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Die Kürzung der Finanzbeihilfen für deutsche Seeleute lässt Reedern keine andere Wahl, als auszuflaggen.

Es ist sehr zu bedauern, dass es in Wilhelmshaven zu keiner Erneuerung des Maritimen Bündnisses gekommen ist. Unter den neuen[ds_preview] politischen Rahmenbedingungen ist das bisherige Flaggenkonzept der Reederei NSB nicht mehr zu halten. Wir ma­nagen derzeit 68 von 113 Schiffen unter deutscher Flagge, das entspricht – nach Bruttoraumzahl – rund 80 % der Flotte. Knapp 800 deutsche Seefahrer sind direkt bei uns beschäftigt. Damit sind wir führend in Deutschland.

Der Wettbewerbsnachteil wird durch die hohen Personalkosten nun einfach zu groß. Statt 250.000 € betragen die Mehrkosten durch das Personal künftig 430.000 € pro Schiff. Ausflaggungen werden unumgänglich sein! Langfristig ist mit der Entscheidung der Bundesregierung, die Zuschüsse zu den Lohnnebenkosten schon 2011 praktisch auf null zu reduzieren, sogar Deutschland als maritimer Standort in Frage gestellt! Insgesamt 400.000 Arbeitsplätze geraten in Gefahr.

Grundsätzlich ist die Philosophie der Reederei NSB, an der deutschen Flagge festzuhalten. Das sieht man deutlich an unserer Flaggenpolitik. Wir haben die Vereinbarungen des Maritimen Bündnisses mehr als eingehalten. Bleibt die Bundesregierung aber bei ihrer Entscheidung, wird NSB keine andere Wahl haben: Auf Drängen unserer Anleger werden wir unsere Schiffe ausflaggen müssen. Reagieren wir nicht, würden wir die Schiffe an einen günstigeren Schiffsmanager verlieren, der unter ausländischer Flagge fährt.

Insgesamt könnten durch den Wegfall der Lohnnebenkostenzuschüsse nach Schätzungen bis zu 60 % der Arbeitsplätze deutscher Seeleute betroffen sein. Die NSB-Geschäftsleitung steht aktuell in Gesprächen mit dem See-Betriebsrat, um einen Maßnahmenkatalog zu erstellen. Ziel ist es, möglichst viele der deutschen Seeleute halten zu können. Dies wird aber nicht ohne deutliche Einschnitte möglich sein. Auch alle Bemühungen um die Aus- und Weiterbildung wären damit in Frage gestellt. Wir haben einen intensiven Kontakt und Austausch mit den nautischen Bildungseinrichtungen in Cuxhaven, Elsfleth, Bremen und Warnemünde gepflegt und überproportional in Ausbildung investiert. Zu nennen wäre etwa die Ausbildungsförderung zum 4. Nautischen Wachoffizier. Überhaupt ist fraglich, ob es unter den gegebenen Voraussetzungen noch möglich ist, junge Leute für die Seeschifffahrt zu begeistern, da diese sich künftig auf dem internationalen Markt vergleichen müssen und die Anreize für den Beruf sinken.

Schafft es die deutsche maritime Wirtschaft im Übrigen nicht, die Kriterien unter den neuen Rahmenbedingungen der Bundesregierung einzuhalten, wird die Tonnagesteuer in Deutschland unter den Anforderungen der EU-Richtlinien nicht zu erhalten sein. Die EU-Richtlinien verlangen zum einen eine steigende Anzahl der unter EU-Flagge bereederten registrierten Schiffe mit einer Zielgröße von 60 %. Gemessen wird das als Anteil an der BRZ der in Deutschland registrierten Schiffe (derzeit ca. 3.750). Dieses Kriterium ist jedoch mehr als Indikator für die Kernforderung der EU zu verstehen: der steigenden Anzahl von Auszubildenden und Beschäftigten aus EU-Ländern auf in Deutschland registrierten Schiffen.

Wir hoffen selbstverständlich immer noch, dass die Bundesregierung den Ernst der Lage erkennt und die Entscheidungen überdenkt. Denn sie müsste wissen, dass die Zuschüsse keine Subvention sind, sondern eine Investition. Wenn man die Zuschüsse des Staates den Steuereinnahmen und Sozialabgaben gegenüberstellt, ist das Maritime Bündnis für den Bund auch ein finanzieller Erfolg. Während bislang in ein NSB-Musterschiff unter deutscher Flagge 207.000 € an Zuschüssen geflossen sind, kamen 315.000 € in die Staatskassen zurück (siehe Grafik).

Oft übersehen wird hierbei auch, dass Lohnsteuerabführungen sowie Sozialabgaben, die auf deutschen Schiffen beispielsweise für philippinische Seeleute anfallen, keine Gegenleistung gegenübersteht. Sie beziffern sich immerhin auf rund 25.000 € pro Schiff und Jahr. Diese Zahlen sollte sich der Finanzminister noch einmal eingehend anschauen – bevor es zu spät ist.

Autor:

Lutz Weber ist kaufmännischer Geschäftsführer der Reederei NSB in Buxtehude


Lutz Weber