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Michael Rathmann beschreibt einen Entwicklungstrend in der Containerschifffahrt und zieht Rückschlüsse für das zukünftige Neubau- und Schiffsbeteiligungsgeschäft

Die Containerschifffahrt ist sehr facettenreich und im Laufe der Zeit haben sich viele Veränderungen ergeben; dies wird auch in der[ds_preview] weiteren Zukunft so sein. Allein schon die Veränderungen in der Flottenstruktur haben gewaltige Umwälzungen mit sich gebracht, und die nächsten Änderungen in diesem Zweig der Schifffahrt kündigen sich bereits an.

Bevor wir uns mit den sich abzeichnenden Veränderungen befassen, ist es zum besseren Verständnis notwendig, einen Blick auf die Prognose des weltweiten Containerumschlags und die Entwicklung der Containerflotte zu werfen. Der weltweite Containerumschlag hat sich für die Jahre 2000 bis 2010 so entwickelt, wie es in der Grafik in der dunkleren Farbe dargestellt ist. Die Zahlen in Millionen TEU (Twenty Foot Equivalent Unit = ein Standardcontainer von 20 Fuß Länge und 14 Tonnen Beladung) zeigt die Tabelle 1. Für die Jahre 2011 bis 2016 wurden folgende Eskalationswerte zu Grunde gelegt: Die Steigerung von 2010 auf 2011 ist mit 8,5 % angesetzt und die von 2011 auf 2012 ist mit 8,4 %. Für die Folgejahre ist eine Steigerung von 6,5 % pro Jahr berechnet – dies sind sicherlich konservative Annahmen.

Diese Zahlen und die Grafik zeigen beeindruckend, mit welchen Steigerungen im weltweiten Containerumschlag die Experten rechnen. Natürlich ergibt sich aus diesen Wachstumsraten ein deutlich höherer Bedarf an Transportraum, damit diese Containerumschläge auch tatsächlich weltweit ausgeführt werden können. Die Tabelle 2 zeigt die Neuzugänge zur fahrenden Flotte mit den Stückzahlen und den jeweiligen Schiffsgrößen, die sich aus den weltweiten Orderbüchern ergeben. Sie enthält auch die erwarteten Abbruchzahlen. Aus diesen Stückzahlen errechnet sich die jeweilige Veränderung der Containerkapazitäten in TEU. Die Zahlenangaben stammen von Howe Robinson & Co. Ltd.,London, aus dem »First Quarter Containership Review 2011«.

Die Tabelle 2 ist bewusst in zwei Bereiche unterteilt: Zum einen stellt sie den Bereich der Containerschiffe zwischen 2.000 und 7.999 TEU dar, zum anderen ist nur der Bereich der Jumbo-Schiffe mit 8.000 TEU und größer erfasst. Den Bereich der Schiffsgrößen zwischen 2.000 und etwa 6.500 TEU bezeichne ich gern als »Workhorses«, die auf mittleren Fahrtstrecken das Containeraufkommen der Megacarrier verteilen. Da die Zahlen von Howe Robinson nur das Segment bis 7.999 TEU erfassen, wurde die Trennung erst hier vollzogen.

Die Zahlen sind nicht nur beeindruckend, sondern sie zeigen auch deutlich eine sehr interessante Entwicklung des Marktes. Der TEU-Zuwachs in den Bereichen bis 7.999 TEU hinkt deutlich hinter dem Wachstum der Großtonnage her. So verzeichnet die Großtonnage im Zeitraum von 2011 bis 2013 ein Wachstum um rund 2.797.000 TEU Containerkapazität, während das Transportvolumen der kleineren Schiffe auf rd. 922.000 TEU Container ansteigt. Die Differenz zwischen diesen beiden Bereichen beträgt 1.875.000 TEU. Der rechnerische Durchschnittswert der zusammengefassten kleineren Schiffstypen entspricht einem Schiff mit einer Ladekapazität von 5.000 TEU.

Um die Differenz der Containermengen zwischen den beiden Schiffsgrößenklassen mit solchen Durchschnittsschiffen bewegen zu können, bräuchte man davon 375, also – von der Stückzahl her betrachtet – mehr als doppelt so viele wie nach Abzug der erwarteten Abbruchzahlen zur Flotte hinzukommen werden (176 Schiffe).

