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Ein Kommentar aus Bremerhaven von Michael vom Baur

Auf der Tagung »Windstärke 11« war greifbar, dass sich »vor der deutschen Haustür« eine neue Branche formiert, die auch den traditionellen[ds_preview] Akteuren der maritimen Industrie attraktive Geschäftschancen bietet. Die Errichter der ersten Windparks und die beteiligten Lieferanten, Dienstleister und Behörden vollbringen täglich Pionierleistungen auf oftmals noch wenig bekanntem Terrain und das überwiegend sehr erfolgreich. Die Ziele der Bundes­regierung zum Ausbau von Offshore Wind sind ambitioniert.

Gleichzeitig werden aus Berlin beruhigende Signale gesendet, wonach die Versorgungssicherheit bei der radikalen Energiewende gegeben sei und sich die Kosten für die Stromverbraucher nur um 3–4 ct/kWh erhöhen sollen. Einige Beobachtungen und Ergebnisse der »Windstärke 11« geben in diesem Zusammenhang allerdings Anlass für Zweifel.

So warnten hochrangige Industrievertreter, dass man sich auch in den nächsten fünf Jahren in einer Pionier- und Lernphase befinden werde, was Verzögerungen und Mehrkosten bedeute. Weiterhin wurde auf die Finanzierungsengpässe sowie auf die begrenzte Anzahl einschlägig potenter Investoren hingewiesen. Mehr als die Hälfte der Branchenvertreter glauben nicht an ein Erreichen des 10-GW-Ziels im Jahr 2020. Zum Vergleich: Ende 2011 werden in deutschen Gewässern trotz aller Erfolge gerade etwa 0,5 GW installiert sein, soviel, wie die Bundesregierung schon für 2006 geplant hatte. Die Lücke zwischen Ziel und Realität könnte also trotz aller Erfolge bald mehrere Kernkraftwerke groß sein.

Fragezeichen stehen auch hinter der angemahnten Verringerung der Kosten für Betrieb und Instandhaltung, welche für die Erreichung der Strompreisziele notwendig sind. In Erfahrungsberichten sprechen Betreiber von Windparkversorgerschiffen klar aus, dass die Annahmen für die »alltäglichen« Logistikkosten zu optimistisch sind. Die derzeitige Anlagenverfügbarkeit »offshore« ist noch geringer als an Land oder »near shore«, was auch mit den Möglichkeiten zur Beseitigung kleiner Störungen bei jedem Wetter zusammenhängt.

Es sind also noch große Herausforderungen zu meistern, um Offshore-Wind als Eckpfeiler einer künftigen Energieversorgung auszubauen. Dabei ist Wirtschaft und Politik Realismus anzuraten – die Grundlagen des Industriestandortes Deutschland dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die norwegische und britische Offshore-Ölindustrie sind auch nicht in wenigen Jahren groß geworden. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass mit Offshore-Wind eine große Chance für maritime Industrie und Dienstleister eröffnet wird, die jetzt entschlossen und optimistisch ergriffen werden muss. Packen wir es an!
Michael vom Baur