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Beobachtung von der Hardthöhe von Christian Fischer

Als der Verfasser sich dem Drängen der Schriftleitung* nach diesem Beitrag nicht länger verweigern mochte, durfte er noch davon ausgehen[ds_preview], dass verteidigungs- und sicherheitspolitische Gesichtspunkte den Stellenwert der wehrtechnischen Industrie bestimmen. Tempi passati? Gleichzeitig treffen die Leistungen der deutschen Marine-Rüstungsindustrie auf wachsende Kritik, welche sich vor allem an der Durchführung des Vorhabens Korvette Klasse 130 (K130) entzündet. Die Marine-Werften selbst befinden sich in tief greifender Umgestaltung. Anlässe genug für eine Zusammenschau aus der Sicht des Verantwortlichen für die »Ausrüstung See«.

Industrielandschaften

Die deutsche U-Boot-Technologie genießt Weltruf und steht im Zentrum der Anerkenntnis und der Aufmerksamkeit zumindest der ausländischen Bedarfsträger wie der Rüstungsstrategen befreundeter Länder. Neben den gepanzerten Erzeugnissen der Heeresrüstung stehen vor allem die U-Boote für die im harten internationalen Wettbewerb erfolgreiche deutsche Wehrtechnik auf Systemebene. Wesentlich zu Ausbau und Festigung dieser Position tragen die vom Ursprung der U-Boot-Waffe an geschaffenen operativen Kenntnisse und Fähigkeiten der Marine bei, die sowohl in die Auslegung der U-Boote einfließt als auch den ausländischen Kunden im Wege der Ausbildung zugutekommt.

Die zur ThyssenKrupp Marine Systems AG (TKMS) gehörige Kieler HDW steht für das auch in der Ausfuhr unter weitgehender inländischer Wertschöpfung erfolgreiche Waffensystem »U-Boot«, wobei jedoch ein steigendes Verlangen ausländischer Kunden nach Beteiligung nationaler Industrien festzustellen ist. Dies erstreckt sich auch auf hochwertige Untersysteme wie den Torpedo DM2 A4, für den die Atlas-Elektronik GmbH den Ausfuhrkunden modernste Technologie anbieten muss, um im intensiven Wettbewerb zu bestehen. Die Deutsche Marine, welche bislang den leistungsfähigsten Schwergewichtstorpedo stets für sich beanspruchte, hat dies zur Unterstützung der Exportbemühungen und damit zum Erhalt dieser nationalen wehrtechnischen Kernfähigkeit akzeptiert.

Als Systemhaus begegnet uns die Atlas-Elektronik im Bereich der Minenabwehr, auf dem sie ihre weltweite Technologieführerschaft ebenso wie auf dem Gebiet der aktiven tieffrequenten Unterwasser-Ortung (LFTAS) wegen fehlender nationaler Referenzprojekte einschließlich der damit verbunden Aufträge einzubüßen droht.

Im Unterwasser-Bereich insgesamt ist die deutsche wehrtechnische Industrie weiterhin aktiver Teilnehmer am internationalen Wettbewerb. Sie verliert ihre starke Position jedoch mehr und mehr, weil die Umsetzung innovativer Referenzprojekte (IDAS, LFTAS, MJ 2000), die den Erhalt ihrer Alleinstellung sicherstellen könnten, seit Jahren ausbleibt und insbesondere der französische Wettbewerb ihr mit massiver staatlicher Unterstützung auf jedem einzelnen Marktsegment entgegentritt.

Das Interesse am Überwasser-Bereich der inländischen wehrtechnischen Industrie richtet sich gegenwärtig auf das Engagement von Abu Dhabi Mar (ADM) bei der TKMS, das für die TKMS Erleichterung in unauskömmlichen zivilen Bereichen sowie Verbesserung des weltweiten Zugangs zum Markt für Kampfschiffe und damit Chancen für eine nachhaltige Geschäftsentwicklung verspricht. Die Bundesregierung steht der neuen Partnerschaft aufgeschlossen gegenüber. Für den Verteidiger ist die alternativlose Verbindung mit ADM auch im Hinblick auf die hiermit bezweckte Bereinigung der Werftenlandschaft insoweit begrüßenswert, als sie jahrzehntelange Alimentationserwartungen – statt Wettbewerbs – von drei Großwerft-Standorten beendet, für welche zusammen die Beschaffungsvorhaben des Bundes zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben waren und die im Export von Überwasser-Kampfschiffen wenig Fortune bewiesen, abgesehen von den Zeiten materieller wie finanzieller Unterstützung durch die NATO und den Bund. Bedenken wegen des mit der Zergliederung und Veräußerung einhergehenden wirtschaftlichen Substanzverlusts des Auftragnehmers TKMS fielen im Verfahren nach dem Außenwirtschafts-Gesetz in Federführung des BMWi nicht besonders ins Gewicht, werden aber anlässlich künftiger Marine-Beschaffungsvorhaben des Bundes auszuräumen sein.

