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Für die ersten Fernostfahrer ist die Schmerzgrenze erreicht. Nach dem erneuten Frachtratenverfall legen sie Kapazität auf Eis. Am Chartermarkt wächst nun die Sorge um die Raten der großen Schiffe.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die ersten großen Carrier die Reißleine ziehen. Bei Spot-Frachtraten von nur[ds_preview] 800 bis 900 US$ pro TEU ex Schanghai nach Nord­europa kann nun mal kein Linienreeder auf einen grünen Zweig kommen.

So überrascht es nicht, dass mit dem NE5-Dienst der CKYH-Allianz (Cosco, K Line, Yang Ming, Hanjin) ab Anfang Juli ein zweiter wöchentlicher Dienst auf der Fernost-Europa-Route aus dem Fahrplan genommen wird. Zuvor hatten sich die beiden kleineren Linienreedereien Pacific International Lines / PIL (Singapur) und Wan Hai Lines (Taiwan) bereits darauf verständigt, ihren mit Panamax-Schiffen bestückten Dienst auf derselben Strecke einzustellen.

Beide Dienste wurden mit vergleichsweise kleinen Schiffen (4.200 und 5.500 teu) betrieben und konnten der wachsenden Konkurrenz durch ultragroße Schiffe mit mehr als 13.000 teu Behälterkapazität und ihren viel geringeren Transportstückkosten wohl nicht mehr standhalten. PIL und Wan Hai bieten ihren Kunden weiterhin Verla­de­mög­lichkeiten durch eine Slot-Charter auf zwei Diensten von Cosco, während die CKYH-Carrier noch fünf andere Asien-Nordeuropa-Dienste unterhalten. »Wir betrachten die Entscheidung als einen richtigen Schritt zur Stabilisierung der immer noch fallenden Frachtraten in der Asien-Europa-Fahrt, aber sie wird wohl allein nicht ausreichen«, kommentierte der Analyst der Investmentbank Jefferies, Johnson Leung, in Hongkong. Der Experte geht davon aus, dass das wöchentliche Stellplatzangebot auf der Route die Nachfrage um 13 % übersteigt. Aus Agenturkreisen wird berichtet, dass die großen Schiffe die asiatischen Exporthäfen nur zu 80–85 % beladen verlassen, wobei die Werte unter den einzelnen Linien aber stark schwanken sollen.

Die Überkapazität hat in den vergangenen Monaten abermals für einen dramatischen Rückgang der Frachtraten gesorgt. »Viele Marktteilnehmer in China sind skeptisch, dass die Frachtraten schnell wieder anziehen, da die Reeder massiv um Ladung kämpfen und die Preise weiter reduzieren«, schrieben die Terminfracht-Broker von GFI/ACM in London. Clarkons äußerte hingegen vorsichtige Hoffnung. »Die ersten Anzeichen von Dienst-Umstruktierungen und dem Abzug von Kapazität aus dem westgehenden Hauptverkehr könnten ein Frühsignal dafür sein, dass sich die Marktverhältnisse ändern«, schrieben die Experten in einem Frachten-Report.

Schwache Vorgaben für den Zeitchartermarkt

Auch die Befrachtungsmakler und Tramp-Reeder im Zeitchartermarkt verfolgen die Situation gespannt, obwohl ihr Geschäft nur indirekt von der Frachtratenentwicklung abhängt. Generell gilt: Je schwächer die Container-Fracht, desto geringer die Attraktivität zusätzlicher Dienste, die mit Chartertonnage bestückt werden. Der Chartermarkt folgt zwar auch seinen eigenen Gesetzen von Angebot und Nachfrage, doch langfristig wirken sich Preisentwicklungen in dem einen Segment mit Verzögerung auf das andere aus. Die spannende Frage für Tramp-Reeder ist: Was passiert mit den Schiffen, die nun aus den Verkehren abgezogen werden? Wählen die Carrier den teureren, aber für den Gesamtmarkt günstigeren Weg des Auflegens? Oder wählen sie den für sich selbst weniger schmerzhaften, aber für die allgemeine Frachtratensituation widrigeren Weg der Weiterver-

mietung oder Verlegung von Tonnage in andere Fahrtgebiete? Letzteres würde schließlich bedeuten, dass die Kapazität weiterhin aktiv bleibt und das bestehende Überangebot somit nur anders verteilt wird auf globaler Ebene.

