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Mit den Problemen bei der Beförderung von Erzen und Erzkonzen-traten in fester Form als Massengut befasst sich Uwe Kraft.

Im Laufe des Jahres 2009 sind zwei Schiffe mit Ladungen von »Iron ore fines« aus Indien gekentert und gesunken[ds_preview]. Im Laufe des Jahres 2010 sind drei Schiffe gesunken, die »Nickel ore concentrate« in indonesischen Häfen geladen hatten. In einigen Fällen ist erwiesen, in anderen ist zu vermuten, dass die Ladung breiartig geworden und übergegangen war, so dass die Schiffe kenterten. Insgesamt 50 Seeleute verloren bei den Unfällen ihr Leben.

Die maßgeblichen Vorschriften für die Beförderung fester Massengüter sind im IMSBC-Code (International Maritime Solid Bulk Cargo Code) enthalten. Der IMSBC-Code ordnet die Massengüter entsprechend den von ihnen ausgehenden Gefahren drei unterschiedlichen Ladungsgruppen zu: Gruppe A für Stoffe, die bei der Beförderung breiartig werden können, Gruppe B für Stoffe, von denen chemische Gefahren ausgehen, und Gruppe C für Stoffe ohne besondere Gefahren.

Iron Ore Fines

Eisenerz (iron ore) ist im IMSBC-Code als Ladung ohne besondere Gefahren in die Gruppe C eingestuft. Unter den Rubriken »description« and »characteristics« ist aufgeführt, dass die Ladung einen Feuchtigkeitsgehalt von 0 % bis 16 % hat und die Partikelgröße bis zu 250 mm beträgt. Es ist keine Mindestgröße aufgeführt, die die Partikel mindestens aufweisen müssen, um unter diesem Eintrag befördert werden zu dürfen. Es findet sich allerdings der Hinweis, dass Mineralkonzentrate (mineral concentrates) eine andere Art von Ladung dar­stellen. Auf den Eintrag Eisenkonzentat (iron concentrates) wird ausdrücklich hin­gewiesen. Eisenkonzentrat kann bei der Beförderung breiartig werden und ist deswegen im IMSBC-Code der Gruppe A zugeordnet.

Eisenerze werden im Anschluss an die Förderung aufbereitet und dabei vom größten Teil der nicht eisenhaltigen Gesteine getrennt. Bei der Aufbereitung wird das Rohmaterial zerkleinert. Dabei entstehen größere und kleinere Partikel (»lumps« und »fines«). Anschließend wird in einem weiteren Verfahrensschritt durch so genannte Flotation oder durch Magnet­scheidung ein Eisenerz­konzentrat gewonnen. Schließlich wird das Eisenerz­konzentrat zu Eisenerzpellets weiterverarbeitet. Eine Beförderung mit Seeschiffen kommt in jedem Stadium des Verarbeitungsprozesses in Betracht: nach der Zerkleinerung, nach der Aufkonzen­trierung oder nach der Pellettierung. Für die unterschiedlichen Verarbeitungs­zustände des Erzes sind folgende Eintragungen im IMSBC-Code vorgesehen:

• Iron Ore Group C (nach der Zerkleinerung)

• Iron Concentrate Group A (nach der Konzentrierung)

• Iron Ore Pellets Group C (nach der Pelletierung).

Eisenerzkonzentrat (Iron Concentrate) kann während der Beförderung breiartig werden, wenn der Feuchtig­keitsgehalt einen bestimmten Wert (Flow Moisture Point) übersteigt. Die Beförderung ist nur erlaubt, wenn die Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung (transportable moisture limit –TML) nicht überschritten ist. Daher ist Eisen­erzkonzentrat im IMSBC Code der Gruppe A zugeordnet.