Mit dem Erwerb der Hollandse Signaal Apparaten B.V. durch vom französischen Staat kontrolliertes Kapital (Thomson-CSF) im Jahre 1990 kam der damaligen Blohm & Voss AG (B+V) schrittweise das W&F-Systemhaus abhanden. Mit dem Übergang auf THALES (2000) verlor Hengelo den Rest seiner Eigenständigkeit. Damit endeten auch die Exporterfolge der TKMS (zuletzt 1999 MEKO A200 SAN für Südafrika). Die seitherigen Versuche der B+V, später der TKMS, diese Funktion selbst zu übernehmen, musste das Unternehmen im Vorhaben Fregatte Klasse 125 (F125) aufgeben.

Nach einem verlorenen Jahrzehnt hat der Vorstand der TKMS vor dem Program Review F125 am 12.08.2009 mit einer unternehmerischen Entscheidung den Kurs neu bestimmt. Die Entwicklung des Einsatzsystems erfolgt seither durch ein »Innenkonsortium« von Atlas-Elektronik und TKMS, das wie in der Abbildung (oben) dargestellt der ARGE F125 zuarbeitet. Hierin besteht eine ebenso interessante wie begrüßenswerte Neuerung, mit welcher sich die überfällige Heranbildung eines nationalen W&F-Systemhauses abzeichnen kann. Bei konsequenter Fortführung begründet dieser Ansatz die Chance für den deutschen Wehrtechnik-Standort, nach langjähriger Stagnation den von den ausländischen Mitbewerber-Ländern längst geschaffenen Ressourcen (THALES, BAE, SELEX) im Wettbewerb auf Augenhöhe zu begegnen.

Seit Einrichtung des »Innenkonsortiums« und der Anpassung der Abläufe in der ARGE F125 und den beteiligten Unternehmen verläuft das Vorhaben im vertraglichen Zeit- und Kostenrahmen.

Diese Entwicklungen sollen den Blick auf die weiteren industriellen Akteure nicht verstellen, deren Teilhabe in allen Beschaffungsvorhaben von Überwasser-Systemträgern auf die eine oder andere Art mit scheinbar naturgesetzlicher Unausweichlichkeit eintritt: Die Friedrich Lürssen Werft mit ihren Tochterwerften und die Peene Werft, zuletzt Schauplatz der Kiellegung des dritten Einsatzgruppenversorgers.

Weiteres zum industriellen Tableau, besonders auch zu den Grundlagen der zunehmend an Gewicht gewinnenden Materialerhaltung der Marine, enthält der Beitrag von A. Schmidt »Aktuelle Veränderungen in der Deutschen Schiffbauindustrie«, Europäische Sicherheit Nr. 10/2010, S. 46 ff oder ders., »Deutsche Marine-Schiffbauindustrie«, MarineForum 10/2010, S 9 ff.

Friktionen

Der über die vergangenen Jahrzehnte erarbeitete Ruf der Erzeugnisse deutscher maritimer Wehrtechnik hat in letzter Zeit durch eine Reihe von tatsächlichen oder behaupteten Fehlleistungen (z.B. K130, U214 PAPANIKOLIS) gelitten. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sowohl im In- als auch im Ausland der Eindruck sich verfestigt hat, es laufe bei uns nicht mehr »rund«. Dies schwächt den im lebenswichtigen Export oft ausschlaggebenden Qualitätsnimbus des »German Engineering« als Käuferkriterium gegen Preisargumente oder politische Unterstützung der Mitbewerber. Im März 2009 traten bei der Erprobung der dritten Einheit der Klasse K130 »Oldenburg« Getriebeprobleme auf, die zur Stilllegung aller fünf Boote, auch der zuvor abgenommenen und in Dienst gestellten »Braunschweig« und »Magdeburg« führten. Aufgrund handwerklicher bzw. konstruktiver schiffstechnischer Mängel hatte der Auftragnehmer, die ARGE K130, die »Braunschweig« um sechs und die »Magdeburg« um über sieben Monate verspätet abgeliefert. Das einer breiten Öffentlichkeit bekannt gewordene Vorhaben K130 veranschaulicht Zusammenhänge, denen allgemeine Gültigkeit zukommt und im Folgenden näher darzustellen sind; es soll daher als Beispiel dienen.

