskrise nicht unbedingt selbstverständlich. Insofern darf wohl den jüngsten Aussagen von Branchenvertretern auf der Automotive Logistics Europe-Konferenz, die kürzlich in Bonn stattfand, Signalwirkung beigemessen werden. Für Jeffrey Morrison, Logistikdirektor bei General Motors Europe, ist die Marschroute klar. »11 % unseres Materials gemessen am Wert kommt aus Übersee. Dieser Anteil wird allen Erwartungen nach steigen«, sagte der US-Amerikaner auf der Bonner Konferenz. Aktuell liege das Volumen der Überseetransporte in der Seefracht für GM Europe bei 15.000 TEU. »Wenn es zum Beispiel Sinn macht, Motorblöcke in größerem Umfang zu importieren, werden wir die Mengen an dieser Stelle hochfahren«, nannte Morrison ein Beispiel. Vor allem die zunehmende Bündelung von Modellen auf gemeinsamen Plattformen, die mit identischen Bauteilen bestückt werden, sorge für einen zunehmenden internationalen Verkehr mit Teilen. Denn die Komponenten werden universeller und austauschbar zwischen Produktionslinien in unterschiedlichen Ländern. Neben dem Wachstum finde eine zunehmende Verdichtung auch durch Konsolidierung von Lieferanten und bestehenden Mengen statt. »Wir haben deutliche Anstrengungen unternommen, die Lieferantenbasis zu konsolidieren. Die Zahl der Lieferanten wurde in den vergangenen Jahren um 30 bis 35 % reduziert«, verdeutlichte der Manager. Um die Zunahme der Transportlogistikkosten zu bremsen, wolle GM verstärkt Liefermengen bündeln und so Sammelgutpartien zu Full Container Loads (FCL) und Komplettladungen auf der Straße vereinen. »Wir versenden mehr Sammel- und Stückgut, als wir eigentlich müssten«, so Morrison. Allerdings müsse GM beim Ausbau der Überseelieferungen behutsam vorgehen. Um sicherzustellen, dass Einkaufskostenvorteile nicht durch steigende Logistikkosten und Lieferausfälle aufgefressen werden, habe der Konzern das C-Preismodell eingeführt. Hier würden erstmals systematisch Luft- und Sonderfrachtausgaben bei Versorgungsengpässen sowie Fehlbedarfe, die sich aus Produktionsplanänderungen während des langen Seetransits ergeben, berücksichtigt, sagte Morrison. Dass sich die Anforderungen an Logistik durch den wachsenden internationalen Verkehr verändern, veranschaulicht der Experte mit einer einfachen Kalkulation: Ohne Anpassungen in der Liefer- und Transportlogistik wären die Kosten in den vergangenen Jahren zwei- bis dreimal so schnell gestiegen. Die von Morrison geschilderten Trends treffen nach Einschätzung von Marktbeobachtern mehr oder weniger auf die gesamte Branche zu. Offenbar treiben die Autokonzerne die weitere Internationalisierung der Produktion aber nicht mit gleichem Nachdruck voran.

Teile-Konsolidierung bei CEVA-Logistics vervielfacht

Wie stark das Verkehrsaufkommen für die auf Automotive spezialisierten Spediteure zunimmt, hänge »davon ab, mit welchem OEM Sie zusammenarbeiten«, stellt Stefan Brunner, Direktor für Automotive-Logistik in der Region Nordeuropa bei dem internationalen Logistikdienstleister CEVA Logistics, fest. »Generell sehen wir schon deutlich mehr Bewegung in allen Regionen.« Für CEVA habe es zuletzt hohe Steigerungen auf der Route von Europa nach Fernost gegeben. Ein Kontrakt für die Konsolidierung und Verschiffung von Autoteilen für die Montage in China, der 2009 mit fünf bis acht Vierzigfußcontainern pro Monat anlief, sei zwischenzeitlich auf 180 bis 200 Container pro Monat angewachsen. Für das Geschäft seien die Lagerkapazitäten von CEVA im Hamburger Hafen aufgestockt worden, so Brunner. Bei den Kunden sieht der Experte eine wachsende Neigung zur Bündelung von Transportmengen, um Frachtraum- und Lagerkapazitäten intensiver auslasten zu können. In der Ersatzteillogistik sei dies in einigen Ländern schon gang und gäbe. »In Großbritannien haben wir sechs OEMs für die Ersatzteildistribution zusammengebracht. Alle Beteiligten profitieren davon«, so Brunner. In anderen Segmenten der Land-, See- und Luftverkehre nehme die Kollaboration in Folge der Krise ebenfalls zu. Die früheren Widerstände seien »ganz klar gekippt«, konstatiert der Wirtschaftsingenieur. »In der Krise sind die Systeme überdacht worden. Man versucht nun stärker, gemeinsame Lösungen zu finden oder zumindest dieselben Dienstleister zu beauftragen.«