Eisenerz (Iron Ore) ist grundsätzlich nicht der Gruppe A zugeordnet, da grobkörniges Eisenerz nicht dazu neigt, breiartig zu werden. Fein zerkleinertes Eisenerz (»Iron Ore Fines« haben nach Herstellerangabe (CNZ; Mumbai, India) eine Partikelgröße von 12 bis 100 mm und einen Eisenanteil von 62,5 bis 63,5 % )(siehe Abb. 1) hingegen kann ähnlich wie Eisenerzkonzentrat bei einem erhöhten Feuchtigkeitsgehalt in einen breiartigen Zustand übergehen. Insbesondere wenn die Ladung im Freien gelagert und starken Niederschlägen ausgesetzt war, nehmen die Erzpartikel bis zu 16 % Feuchtigkeit auf. Auf Grund der hohen Dichte des Erzes lastet auf der im unteren Bereich des Laderaums gestauten Ladung ein sehr hoher Druck. Verstärkt durch Vibrationen und Bewegungen des Schiffskörpers wird das Wasser, das in den Ladungspartikeln als Feuchtigkeit gebunden ist, herausgedrückt und die Reibung zwischen den Partikeln herabgesetzt. Auch wenn die Oberfläche der Ladung trocken zu sein scheint, kann in tieferen Schichten der Übergang in den zähflüssigen Zustand erfolgt sein. Wenn sich dann das Schiff im Seegang zu einer Seite neigt, fließt die Ladung möglicherweise auf ebendiese Seite, fließt jedoch unter Umständen bei der Neigung des Schiffes auf die andere Seite nicht vollständig auf jene andere Seite zurück. Auf diese Weise erhält das Schiff allmählich eine gefährliche Schlagseite, der aufrichtende Hebelarm ist durch den ladungsbedingten Krängungshebel reduziert und das Schiff kann plötzlich kentern. Deswegen muss bei einer Partie »Iron ore fines« genauso wie bei »Iron concentrates« vor der Verladung die Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung (TML) und der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt bestimmt werden. Die Verladung darf nur erfolgen, wenn die tatsächliche Feuchtigkeit der Ladung den TML-Wert nicht übersteigt. Ein diesbezüglicher Hinweis wird aber auf der Stoffseite für Eisenerz (Iron Ore) nicht gegeben.

Zwar sind auch die allgemeinen Hinweise in Abschnitt 7 des IMSBC-Codes immer zu beachten. Das bedeutet, dass Versender bzw. Verlader einer Massengutladung grund­sätzlich zu prüfen haben, ob die zur Verladung vorgesehene Ladung breiartig werden könnte. Gegebenenfalls haben sie dafür zu sorgen, dass die Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung und die aktuelle Feuchtigkeit zum Zeitpunkt der Verladung experimentell bestimmt werden. Die hierfür anwendbaren Verfahren sind in Anhang 2 des IMSBC-Codes detailliert beschrieben.

Allerdings hat der fehlende explizite Hinweis auf die Möglichkeit des Breiartigwerdens in der Stoffseite für Iron Ore dazu geführt, dass einzelne Versender von »Iron ore fines« die notwendigen Untersuchungen nicht durchgeführt haben, so dass Ladungen verschifft wurden, deren Feuchtigkeitsgehalt über der Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung lag. Dies war die Ursache dafür, dass im Jahr 2009 die Schiffe »Asian Forest« and »Black Rose« kenterten (North of England P&I, Circular 2010/38).

Eisenerze, die über indische Häfen verladen werden, liegen häufig in Form von »iron ore fines« vor. Die beschriebene Problematik betrifft daher insbesondere Verschiffungen über indische Häfen. Die indische Regierung brachte deshalb die mit der Beförderung von »iron ore fines« verbundene Problematik dem Maritime Safety Committee der IMO zur Kenntnis (IMO Document MSC 87/INF.13). Daraufhin gab die IMO am 12. Oktober 2010 ein Rundschreiben (DSC.1/Circ.63) heraus, in dem darauf hingewiesen wird, dass

• »iron ore fines« gegenwärtig nicht mit einem eigenen Eintrag im IMSBC Code aufgeführt sind;

• »iron ore fines« breiartig werden können und sie in dieser Hinsicht dem Abschnitt 7 des IMSBC-Codes unterliegen;