Fakten

Die ARGE K130 stellte bei den nachfolgend mit dem Getriebehersteller Maag AG (Winterthur/Schweiz) unter fachlicher Begleitung der Amtsseite durchgeführten Befundungen an allen Getrieben der Korvetten Beschädigungen fest. Dies erforderte Untersuchungen der gesamten Antriebsanlage auf Fehlerursachen. Zusätzlich erfolgte ein Audit der Fertigung und Qualitätssicherung des Getriebeherstellers. Hierbei traten Mängel bei Konstruktion und Dokumentation der Getriebe sowie bei der Qualitätssicherung zutage, im Wesentlichen:

• Unzureichende Sicherung von im Räderkasten des Getriebes befindlichen Schrauben;

• Unzureichende Lagerung der zum Zahnradsatz des Getriebes gehörenden Zwischenräder im Räderkasten;

• Tribokorrosion an verschiedenen Stellen im Getriebe (durch Vibrationen geförderte Reibkorrosion);

• Sogenannte »Fressschäden« an den Wälzkörpern der Drucklager sowie

• Mängel der Montagedokumentation.

Die Auswahl des Getriebes erfolgte seinerzeit durch die ARGE K130 im Wettbewerb unter Kosten- und Gewichtsgesichtspunkten zugunsten der Maag AG als Unterauftragnehmer gegen den konkurrenzierenden inländischen Designkandidaten.

Die ARGE K130 hatte prozessbegleitend umfangreiche Nachweise zu erbringen, die in der Liste der zulassungspflichtigen Unterlagen sowie im Plan der Leistungsnachweise (Anlagen zum Bauvertrag) enthalten sind. Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) hatte die von der ARGE K130 zu erstellenden Konstruktionsunterlagen (u.a. Generalplan, Übersichtsskizzen, Anlagenschemata) auf technische Richtigkeit geprüft und genehmigt. Eine Prüfung der Konstruktionsunterlagen der von Unterauftragnehmern zugelieferten Systeme und Anlagen und damit auch des Getriebes erfolgte vertragsgemäß ausschließlich durch den Auftragnehmer ARGE K130. Für das Getriebe steht hier besonders die Qualitätssicherung der Maag AG in der Verantwortung.

Soweit der Befund. Die von ausländischer Seite im kleinen Kreis gestellte Frage »Könnt ihr keine Schiffe mehr bauen?« hat der Verfasser mehr als einmal zu beantworten versucht. Worauf also sind die aufgetretenen Probleme zurückzuführen? Die Vorhabenaufsicht des BMVg fasst die Ursachen zusammen:

• Fehlerhafte Konstruktion des Getriebes durch den Unterauftragnehmer.

• Der Auftragnehmer verfolgte mit der Auswahl dieses Getriebes eine vergleichsweise risikoreiche Lösung, ohne dass der für die Antriebsanlage innerhalb der ARGE K130 zuständige Konsorte bei Konstruktion und Nachweis der Getriebe seiner Integrationsverantwortung gerecht wurde.

• Kompetenz- und Kapazitätsverlust der Werften und der Unterauftragnehmer.

• Ursächlich für die schiffstechnischen Mängel ist die strukturelle Dynamik der Industrie besonders bei den Unterlieferanten durch Verkäufe und Umgliederungen im Rahmen der Globalisierung. Damit verbunden ist ein fortschreitender Kapazitäts- und Kompetenzverlust, der sich z.B. durch Personalkürzungen bei den Werften und den vermehrten Einsatz von Billiglohnkräften minderer Qualifikation bei den Zulieferern zeigt.

• Managementfehler des Auftragnehmers, z.B. unzureichendes Qualitätsmanagement (QM).

• Die Häufung von Problemen im schiffstechnischen Bereich beruht auf der Aufteilung der schiffstechnischen Arbeiten sowie der Verantwortlichkeiten bei der Ablieferung der Boote auf die einzelnen ARGE-Werften. Eine Koordination zwischen den unterschiedlichen QM-Systemen der Werften erfolgte nicht in ausreichendem Umfang, sodass erkannte Fehler des ersten Bootes beim Bau der nachfolgenden Boote erneut auftraten.

