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Die Kürzung der Lohnnebenkostenzuschüsse macht deutschgeflaggte Schiffe kaum mehr wettbewerbsfähig. Da Wilhelmshaven keine konkreten Ergebnisse brachte, droht nun eine Ausflaggungswelle.

Die Zeichen standen auf Sturm auf der Siebten Maritimen Konferenz in Wilhelmshaven, zumindest was die Zukunft des Maritimen Bündnisses anbetraf[ds_preview]. Und der Sturm kam auch heftig auf: Er rüttelte mit Macht an den an der Kaikante des JadeWeserPorts aufgebauten Zelten und entfaltete sich auch im Seeschifffahrts-Workshop.

Hintergrund war die im Rahmen der Haushaltskonsolidierung für 2011 vorgenommene drastische Kürzung des Finanzbeitrages für die Seeschifffahrt. »Damit ist es nicht mehr möglich, im bisherigen Umfang deutsche Seeleute unter deutscher Flagge zu beschäftigen«, lautete denn auch die Feststellung seitens des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) und seines Präsidenten Michael Behrendt in Bezug auf diese, seiner Ansicht nach massive Wettbewerbsverzerrung gegenüber anderen europäischen Flaggen.

Kritische Töne zu den Mittelkürzungen waren auch von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zu vernehmen. Ihr Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt, Karl-Heinz Biesold, merkte mit Blick auf das europäische Arbeitsmarktgefüge entsprechend an: »Ein Partner dieses einzigartigen Bündnisses – die Bundesregierung – steigt in der schwierigsten Zeit aus. Man entscheidet einfach, ohne Folgeabschätzungen.«

Dabei hatte dieses »Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt« bisher augenscheinlich gut funktioniert. Als Teil der im Jahre 2003 getroffenen Lübeck-Absprachen sieht es Finanzzuwendungen des Bundes vor, die »zur Sicherung der Bordarbeitsplätze von deutschen Seeleuten auf deutschen Handelsschiffen und des maritimen Know-how sowie zur Förderung der Ausbildung des seemännischen Nachwuchses« gewährt werden. Im Gegenzug hatten die deutschen Reeder zugesagt, ein entsprechendes Kontingent der Handelsflotte zurück zu flaggen. Insbesondere die »wegen Anpassung an den Verfügungsrahmen« im Bundeshaushalt 2011 vorgenommene Halbierung dieses Finanzbeitrages des Bundes auf nunmehr 28,7 Mio. € hatte bereits im Vorfeld von Wilhelmshaven für erhebliche Verunsicherung über das Fortbestehen des Maritimen Bündnisses geführt.

Mittel für Lohnnebenkosten sinken auf 24 Mio. €

Bei den Zuschüssen zu den Lohnnebenkosten, die für die Beschäftigten auf deutschgeflaggten Schiffen gewährt werden – je nach Schiffsgröße und Dienstgrad beträgt der Einzelzuschuss jährlich zwischen 9.400 und 16.700 € –, zeichnete sich auf dem Gipfeltreffen keine Wende zum Positiven ab. Im Bundeshaushalt stehen für diesen Teil der Übereinkunft in 2011 nunmehr nur noch rund 24 Mio. € zur Verfügung. Da von Verkehrsminister Peter Ramsauer zugesichert wurde, dass alle diesbezüglich bis Ende 2010 gestellten Anträge bearbeitet würden, reduzieren sich die hinsichtlich neuer Anträge zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für 2011 dementsprechend. Für den VDR kommt das einer Mittelkürzung um 90 Prozent gleich, da dann de facto nur noch neue Ausbildungsplätze finanziell unterstützt würden. Eine hierzu von Seiten der Bundesregierung in Aussicht gestellte »Kompensation« konnte die Gemüter wenig beruhigen, da sie offen ließ, welche konkreten Schritte denkbar seien. Auch die allgemeine Bekräftigung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sich das Maritime Bündnis als Plattform bewährt habe und diese »Erfolgsgeschichte« fortgeführt werden solle, überzeugte die Reeder angesichts der vagen Finanzsituation nicht wirklich.

Begrüßt wurde unterdessen, dass die Ausbildungsplatzförderung im bisherigen Umfang mit 5 Mio. € fortgeführt wird, wobei die Zuwendungen 25.500 € je Ausbildungsplatz betragen. Dies ist auch vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass sich im Bereich der seemännischen Ausbildung die Zahl der Berufseinsteiger seit 2003 mehr als verdoppelt hat.