Die Erfahrung der vergangenen Wochen war ernüchternd. Haben zahlreiche Linien (CSAV, Cosco, Wan Hai, Hanjin etc.) doch bereits in beträchtlichem Umfang Schiffsraum an Wettbewerber vermietet und damit die Konkurrenz im Segment der Charterschiffe von mehr als 3.000 teu angeheizt. »In einigen Wochen waren die Hälfte aller gemeldeten Abschlüsse Relets«, beklagte Hansa-Treuhand-Chef Hermann Ebel bei einem Pressegspräch in Hamburg. In 20 Minuten seien die Abschlüsse, die häufig unter dem vorherrschenden Marktniveau getätigt werden, einmal um den Globus. »Das stört die Weiterentwicklung des Marktes nach oben, scheint nun aber zum Stillstand gekommen zu sein«, sagte der Reedereichef. Allerdings war die Streichung des CKH-Dienstes zu dem Zeitpunkt, als Ebel sprach, noch nicht öffentlich gemacht worden. Er äußerte auch Zuversicht, dass die Tagesraten im Spätsommer erneut anziehen würden, wenn die Relet-Aktivität nachlässt. Zum Erstaunen vieler Marktteilnehmer waren die Charterraten der Panamax-Schiffe trotz des erhöhten Angebots durch die Linientonnage noch recht stabil.

Maersk und MSC greifen bei Panamaxen zu

Zumindest die jüngsten Abschlüsse von Trampschiffen waren als vergleichsweise fest gewertet worden. So brachte die Norddeutsche Vermögen nach Maklerangaben die 4.600-TEU-Frachter »Northern Power« und »Northern Prelude« zu rd. 26.800 US$ pro Tag für zwölf Monate bei MSC und bei Maersk unter. Zuvor hatte der Hamburger Befrachtungsmanager Döhle vier Schiffe mit Behälterkapazitäten von je 4.132 TEU (»JPO Cancer«, »JPO Capricornus«, »JPO Libra«, »Bunga Raya Du Belas«) in einem Paket-Deal bei Maersk untergebracht bzw. ihre laufenden Chartern verlängert. Zwei der mit außerordentlich hoher Kühlcontainerkapazität ausgestatteten Einheiten sollen rückwirkend per Mitte April zu 26.500 US$, zwei weitere zur Anlieferung im Juli und August zu über 27.000 US$ pro Tag verchartert worden sein. Bei Maersk und MSC handelt es sich um die aktivsten Befrachter, allein schon weil sie ohnehin die größten Flotten disponieren. Marktteilnehmer gehen ferner davon aus, dass beide Carrier ihre starken Positionen weiter ausbauen wollen und zu den letzten gehören werden, die Dienstkapazitäten kappen werden.

Allgemein haben sich die Markterwartungen in Bezug auf die Charterraten in den vergangenen Wochen merklich abgekühlt, speziell im Hinblick auf das Panamax-Segment. Makler in Hamburg, Kopenhagen und London beurteilen die Situation recht einmütig. Fast alle warnen ihre Prinzipale auf der Tramp-Owner-Seite, dass die Raten angesichts der Entwicklung im Linienfrachtgeschäft unter Druck kommen müssen. »Es ist unbestreitbar, dass die Mehrheit der Linienoperateure ihre Aufmerksamkeit jetzt auf Konsolidierung und Rationalisierung von Diensten richtet, nicht auf die Aufnahme zusätzlicher Tonnage«, fasst ein Londoner Makler zusammen. Der Hamburger ConTex-Index ist in den vergangenen Wochen bereits leicht gesunken. Mitte Juni lag das führende Marktbarometer um 0,7 % unter dem Stand von Ende Mai.
Michael Hollmann