• für das Schiff die Gefahr des Kenterns besteht, wenn der Feuchtigkeitsgehalt der »iron ore fines« die Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung (TML) überschreitet;

• der Kapitän eines Schiffes diese Ladung nur übernehmen soll, wenn die Feuchtig­keitsgrenze für die Beförderung (TML) und der tatsächliche Feuchtigkeits­gehalt zum Zeitpunkt der Verladung in einem besonderen Zertifikat bescheinigt sind und der tatsächliche Feuchtigkeitsgehalt unter dem TML-Wert liegt;

• die Laderaumbilgen gegen das Eindringen dieser feinkörnigen Ladung abgedeckt werden.

Das Problem steht weiterhin auf der Tagesordnung des Unterausschusses Dangerous Goods, Solid Cargoes and Containers (DSC) der IMO. Es wurde vorgeschlagen, eine spezielle Stoffseite für »iron ore fines, group A« einzuführen (IMO Document DSC 15/4/16). Die Beratungen hierüber werden auf der kommenden Sitzung des DSC-Unterausschusses im September 2011 fortgesetzt.

Nickel Ore Concentrate

Im Verlauf des Jahres 2010 sind drei Schiffe gesunken, die Nickelerzkonzentrate in indonesischen Häfen geladen hatten:

• das Schiff »Fu Jian« am 27.10.2010

• das Schiff »Nasco Diamond« am 10.11.2010

• das Schiff »Hong Wei« am 03.12.2010. (BIMCO Report vom 07.12.2010)

Nickelerzkonzentrat ist im IMSBC-Code als Ladung der Gruppe A gelistet. Die Ladung darf nur befördert werden, wenn der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt niedriger ist als die Feuchtig­keits­­grenze für die Beförderung. Allem Anschein nach lag der aktuelle Feuchtig­keitsgehalt bei den Ladungen, bei deren Beförderung die Schiffe verloren gingen, über der Feuchtig­keitsgrenze für die Beförderung (transportable moisture limit – TML). Es wird von zwei weiteren Fällen berichtet, wo die Annahme einer Ladung von Nickelerzkonzentrat durch die Kapitäne der Schiffe verweigert wurde, da es deutliche Indizien dafür gab, dass die Feuchtigkeit in der Ladung über der TML lag (BIMCO Report vom 25.11.2010).

Der IMSBC Code schreibt vor, dass der Versender sowohl den TML als auch die tatsächliche Feuchtigkeit der zur Beförderung vorgesehenen Ladung durch Tests zu bestimmen hat und dass in einem Zertifikat, welches dem Kapitän des Schiffes zu übergeben ist, die aktuelle Feuchtigkeit der Ladung und der TML bescheinigt werden müssen.

Da die zur Verschiffung vorgesehenen Konzentrate in der Regel im Freien gelagert werden, sind sie Niederschlägen ausgesetzt. Das kann insbesondere in der tropischen Regenzeit dazu führen, dass die im Hafen gelagerten Erzkonzentrate den für die Verladung höchst­zulässigen Feuchtigkeitsgehalt überschreiten. Auf Seiten der Minenbetreiber besteht aber ein starkes ökonomisches Interesse, die zur Verladung bereitstehenden Konzentrate auf jeden Fall zu verladen.

Es wird berichtet, dass Sachverständige und Ladungskontrolleure von Minenbetreibern in Indonesien bedroht wurden. Sie wurden gehindert, Ladungsproben zu nehmen oder gar gezwungen, in den Ladungszertifikaten unrichtige Angaben über die Feuchtigkeit der Ladung zu machen. Berichtet wird auch, dass Minenbetreiber mit örtlichen Polizeibehörden »zusammenarbeiten« und mit Hilfe korrupter Polizisten einen verschärften Druck auf Ladungskontrolleure ausüben (Tradewinds, Ausgabe 14.01.2011). Dadurch wird die Beförderung von Ladung ermöglicht, die nicht sicher befördert werden kann. Somit ist es erforderlich, dass die Schiffsbesatzung die Angaben in den Zertifikaten, in denen die Transportfähigkeit des Konzentrats bescheinigt wird, auf Plausibilität überprüft.

