Print Friendly, PDF & Email

Der nachfolgende Beitrag basiert auf einem Vortrag, den Dr. Fritz Frantzioch vor dem Nautischen Verein zu Hamburg gehalten hat

I. Einleitung

Das Bundesministerium der Justiz hat im Jahre 2004 eine Gruppe von Sachverständigen gebeten, Vorschläge für eine[ds_preview] Modernisierung des Seehandelsrechts auszuarbeiten. Die aus neun Personen bestehende Gruppe, zu denen auch der Vortragende gehört, hat im Juli 2004 ihre Arbeit aufgenommen und ihren Abschlussbericht am 27. August 2009 der (damaligen) Bundesministerin der Justiz überreicht (1). Leiter dieser Arbeitsgruppe war Prof. Dr. Rolf Herber. Das Ministerium war durch MR Dr. Beate Czerwenka vertreten, deren hohe Fachkenntnis für die Beratungen sehr wertvoll war.

In dem Bericht wird vorgeschlagen, das gesamte Fünfte Buch des Handelsgesetzbuches (HGB) neu zu konzipieren. Hierzu ist in Erinnerung zu rufen, dass das geltende Recht zu einem großen Teil aus dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) übernommen worden ist. Das ADHGB stammt von 1861, galt seit 1871 als Reichsgesetz und wurde durch das HGB vom 10. Mai 1897 abgelöst. Eine Angleichung der Vorschriften an das gleichzeitig erlassene Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterblieb.

Änderungen erfolgten bei der Umsetzung von internationalen seerechtlichen Übereinkommen, wie z.B. den Haager Regeln. Bei der vorzunehmenden Anpassung an die modernen Verhältnisse muss auch beachtet werden, dass das Seerecht mehr denn je Teil des gesamten Bereichs des Transportrechts und jeder Verkehrsträger, hier in erster Linie der Spediteur, in die rechtliche Position eines Verfrachters geraten kann, so durch eine Spedition zu festen Kosten.

Die Gruppe hat sich jährlich mindestens dreimal zu mehrtätigen Sitzungen getroffen und die Diskussionen waren in vielen Bereichen durchaus kontrovers, indes gelang es Prof. Dr. Herber mit seiner souveränen Verhandlungsleitung stets, einen Lösungsweg zu finden, dem alle oder fast alle Teilnehmer zustimmen konnten. Dabei ging es nicht nur um rein rechtswissenschaftliche Ansätze, sondern auch um die unterschiedlichen (wirtschaftlichen) Interessen der beteiligten Verkehrskreise, was mir indes aus meiner früheren Mitarbeit in der Sachverständigenkommission zur Reform des Transport­rechts in den 90er Jahren durchaus geläufig war. Man darf im Geschäftsleben – unabhängig vom rechtlichen Rahmen – nie die wirtschaftliche Macht eines Beteiligten außeracht lassen. Wer kann, diktiert die Bedingungen, unabhängig von dispositiven rechtlichen Regelungen. Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Richter im 6. Zivilsenat des HansOLG ist mir folgender Fall unvergesslich: ein Spediteur setzte in der Berufungsinstanz eine nicht unbedeutende Geldforderung rechtskräftig gegen einen großen Verlader durch. Monate später, während einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Transportrecht, erzählte mir beiläufig der Rechtsanwalt des Spediteurs, wie die Sache sich dann in der Praxis weiterentwickelt hatte. Der große Verlader stellte den Spediteur vor die Wahl, entweder auf der Bezahlung seiner Forderung zu bestehen, was das Ende der Geschäftsbeziehung zur Folge haben werde, oder aber auf den Anspruch zu verzichten, dann werde er weiterhin Aufträge erhalten. Selbstverständlich habe sich sein Mandant für die Variante 2 entschieden.

II. Grundentscheidungen der Sachverständigengruppe

Im Nachfolgenden sind die wesentlichen Grundentscheidungen der Sachverständigengruppe kurz darzustellen.

Das geltende Recht soll insgesamt gestrafft und den modernen Verhältnissen der Schifffahrt angepasst werden. Aus diesem Grunde soll das Rechtsinstitut der Partenreederei abgeschafft werden. Gleiches gilt für das Verklarungsverfahren. Die Vorschriften über die Stellung des Kapitäns sollen weitgehend aufgehoben werden; damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich die ursprünglich unternehmerähnliche Stellung des Kapitäns im Laufe der Zeit in eine arbeitnehmerähnliche Stellung gewandelt hat. Deutlich verschlankt werden sollen auch die Vorschriften über die Große Haverei. Diese sollen enger an die York-Antwerp-Regeln angepasst werden; die Regelungen über die Besondere Haverei, die Uneigentliche Haverei sowie die Kleine Haverei sollen entfallen.