Die Zahlen belegen deutlich, welche Nachfrage nach Containerschiffen der kleineren Bauart entstehen wird, um das Transportvolumen der Megacarrier von den Hub-Ports zu den Bestimmungshäfen zu bringen und umgekehrt. Als Hub-Ports bezeichnet man reine Umschlaghäfen, die sternförmig von Feederschiffen angelaufen und mit Ladung versorgt oder entlastet werden (Hub-and-spoke-System). Die großen Ladungsmengen werden mit den Megacarriern zwischen den Hub-Ports bewegt.

Aus den von Howe Robinson zur Verfügung gestellten Zahlen lassen sich noch viele weitere Modellrechnungen ableiten. So kann man beispielsweise errechnen, ob die Steigerung des weilweiten Containerumschlags von 503 Mio. TEU im vergangenen Jahr auf die prognostizierten 643 Mio.TEU im Jahr 2013 von der dann vorhandenen Tonnage bewegt werden kann etc. Davon nehme ich allerdings bewusst Abstand, weil hierfür sämtliche Prognosen in der dargelegten Form eintreffen müssten, doch das kann niemand garantieren. Unsicherheiten liegen in Stornierungen, abweichenden Abbruchzahlen oder möglichen Neubaubestellungen, die noch nicht bekannt sind.

Die oben dargelegten Fakten machen ersichtlich, welche entscheidende Rolle Feederschiffe unter 8.000 TEU zukünftig spielen werden. Nicht nur das reine Zahlenwerk spricht für eine positive Aussicht der kleineren Containerschiffe, auch der strategische Aufbau neuer Hub-Ports rückt diesen Schiffstyp in den Vordergrund. Dies soll am Beispiel des Hafens von Tanger in Marokko verdeutlicht werden.

Marokko hat eine Küstenlänge von 3.000 km. Der Außenhandel läuft zu 95 % über die 30 Häfen des Königreiches. Anfang der 1980er Jahre begann Marokko mit der Entwicklung eines Infrastrukturprogramms Häfen. Durch die Veränderungen in der Containerschifffahrt wurde dieses Infrastrukturprogramm modifiziert und fokussierte sich auf das Tanger Mediterranian Projekt. Dieses bestand im Ausbau eines strategisch gelegen Hafens im Norden Marokkos an einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt und nur 15 km vom Gebiet der Europäischen Union entfernt. Tanger-Med wurde als Transshipment-Hub-Port konzipiert, ausgerichtet auf einen Markt mit rund 600 Mio. erreichbaren Menschen.

Seit Beendigung der ersten Bauabschnitts steht in Tanger eine 1,6 km lange Kaianlage mit acht großen Containerbrücken zur Verfügung. Die Wassertiefe bis zu 18 m ermöglicht auch den größten Containerschiffen, diesen Hafen anzulaufen. Die derzeitige Umschlagkapazität liegt bei 3 Mio. TEU. Die Anlage ist ganz neu, riesengroß und bietet noch sehr viel Erweiterungsfläche. Zudem liegt Tanger-Med geostrategisch günstig für alle Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen an der Meerenge von Gibraltar. Große Containerschiffe mit Containern aus Asien entladen ihre Fracht in Tanger. Von dort wird sie mit Feederschiffen aller Größen zu ihren Bestimmungshäfen in Europa, Afrika, Ostküste USA und im Mittelmeerraum gebracht. Schon jetzt verlagern immer mehr Umschlagfirmen und Reedereien ihr Verladegeschäft von Europa nach Tanger. Der Konkurrenzdruck für die nördlicheren Häfen Europas wächst. Bremerhaven, Hamburg und Rotterdam bekommen dies bereits zu spüren.

Auch innerhalb des Mittelmeerraumes gibt es bereits erhebliche Veränderungen. So hat die Reederei Maersk rd. 500.000 TEU Umschlag aus Valencia abgezogen und nach Tanger verlagert. Vor kurzem wurde das Containerschiff »Ebba Maersk« in Tanger mit Containern aus Asien entladen und fuhr anschließend, neu beladen, mit rd. 15.000 Containern nach Amerika weiter. Momentan können vier Schiffe dieser Größe gleichzeitig an den Kaianlagen von Tanger liegen und abgefertigt werden.