Verfahren zur Bestimmung der aktuellen Feuchtigkeit und des TML

Die Ermittlung des aktuellen Feuchtigkeitsgehalts der Ladung sowie die Bestimmung der Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung erfordert eine Untersuchung von Ladungsproben in einem entsprechend ausgestatteten Labor. Die aktuelle Feuchtigkeit soll nach den Vorschriften des IMSBC-Codes nicht mehr als sieben Tage vor der Verladung bestimmt worden sein. Wenn die Ladung während dieser Zeit Niederschlag ausgesetzt war, sind neue Proben zu nehmen und die Messungen zu wiederholen.

Für eine repräsentative Probennahme sind mehrere Teilproben aus einer Tiefe von 50 cm unter der Oberfläche der Schütthalde zu ziehen. Für die Anzahl der Teilproben und die jeweilige Probenmenge gilt die in der Tabelle (oben) aufgeführte Abstufung.

Der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt der Ladung wird wie folgt bestimmt: Eine Ladungsprobe wird gewogen (m1) und im Wärmeofen solange getrocknet, bis keine Gewichtsreduzierung mehr feststellbar ist. Dann wird die getrocknete Probe gewogen (m2). Der Feuchtigkeits­gehalt in Prozent beträgt:

[(m1 – m2) / m1] · 100

Bei der Beförderung von Stoffen der Gruppe A muss der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt der Ladung unter der Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung (transportable moisture limit – TML) liegen. Diese Feuchtigkeitsgrenze für die Beförderung beträgt 90 % des Feuchtig­keitsgehalts, bei der die Breiförmigkeit der Ladung beginnt (flow moisture point – FMP):

TML = 0,9 FMP

Zur Bestimmung des »flow moisture points« gibt es drei anerkannte Verfahren:

• Flow Table Test, geeignet für Material mit einer Partikelgröße bis 7 mm

• Penetration Test, geeignet für Material mit Partikelgröße bis 25 mm

• Proctor / Fagerberg Test, geeignet für eine Partikelgröße bis 5 mm.

Die für den Test erforderlichen Apparaturen sowie die Durchführung des Tests sind im Anhang 2 zum IMSBC-Code detailliert beschrieben.

Plausibilitätskontrollen durch die Schiffsbesatzung

Die Besatzung eines Schiffes kann in einem Näherungsverfahren (dem so genannten »can test«) überprüfen, ob eine zur Verladung angediente Ladung breiartig werden kann. Hierfür wird ein zylindrischer Behälter (Fassungsvermögen 0,5 bis 1 Liter) zur Hälfte mit einer Probe des zu unter­suchenden Stoffes gefüllt (Abb. 2). Der Behälter wird in die Hand genommen und ruckartig aus einer Höhe von etwa 0,2 m auf eine harte Oberfläche gestoßen. Der Vorgang wird 25-mal in Abständen von ein bis zwei Sekunden wiederholt. Wenn nun an der Oberfläche des Stoffes im Behälter ungebundene Feuchtigkeit auftritt oder eine breiartige Konsistenz des Stoffes zu erkennen ist (Abb. 3), besteht grundsätzlich der Verdacht, dass der Stoff bei der Beförderung breiartig werden kann. Wenn die Ladungsdokumente hierzu keine eindeutige Aussage machen, ist der Stoff durch ein Labor oder, wenn das Labor unzuverlässig erscheint, durch ein zweites unab­hängiges Labor zu untersuchen, bevor er zur Verschiffung angenommen werden kann. Wenn nicht zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass der aktuelle Feuchtigkeitsgehalt der Ladung unterhalb des TML liegt, darf die Ladung nicht befördert werden.

Autor:

Uwe Kraft

Stellvertretender Hafenkapitän

Hansestadt Bremisches Hafenamt


Uwe Kraft