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Nach wenig mehr als fünf Jahren soll die ehemalige 100-Prozent-Tochter der damaligen Daimler Chrysler AG, die MTU Friedrichshafen GmbH, zumindest insoweit wieder unter das Dach von Daimler kommen, als das Unternehmen gemeinsam mit Rolls-Royce zunächst eine Mehrheitsbeteiligung an deren Muttergesellschaft, der Tognum AG, anstrebt.

Die Tognum AG gab am 7. März 2011 mit einer ad-hoc-Meldung bekannt, dass die Daimler AG und die[ds_preview] Rolls-Royce Group plc »den Erwerb einer Mehrheit an der Tognum AG zu gleichen Teilen erwägen«. Zwei Tage später gaben die beiden Unternehmen bekannt, dass sie beabsichtigen, das gesamte Grundkapital der Tognum AG zu erwerben und dazu ein Angebot abgeben wollen. Nach unbestätigten Meldungen ist dieses Angebot am 24. März 2011 bei der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) in Bonn eingegangen, die innerhalb von zehn bis 15 Arbeitstagen das Angebot prüfen und dann veröffentlichen muss. Zum Redaktionsschluss lag noch kein Ergebnis aus Bonn vor. Insofern stand auch die daran anschließende Stellungnahme des Tognum-Vorstandes mit einer Empfehlung für die Aktionäre der Gesellschaft noch aus. Wie jedoch zu hören war, soll das Angebot bei 24,00 € pro Aktie liegen.

Daimler und Rolls-Royce haben mit Tognum eine »Grundsatzvereinbarung« geschlossen, mit der bestimmte Voraussetzungen – aus der Sicht von Tognum – für eine derartige Übernahme festgelegt wurden. So soll unter anderem mit dem Einsatz von entsprechenden Mitteln für Forschung und Entwicklung sowie Investitionen in Sachanlagen die technische Spitzenstellung von Tognum erhalten bleiben. Friedrichshafen soll weiter »Hauptsitz« der Gesellschaft und Standort für Forschung und Entwicklung sowie für Produktion bleiben. Eine neue Muttergesellschaft, die dann wohl zu gleichen Teilen Daimler und Rolls-Royce gehören würde, soll ebenfalls ihren »Standort« in Friedrichshafen bekommen. Weiter wurde verabredet, dass Rolls-Royce das Brennstoffzellen-Geschäft von Tognum übernehmen würde (vgl. HANSA 2/2011, Seite 22).

Wieder ist es die Wachstumsstrategie, mit der in Friedrichshafen die Übernahme seitens Daimler und Rolls-Royce begrüßt wird, allerdings mit völlig anderem Vorzeichen, soweit Daimler betroffen ist. Auch in den Jahren 2005/2006 benötigte die MTU Friedrichshafen dringend Investitionen. Wie es damals hieß, war unter Langzeitbedingungen ein erfolgreiches Off-Highway-Geschäft der MTU nur zu erreichen, wenn unter Einsatz entsprechender Mittel Wachstum gesichert werden konnte. Die dafür benötigten Mittel vermochte die damalige Daimler Chrysler AG nicht bereitzu­stellen, im Gegenteil, sie benötigte selbst eine Verbesserung ihrer Liquidität. Diese erzielte sie mit dem Verkauf aller Geschäftsanteile an der MTU Friedrichshafen GmbH an den schwedischen Investor EQT zum Preis von 1,6 Mrd. €. Bei Daimler verbesserte sich damit die Liquidität um netto etwa 1 Mrd. €.

Zur Rolle von Tognum in einem Verbund mit Daimler und Rolls-Royce heißt es: »Tognum soll für Daimler und Rolls-Royce die Plattform für zukünftiges Wachstum in den Märkten für Antriebssysteme und dezentrale Energieerzeugungs­systeme werden.« Wie es weiter heißt, würden die Produktprogramme und Marktzugänge dieser Unternehmen »sich auf attraktive Weise ergänzen und insbesondere Tognum und Rolls-Royce neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit eröffnen«. Bei Schiffsantrieben mit Dieselmotoren sind beide Unternehmen fast im selben Leistungsbereich tätig, Rolls-Royce mit mittelschnelllaufenden Motoren bis zu 8.000 kW und Tognum über die MTU mit schnelllaufenden Motoren bis 9.100 kW, die von den Marktsegmenten her gesehen nicht in direkter Konkurrenz miteinander stehen. Bei Rolls-Royce befinden sich darüber hinaus die an dieser Stelle bereits mehrfach beschriebenen Gas-Ottomotoren mit Leistungen bis zu 7.000 kW im Programm, die für den direkten Schiffsantrieb zugelassen sind. Kartellrechtliche Bedenken sind bei diesen Programmen für die Übernahme kaum zu erwarten.

Nach Gründung der Tognum AG und deren frühem Börsengang schon 2007 – geplant war ursprünglich 2011 – übernahm die Daimler AG bereits im April 2008 die bei EQT nach dem Börsengang verbliebenen Aktien in Höhe von 22,3 %. Als Motiv für diesen Schritt wurde genannt, das Unternehmen wolle »durch die Übernahme dieser Anteile die langfristigen Lieferbeziehungen mit Tognum absichern«. Der Kaufpreis pro Aktie betrug seinerzeit 20,00 €. Damit kostete der Wiedereinstieg von Daimler in Friedrichshafen 585 Mio. €. Die von Daimler in diesem Zusammenhang angestrebte Sperrminorität war dann schon im dritten Quartal 2008 mit 25,35 % erreicht. Gegenwärtig hält Daimler an Tognum einen Anteil von 28,4 %.

Autor: Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Reuß

Freier Journalist

E-Mail: mail@pr-reuss.de

Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Reuß