• Fokussierung des Auftragnehmers auf kaufmännische Aspekte bei der Durchführung.

• Aufseiten des ARGE-Managements ist eine vordringlich an kaufmännischen Gesichtspunkten (Aufwandsvermeidung) ausgerichtete Projektleitung zu beobachten, die Werftpersonal und Zulieferer unter erheblichen Druck setzt. Die Umsetzung des vertraglich vereinbarten Qualitätsmanagements gestaltete sich daher schwierig. Probleme wurden – selbst bei Vorliegen frühzeitiger Hinweise durch den Güteprüfdienst – von der ARGE K130 selten aktiv angegangen, sondern erst nach hinhaltender Fachdiskussion einer Lösung zugeführt. Auf diese Weise hat die ARGE K130 ein halbes Jahr lang versucht, das Problem durch claim management von sich fernzuhalten. Auf die Konsequenzen für die deutsche Marinerüstung insgesamt geht der Schluss dieses Beitrags ein.

Die Darstellung des Vorhabens K130 soll jedoch hiermit nicht enden. Die ARGE K130 ist auf die berechtigte Kritik an der auftragnehmerseitigen Durchführung eingegangen und hat im Dezember 2009 das Ruder herumgeworfen. Seither arbeitet sie die technischen Mängel systematisch ab.

Tatkräftige Unterstützung hierbei leisten das BWB und die Wehrtechnische Dienststelle 71. Den ebenso kompetenten wie engagierten Mitarbeitern sei an dieser Stelle Dank und Anerkennung für ihren Einsatz ausgesprochen.

Erfahrungen

Hieraus sind die folgenden Schlüsse zu ziehen:

• Die Industrie bedarf bei der Umsetzung innovativer Lösungen und Konzepte sowie bei der Auswahl nicht praxiserprobter Komponenten der intensiven Begleitung durch den kompetenten öffentlichen Auftraggeber.

• Unabdingbar für Marineprojekte ist daher der Erhalt der Beurteilungsfähigkeit des öffentlichen Auftraggebers, d.h. seines gut ausgebildeten und erfahrenen Fachpersonals.

• Die Verwendung funktionaler Leistungsbeschreibungen in den Bauverträgen erhöht das Risiko der Auswahl technischer Lösungen nach überwiegend kaufmännischen Gesichtspunkten. Bei kritischen Komponenten ist daher die Beteiligung des öffentlichen Auftraggebers bei der Auswahl der technischen Lösung sicherzustellen. Dies wurde bei F125 für zehn wichtige Untersysteme durch gemeinsam mit der ARGE F125 durchgeführte Bewertungsverfahren berücksichtigt.

• Bei erkannten Managementproblemen eines Auftragnehmers ist frühzeitiges und energisches Eingreifen des Projektleiters BWB z.B. in Form eines Qualitätssicherungs-Audits (wie beim Vorhaben K130 nach dem Getriebeschaden geschehen) erforderlich.

• Als Folgerung aus einer mangelnden Motivation des Auftragnehmers, Probleme entschlossen zu bearbeiten und abzustellen, ist für zukünftige Projekte die Aufwertung der spät im Projekt liegenden Zahlungsmeilensteine zu empfehlen.

Da die Aufträge des Bundes für »Ausrüstungsvorhaben See« so gut wie immer durch Arbeitsgemeinschaften (ARGE) erfüllt werden, ergeben sich Vorhaben übergreifende Gesichtspunkte, die über die Marinerüstung hinausgehen.

• ARGE sind – vor allem bei oligopolistischen Märkten – grundsätzlich wettbe­werbseinschränkend.

• Wie das Vorhaben K130, dessen Definitions- als auch Bauauftrag konkurrenzierend vergeben wurde, veranschaulicht, kann allein der Wettbewerb die Qualität der Vorhabendurchführung nicht sicherstellen.

• Erfahrungsgemäß begünstigen die internen Strukturen von ARGE keine straffe Vorhabenführung und damit -durchführung. Hierfür ist das klarere Verhältnis zwischen Auftragnehmer und Unterauftragnehmer deutlich besser geeignet als Gesellschafterversammlungen.

• Hierzu gehört auch der regelmäßig in unzureichendem Maße gegebene Zugriff des ARGE-Projektleiters auf die erforderlichen Ressourcen der Konsorten, welche jeweils abweichende Interessen verfolgen. Konflikte entstehen regelmäßig, wenn vom ARGE-Projektleiter in Anspruch genommene Unternehmensteile der Konsortial­partner eigene Verantwortung für ihre wirt­schaftlichen Ergebnisse tragen.