Hersteller treiben Beschaffungs-logistik voran

Fahrzeughersteller und First-Tier-Lieferanten, die den Herstellern direkt zuliefern, sind zudem bemüht, ihre Beschaffungslogistik auszubauen und noch mehr Teile ab Werk bei den Zulieferern einzukaufen. Der italienische LKW- und Baumaschinenhersteller Iveco nimmt die Eingangsverkehre (Inbound) seit 2006 zunehmend unter die eigenen Fittiche. Ein eigenes Dispositionssystem ist konzernweit seit längerem in Betrieb, aber noch seien nicht alle Lieferanten umgestellt worden. »Der Implementierungsplan läuft noch«, sagte Iveco-Supply Chain Manager Guide Maina. Das Zwischenergebnis lässt aufhorchen. So habe das Unternehmen den Komplettladungsverkehr gemessen in Lastkilometern seither um 12 % reduziert. Beispiel: Auf der Route von Norditalien nach Madrid habe Iveco pro Tag einen ganzen Sattelzug einsparen können, indem Fahrerhäuser und Batterien, die von den Lieferanten zuvor getrennt auf die Reise geschickt wurden, zusammengelegt wurden, so Maina. In anderen Bereichen seien die Lieferfrequenzen dafür gesteigert worden. »Vorher haben fast alle in geringer Frequenz angeliefert. Dadurch ließen sich die Transportkosten gering halten, doch dafür waren unsere Bestandskosten entsprechend höher«, blickt Maina kritisch zurück.

Der Zulieferer Continental arbeitet ebenfalls an der Einführung einer Beschaffungslogistik für den hoch diversifizierten Bereich der Nicht-Reifenprodukte. »In der Zukunft wollen wir Transportmanagement und Abwicklung selbst durchführen«, so Wolfgang Michel, Leiter Zoll, Transport und Verpackung bei dem Konzern. Im Inbound-Verkehr aus Ägypten sei es zum Beispiel gelungen, Leerfahrten zur Positionierung von Ladungsträgern durch Einführung von Einwegverpackungen zu verringern. »Je mehr Disposition wir übernehmen, desto mehr können wir machen«, unterstrich Michel.

Andere First-Tier-Lieferanten untersuchen schon, wie die Inbound-Verkehre ihrer Zulieferer gebündelt werden können, um auch die vorgelagerten Logistikkosten zu drosseln. Das Einsparpotenzial ist riesig«, sagte Baris Melek Dogan, Supply-Chain-Managerin des türkischen Autozulieferers Avon Automotive, der Schläuche und Plastikkomponenten für zahlreiche OEMs fertigt. Mit der Erfassung der Warenströme von den Vorlieferanten habe die Firma bereits begonnen. Nicht nur aus logistischen Überlegungen, sondern auch, um die Versorgung sicherzustellen. Bei den starken Nachfrageschwankungen der vergangenen Jahre »mussten wir mit den Zulieferern unserer Zulieferer zusammenarbeiten, um die Verfügbarkeit sicherzustellen«, verdeutlichte Dogan. Die Integration der Lieferketten von der Rohware bis zum Montage-Fließband werde in den kommenden Jahren immer wichtiger, meinen auch Berater wie Davide di Domenico von Booz & Co. Durch die Internationalisierung der Produktion und den erhöhten Verkehrsaufwand nähme der Anteil der Supply-Chain-Kosten am fertigen Auto zunächst einmal zu. »Das heißt, dass hier in den kommenden Jahren die größten Einsparungen gesucht werden«, so di Domenico.


mph