Insgesamt bewertete die Reederschaft die wenig belastbaren Perspektiven für das Maritime Bündnis als enttäuschend. Einzelne Teilnehmer wie beispielsweise der Reeder Claus-Peter Offen sehen »erhebliche negative Auswirkungen« für den Schifffahrtsstandort Deutschland, sollte es bei der Kürzung des Finanzbeitrages bleiben (siehe Interview auf Seite 70). »Der Bund hätte das System nicht aufkündigen sollen«, sagt er. Skepsis über einen weiteren Verbleib des Unternehmensstandortes überwiegt auch beim VDR-Präsidenten Michael Behrendt, der nunmehr »bessere Bedingungen unter anderen europäischen Flaggen, etwa Malta, Zypern oder den Niederlanden« sieht. Zwar gäbe es das klare Bekenntnis zur Beibehaltung der Tonnage-Steuer (»ein unverzichtbares Instrument«) seitens der Bundesregierung, doch durch die Kürzungen der Beihilfen entfalle die Möglichkeit, die im EU-Vergleich für ein Schiff bis zu 500.000 € pro Jahr höheren Kosten deutlich zu reduzieren.

»Jede Seite hat einen Teil der Lasten übernommen, damit auf Schiffen unter deutscher Flagge Ausbildung und Beschäftigung erhöht wird. Die Reeder stehen zu ihrem Versprechen«, verkündete Behrendt in einer Stellungnahme. Durch die Reduzierung der Lohnnebenkostenzuschüsse sei es »nicht mehr möglich, im bisherigen Umfang deutsche Seeleute unter deutscher Flagge zu beschäftigen«. Sollte es dabei bleiben, gerate das Bündnis aus der Balance, so Behrendt weiter.

Schiffsbesetzungsordnung für ver.di ein »Tabu«-Thema

Dabei, und das wurde auf der Nationalen Maritimen Konferenz deutlich, gibt es einen breiten Konsens von Ländern, Gewerkschaften und Reedern bei dem Bemühen um eine Fortsetzung der Partnerschaft. »Aus den Lohnnebenkostenzuschüssen und dem Lohnsteuereinbehalt resultieren Arbeitsplätze. Darum muss mit den politisch Verantwortlichen darüber neu verhandelt werden«, sagte Karl-Heinz Biesold von ver.di. Einigkeit herrscht unter den maritimen Bündnispartnern auch bei der noch ausstehenden Ratifizierung des Seearbeitsübereinkommens (MLC, 2006) durch die Bundesregierung, insbesondere um in der Frage der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen in der Seeschifffahrt weiter voran zu kommen. Für Diskussionen sorgte dagegen die Anregung des VDR, die Schiffsbesetzungsordnung im Hinblick auf die Vorgaben für rückgeflaggte Schiffe zu verändern. Während das laut Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, auch als personalkostensenkende Maßnahme zur langfristigen Stärkung der deutschen Flagge geprüft werde könne, ist die tendenziell damit verbundene Abnahme der Bordarbeitsplätze für deutsche Seeleute in den Augen von ver.di ein »Tabu«. Und auch der hamburgische Wirtschaftssenator Frank Horch sieht es als nahezu ausgeschlossen an, dass die norddeutschen Bundesländer im Bundesrat ihre erforderliche Zustimmung zur Änderung der Schiffsbesetzungsordnung geben. »Ausbildung ist eines der wichtigsten Themen überhaupt. Es droht sonst weiteres Know-how für den Schifffahrtsstandort verloren zu gehen – ein ganz gefährlicher Weg«, argumentierte Horch in Wilhelmshaven.

Ungeachtet der unterschiedlichen Vorstellungen über einzelne Diskussionspunkte des Maritimen Bündnisses wurde jedoch die einhellige Meinung vertreten, sich nicht mit Allgemeinplätzen seitens der Bundesregierung zufrieden zu geben und dementsprechend um baldige konkrete Verhandlungen über eine »Kompensation« der finanziellen Einschnitte nachzusuchen. »Die Bundesregierung sollte diese Geschlossenheit und die dringende Mahnung auf dieser Konferenz ernst nehmen und ihren Kurs überdenken«, so VDR-Präsident Behrendt. Dass die Zeit dabei drängt, wurde auf der Konferenz durch die vielfach aufkommende Thematik Ausflaggung deutlich. So brachte beispielsweise Thorsten Mackenthun, Vorsitzender des Bremer Rhedervereins, die Stimmung unter den Reedern entsprechend zum Ausdruck: »Wenn nicht bald nach der Konferenz Entscheidungen fallen, werden viele Reeder ausflaggen.«

Mitarbeit: Nikos Späth


Birgit Nolte-Schuster