Allgemein ist feszustellen, dass

• die durchgängige Verantwortung des Hauptauftragnehmers für die Auswahl von Komponenten und Lieferanten sich als unverzichtbar erweist;

• eine rein kaufmännische Vorhabendurchführung unter einseitiger Beachtung des shareholder value zu unausgewogenen Ergebnissen und ins technische Nirwana führt;

• der querschnittliche Verlust qualitätsbewusster, insbesondere mittelständischer Unterauftragnehmer eingetreten ist. Dass von dieser Krankheit selbst industrielle Hersteller befallen sind, zeigt das Getriebeproblem K130 deutlich. Besonders das qualifizierte technische Personal fehlt überall;

• Vertragsstrafen alleine noch keine Qualität schaffen. Ihre rigorose Handhabung hat zum eingetretenen Verlust erfahrener Unterauftragnehmer maßgeblich beigetragen. Auch können Einkaufsabteilungen das erforderliche technische Projektmanagement eines Auftragnehmers nicht ersetzen.

• sich Hauptauftragnehmer aus den genannten Gründen generell nicht mehr unbesehen auf ihre Unterauftragnehmer verlassen können, wenn weiterhin die Qualität deutscher Erzeugnisse – statt politischer und persönlicher Einflussnahme – den Kunden überzeugen muss.

• die Hauptauftragnehmer daher den Leistungsprozess der Unterauftragnehmer wo erforderlich wieder aktiv begleiten müssen. Dies erfordert neben verstärktem Einsatz qualifizierten Personals vor allem Verständnis für die Prozesse der Unterauftragnehmer.

• der Bund das Qualitätsmanagement seiner Hauptauftragnehmer stärker fordern und begleiten muss. Der Abbau der Güteprüfung aufseiten des öffentlichen Auftraggebers folgte auch dem zeitgemäßen Trend »partnerschaftlichen« Umgangs mit der Industrie. Die zutage getretenen Konsequenzen dieses Wunschdenkens geben Anlass zur Neubewertung.

Perspektiven

Worauf müssen sich die maritime wehrtechnische Industrie Deutschlands und der öffentliche Auftraggeber nun einstellen? Aussagen zur anlaufenden Umstrukturierung sind an dieser Stelle nicht erhältlich, auch wenn viel von ihnen abhängt. Absehbar bestehen aber gewisse Tendenzen, die sich unabhängig von Strukturentscheidungen und deren Umsetzungen auswirken werden.

Ohne die Einführung der Minenvernichtungsdrohne »Seefuchs« der Atlas-Elek­tronik durch die Marine und ihre hierdurch mögliche kurzfristige Unterstützung eines Einsatzes hätte die Royal Navy sich kaum für das deutsche System entschieden. Haushaltsenge und Sparauflagen lassen der Deutschen Marine jedoch immer weniger Raum, um wie beim »Seefuchs« als Referenz für den Export zu fungieren. Hersteller für Sub-Systeme bemühen sich um reference navies im Ausland, bedauerlicherweise für Hochwert-Komponenten, die für die Deutsche Marine entwickelt wurden. Die Erfolge dieser Suche sind bislang allerdings überschaubar.

Auch Ausbildungsunterstützung zur Förderung der industriellen Ausfuhrbemühungen wird die Marine immer weniger leisten können. Ähnliches gilt für den Rüstungsbereich. Die hierfür erforderlichen Kapazitäten fallen wiederholten organisatorischen Reduzierungsrunden zum Opfer, weil die Aufgabe der Exportunterstützung weiterhin die zur Dienstposten-Begründung erforderliche Anerkennung nicht genießt. Die im Rahmen der Strukturreform von Bundeswehr und BMVg bekannt gewordenen Tendenzen legen kaum die Vermutung nahe, dass sich hieran etwas ändern wird.

Leider schließt dies die bisher enttäuschend verlaufenden Anläufe zur Institutionalisierung der Unterstützung des Exports von Wehrtechnik ein, sei es im BMVg, sei es ressortübergreifend. Angesichts der selbstverständlichen Interessenverfolgung unserer Mitbewerber-Länder ist der fortgesetzte deutsche Verzicht auf eine nationale Positionierung – wie sie zuletzt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie Friedrich Lürßen angeregt hat (s. H. Bartels in: Europäische Sicherheit 11/2010, S. 32 f), – nicht mehr nachzuvollziehen.