Die Erweiterung des Hafens ist in vollem Gang. Der nächste Bauabschnitt wird vom staatlichen Terminalbetreiber, Marsa Maroc, bereits errichtet und soll ungefähr eine Verdreifachung des derzeitigen Containerumschlagvolumens bringen. Bis 2014 ist für Tanger ein Containerumschlag von 8 Mio. TEU geplant. Damit würde Tanger zu den 20 größten Containerhäfen weltweit gehören – ein ambitioniertes Ziel, aber nicht unrealistisch. Die bisherige Kaianlage teilen sich Maersk und Eurogate. Dies hat nicht nur bei Maersk zur Verlagerung von Containerumschlägen geführt. Eurogate Tanger S.A. wird von einem Konsortium betrieben, zu dem u.a. auch die Reedereien CMA CGM und MSC gehören. Ergo schlagen auch deren Schiffe mittlerweile in Tanger um.

Eurogate Tanger versteht sich als Common-user-Terminal und fertigt Schiffe aller Reedereien ab. Auch die deutsche Reederei Hamburg-Süd hat in diesem Jahr den Hafen von Tanger als Umschlagplatz in den Fahrplan aufgenommen. Hamburg-Süd plant dort für 2011 einen Containerumschlag von 70.000 TEU auf der Route von den USA und Südamerika ins Mittelmeer und weiter nach Fernost.

Tanger als Wendepunkt für die Megacarrier im Verkehr zwischen Asien und Europa zu nutzen, ist bei der Betrachtung der geografischen Verhältnisse schon unter wirtschaftlichen Gesichtpunkten sinnvoll. Der Seeweg von der Meerenge von Gibraltar nach Hamburg beträgt rd. 1.600 Seemeilen. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von nur 17 Knoten, mit der diese Schiffe aus Gründen der Treibstoffersparnis fahren, benötigt man für diesen Seeweg vier Tage. In einem bestehenden Liniendienst sind dies für den Hin- und Rückweg acht Tage. Bei dieser Geschwindigkeit beträgt der durchschnittliche Verbrauch ca. 100 t pro Tag, das bedeutet bei einem Bunkerpreis von derzeit US$ 600 pro Tonne eine Betriebskostenersparnis von rd. USD$ 480.000 pro Megacarrier, der diese Strecke nicht zu fahren braucht.

Diese Ersparnis relativiert sich jedoch durch den Einsatz der Feederschiffe, die nunmehr gebraucht werden, um die Container vom und zum Hafen von Tanger zu fahren. Die Kostendegressionseffekte, die mit den großen Schiffen erzielt werden, wirken sich mit der verkürzten Fahrstrecke deutlich günstiger aus als vorher. Einige der wichtigsten Häfen in Nordeuropa können von voll beladenen Schiffen gar nicht angefahren werden, da es hierfür an der notwendigen Wassertiefe fehlt. Bestes Beispiel dafür ist der Hafen von Hamburg.

Die Entwicklung der Containerschifffahrt in die Richtung der Hub-and-spoke-Systeme steht noch am Anfang, scheint sich aber fortzusetzen. Die Verlierer dieses Trends sitzen, soweit es um die Megacarrier geht, in Nordeuropa. Gewinner sind die Feederschiffe in allen Größen, die dann für völlig neue Liniendienste innerhalb Europas, im Mittelmeer, nach Afrika und Amerika benötigt werden.

Die Zukunft der Schiffe, die man heute als Feederschiffe sinnvoll einsetzen kann, ist auf Grund der beiden hier beschriebenen Aspekte für mehrere Jahre sehr positiv! Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, wann kleinere Containerschiffe wieder als Emissionen auf den Markt kommen werden. Der Bedarf ist da, aber die Baukapazitäten der weltweiten Werften sind durch den Bau von Großcontainerschiffen und Bulkern noch längere Zeit gebunden. Mit Neubauten im Feederbereich ist daher erst in zwei bis drei Jahren zu rechnen. Das wiederum macht den Chartermarkt, der durch die Krise unglaublich gelitten hat, aktuell sehr interessant.