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Verbände untermauern in Wilhelmshaven die Kritik an den Reformplänen. ZDS mahnt Investitionen in Hafenanbindungen und -infrastrukturen an. BÖB ruft Seehäfen zu Zusammenarbeit auf.

In Wilhelmshaven herrschte Einigkeit darüber, dass der Ausbau von seewärtigen Zufahrten und Hinterlandanbindungen von nationaler Bedeutung sei und dass die[ds_preview] Zusammenarbeit zwischen See- und Binnenhäfen verstärkt werden müsse. Zudem gab es deutliche Kritik an den aktuellen EU-Plänen zur Einführung einer Ausschrei­bungspflicht von Hafendienstleistungen sowie an den Bestrebungen des Bundesverkehrsministeriums, mit Blick auf künftige Investitionen eine Priorisierung der Wasserstraßen ausschließlich anhand der transportierten Gütermengen vorzunehmen. Dies waren die wesentlichen Ergebnisse auf der Nationalen Maritimen Konferenz in Bezug auf die Hafenwirtschaft und Logistik.

Vor allem die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) wurde sowohl auf dem Podium als auch im Publikum intensiv diskutiert. Zur Konferenz hatten 21 Verbände und Organisationen, unter ihnen die European River-Sea-Transport Union, der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) und der Zentralverband Deutscher Schiffsmakler (ZVDS), eine Resolution zu diesem Thema unterzeichnet. Angesichts begrenzter öffentlicher Haushaltsmittel sei zwar grundsätzlich der Ansatz zu unterstützen, die Wasserstraßen nach ihrer verkehrswirtschaftlichen Bedeutung zu priorisieren, heißt es in dem Papier. Das derzeit vom Verkehrsministerium vorgeschlagene alleinige Kriterium »Verkehrsaufkommen« dürfe allerdings bei der Bewertung nur eines von mehreren sein. Auch regional- und volkswirtschaftliche sowie umweltorientierte Kriterien müssten berücksichtigt werden.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hatte sich kurz vor dem Gipfeltreffen in Wilhelmshaven mit dem zweiten Bericht des Verkehrsministeriums zur Wasserstraßenreform befasst und dabei beschlossen, dass zunächst eine umfassende Aufgabenkritik durchzuführen sei, bevor über eine Veränderung der WSV-Organisation entschieden werden könne. Die Kategorisierung der Wasserstraßen war dabei ausdrücklich vom Verfahren getrennt und an den Verkehrsausschuss verwiesen worden, der Ende Juni mit Experten und Interessenvertretern eine Anhörung zu diesem Thema durchführen wollte. Man sei bereit, die Sache gemeinsam mit der Politik voranzubringen, betonte Podiumsteilnehmer Rainer Schäfer, Präsident des Bundesverbands Öffentlicher Binnenhäfen (BÖB), während des Hafen-Workshops in Wilhelmshaven.

Häfen von der Krise erholt

Die Diskussion machte deutlich, dass die Workshop-Teilnehmer hinsichtlich der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung mehrheitlich optimistisch in die Zukunft blicken. So erläuterte Klaus-Dieter Peters, Präsident des ZDS, dass beim aktuellen Wachstum des deutschen Seegüterumschlags von jährlich 3 % das Rekordergebnis von 2008 bereits in zwei Jahren wieder erreicht werde. »Die See- und Binnenhäfen haben sich schneller als erwartet von der Wirtschaftskrise erholt«, stellte auch Staatssekretär Klaus-Dieter Scheurle fest. In den kommenden 20 Jahren sei mit einer enormen Zunahme des Güterumschlags zu rechnen.

Für den Bund hätten die Zufahrten zu den Seehäfen sowie die Hinterlandanbindung eine höhere Priorität als andere, für die Gesamtwirtschaft weniger relevante Projekte, so der Staatssekretär: Es solle daher ein eigener Schwerpunkt zu diesem Thema eingerichtet werden, dessen Grundlage die in der Ahrensburger Liste aufgeführten Infrastrukturprojekte seien. Mit der Elbvertiefung werde es im Übrigen losgehen, sobald das erforderliche Baurecht vorliege, sagte Scheurle weiter. Er rechne damit, dass dies noch Ende 2011 geschehe. Der Baubeginn für die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenweser sei bei zügigem Verfahrensfortschritt noch im Sommer dieses Jahres möglich. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Binnenhäfen zu erhöhen und künftig noch zielgerichteter in die Binnenwasserstraßen zu investieren, habe das Verkehrsministerium ein Gutachten in Auftrag gegeben.

Der Staatssekretär verwies darüber hinaus auf das Nationale Hafenkonzept (siehe Infokasten S. 110), das allen Beteiligten einen Leitfaden biete, sich für die kommenden Herausforderungen zu rüsten. »Es reicht nicht, wichtige Dinge in ein Hafenkonzept zu schreiben«, erwiderte dagegen ZDS-Präsident Peters, »sondern es müssen jetzt auch Taten folgen.« Trotz eines zeitweise schwierigen Marktumfelds würden die Häfen zu ihrer Zusage von der Fünften Maritimen Konferenz im Jahr 2006 stehen, bis 2012 insgesamt 3,2 Mrd. € in die private Hafensuprastruktur zu investieren. Man erwarte daher jetzt vom Bund und von den Ländern, dass sie ebenfalls ihre Zusagen einhielten, bis zum kommenden Jahr 5,1 Mrd. € für die Hafenanbindung und 4,3 Mrd. € für die Hafeninfrastruktur zur Verfügung zu stellen, so Peters.

Ein »kritisches Wort an die Seehäfen« richtete BÖB-Präsident Rainer Schäfer: Sie müssten bereit sein, das Binnenschiff als aktiven und leistungsfähigen Partner zu akzeptieren. Hier sei man allerdings gemeinsam mit dem ZDS mittlerweile auf einem guten Weg hin zu einem kombinierten Verkehrssystem. Für die infrastrukturellen Voraussetzungen müsse jedoch der Bund sorgen.

Wachstumstreiber Offshore

Einig waren sich die Podiumsteilnehmer darin, dass die Offshore-Windenergie den deutschen Häfen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten große Chancen biete (siehe Artikel S. 56f). Ein Fortschrittsbericht zur Offshore-Windenergie, der den konkreten Bedarf und das Potenzial für Häfen und Schiffbau aufzeigt, wird derzeit im Verkehrsministerium in Zusammenarbeit mit dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium erarbeitet und soll nach Aussage von Scheurle bis zum Ende dieses Jahres vorliegen.

Ebenfalls unstrittig war die Feststellung, dass zusätzliche europäische Regelungen zu Konzessionen oder zur Vergabe von Hafenflächen, wie sie derzeit in der EU-Kommission diskutiert werden, nicht zielführend seien. ver.di-Fachbereichsleiter Erhard Ott erinnerte daran, dass schon die Hafenrichtlinien Port Package I und II am massiven Protest der Arbeiter gescheitert seien. »Wenn das wieder ein Thema wird, werden wir uns wehren«, so Ott. »Und wir fordern die verantwortlichen Politiker auf, das ebenfalls zu tun.«

Geleitet wurde der Hafen-Workshop vom niedersächsischen Wirtschaftsminister Jörg Bode. Er stellte abschließend fest: »Wenn alles umgesetzt wird, was wir für notwendig und wichtig halten, wird das eine Mammut­aufgabe – und zwar für Bund, Länder und Kommunen.«
Anne-Katrin Wehrmann