Das einzige planerisch abgesicherte Neuvorhaben der deutschen Marinerüstung stellt bis auf Weiteres der Doppelhüllen-Betriebsstofftanker (ab 2017) dar. Dieser »Planungsbegriff« dient zurzeit der Klärung, ob und wie weit eine alternative oder innovative Finanzierung – vor allem das hinsichtlich seiner Wirtschaftlichkeit für den Bund begründeten Zweifeln begegnende Leasing – in Betracht zu ziehen ist.

Noch kein planerisch gesichertes Vorhaben und vollkommen unter dem Vorbehalt der erwarteten Strukturentscheidungen stehend ist eine »K131«. Aus Sicht der »Ausrüstung See« ist ein solches Vorhaben wünschenswert zum Erhalt des Engineering der Werften wie der MTG und der eigenen Fähigkeiten. Die Entwicklung des nationalen W&F-Systemhauses (s.o.) ist an dieses Vorhaben gekoppelt; Aufträge zu Forschung und Entwicklung reichen hierfür ebenso wenig aus wie Erinnerungen an frühere Größe. Damit erfolgt mit den Entscheidungen zur Realisierung dieser nächsten Systemträger-Klasse der Marine die Weichenstellung für die Zukunft des Überwasser-Marineschiffbaus in Deutschland auf Systemebene.

Damit wird allein das Vorhaben F125 mit Sicherheit mittelfristig die Kapazitäten von Industrie und Amtsseite im Neubaubereich auslasten. Der Schwerpunkt der Amtsseite wird sich verlagern von der Vorhabendurchführung zur Materialerhaltung und vor allem zur Änderung in der Nutzung, die hierfür wesentlich stärker dem Systemgedanken folgen muss.

Kursvorgaben

Der Personalumfang der deutschen wehrtechnischen Industrie entspricht mit etwa 80.000 Beschäftigten der witterungsbedingten Schwankungsbreite des inländischen Baugewerbes. Ihr Anteil am Export ist so gering, dass er volkswirtschaftlich nicht zu Buche schlägt. Wehrtechnik ist in Deutschland mithin keine strategische Industrie: Die stets wohlinformierten Griephan-Briefe – Ausgaben vom 27.09. und 04.10.2010 – filtern dies aus der Berliner Luft. Rüster auf Amts- und Industrieseite haben diese Witterung schon länger aufgenommen, derart pointiert aber noch nicht zu lesen bekommen. Was ist hiervon, gerade im Hinblick auf die maritime Wehrtechnik, zu halten?

Zunächst ist festzustellen, dass diese Bestandaufnahme nach der volkswirtschaftlichen Bedeutung erfolgt und hierbei den quantitativen Aspekt in den Vordergrund stellt. Sie steht neben der herkömmlichen industriepolitischen Sichtweise, welche im breiten Konsens die Rüstungsbasis als militär- und sicherheitspolitisches Element, ausschlaggebend nicht nur für die nationalen Ressourcen der Verteidigung und der Hochtechnologie, sondern auch für die Kooperationsfähigkeit und die Stellung im Bündnis ansieht und die militär- und sicherheitspolitische Bedeutung akzentuiert.

Beide Auffassungen stehen nicht gegeneinander, sondern ergänzen sich. Dies bedeutet, dass keiner von ihnen der Vorzug vor der anderen gebührt. Die Aufgabe besteht darin, sie zu einer ausgewogenen, das heißt vernünftigen Betrachtungsweise zusammenzuführen. Ein Zurück zur reinen Industriepolitik ist damit ebenso ausgeschlossen wie die rein quantitative Betrachtung, wenn sachgerechte Entscheidungen zu treffen sind.

Hierbei kann die maritime wehrtechnische Industrie für sich keine Sonderstellung beanspruchen. Bei rascher und geräuscharmer Lösung des Falles K130 hätte ihr dies angesichts der begründeten Unzufriedenheit mit den Leistungen der Luft- und Landrüstungsindustrie gelingen können. Mit der an den Tag gelegten Handhabung hat sie jedoch die Gelegenheit verstreichen lassen, neben dem weltweit anerkannten Bereich der U-Boote auch den Überwasser-Kampfschiffbau als Zentrum nationaler Exzellenz zu etablieren. Es kommt jetzt darauf an, mit dem Vorhaben F125 diesem Ziel gerecht zu werden.

MinDirig Christian Fischer