Das Seefrachtrecht soll sich weitgehend an den Vorschriften des im Vierten Buch des Handelsgesetzbuches verankerten allgemeinen Frachtrechts orientieren.

Das neue Seefrachtrecht soll insbesondere in folgenden Punkten vom geltenden Seefrachtrecht abweichen: Der Haftungsausschluss bei nautischem Verschulden der Leute des Verfrachters soll nicht beibehalten werden.

Das Konnossementsrecht soll in Systematik in Terminologie mehr an das Wertpa­pierrecht angeglichen werden.

Erstmals ausdrücklich geregelt werden sollen die Bareboat-Charter und die Zeitcharter als besondere Formen des Schiffs­überlassungsvertrages.

III. Drei Teilbereiche der vorgeschlagenen Neuregelungen

1. Stückgutvertrag

In den Beratungen zu diesem Teilabschnitt ging es einerseits darum, ob und in welchem Umfang Regelungen aus dem Landfrachtrecht übernommen werden sollten und konnten und andererseits wurde darauf geachtet, keinen deutschen Alleingang zu unternehmen, sondern in die Überlegungen wurde einbezogen, wie entsprechende gesetzliche Bestimmungen in den maßgeblich am Seehandelsrecht beteiligten Staaten lauten. Eine Gegenüberstellung der Vorschriften aus dem Landfrachtrecht mit denen aus dem Seefrachtrecht zur Haftung für Güterschäden und umgekehrt, zeigte alsbald, dass die Besonderheiten des Seeverkehrs eigenständige Regelungen erforderten, was nicht ausschloss, dort, wo es angezeigt war, Bestimmungen aus dem Landfrachtrecht zu übernehmen. Einer der Kernpunkte unserer Vorschläge ist, dass es bei der Haftung des Verfrachters für vermutetes Verschulden bleibt. Wir halten an den Grundsätzen der Haag-Visby-Regeln fest. Im Gegensatz zu § 662 HGB ist aber keine zwingende Mindesthaftung vorgesehen. Wohl ist auch nach unseren Vorschlägen die Haftung des Verfrachters »AGB-fest«, d.h. sie kann nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden, aber dies ist durch individuelle Vereinbarungen möglich.

Für ein besseres Verständnis der neuen – vorgeschlagenen – Regelungen ist es angezeigt, zunächst die geltenden Bestimmungen im deutschen Seefrachtrecht kurz zu schildern.

Die Haftung für Verlust oder Beschädigung von Gütern während der Seereise ist in erster Linie in den §§ 606 bis 613 HGB geregelt. Nach § 606 Satz 2 HGB haftet der Verfrachter für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung der Güter in der Zeit von der Annahme bis zur Ablieferung entsteht, wobei er mit der Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters zu verfahren hat. Es handelt sich um eine Haftung für vermutetes Verschulden, wobei der Verfrachter nur für das sog. kommerzielle Verschulden der Schiffsbesatzung und seiner Leute einzustehen hat. Daneben besteht eine Haftung des Verfrachters in den Fällen der anfänglichen See- und / oder Ladungsuntüchtigkeit des Schiffes, § 559 HGB, auch dies eine Verschuldenshaftung. § 608 HGB listet in Abs. 1 unter den Nummern 1–7 die Fälle auf, in denen der Verfrachter nicht für Schäden haftet. Alle Fälle betreffen Ereignisse, die mit dem Betrieb und den Gefahren der Seefahrt zusammenhängen. Aber entscheidender ist der in § 607 Abs. 2 HGB enthaltene Haftungsausschluss bei Schäden, die entstanden sind durch sog. nautisches Verschulden oder durch Feuer. Diese Haftungsfreistellung entspricht wohl den Haager Regeln von 1924, sie hat aber immer wieder Anlass zu Diskussionen in der Literatur und in der Rechtsprechung gegeben, ob ein derartiger Haftungsausschluss heute noch zeitgemäß ist.

Die Höhe des zu leistenden Wertersatzes findet sich in §§ 658–660 HGB. Hier ist die Beschränkung der Haftung auf zwei Rechnungseinheiten Sonderziehungsrechte (SZR) je Kilogramm der verlorenen oder beschädigten Güter von Bedeutung. Weiter hat der Verfrachter nur Ersatz für den reinen Güterschaden zu leisten.

Wie sieht nun die Neuregelung aus?

Die Haftung für Güterschäden soll sich wie bisher an den Haager Regeln orientieren. Es wird jedoch vorgeschlagen, das für Deutschland noch gültige Abkommen von 1924 zu kündigen, um u.a. eine nicht mehr zeitgemäße Haftungsfreiheit des Verfrachters beseitigen zu können, nämlich für Schäden, die durch das sog. nautische Verschulden oder durch Feuer verursacht worden sind. Die Übernahme neuerer Abkommen wie die Haag-Visby-Regeln von 1968 wird nicht empfohlen. Die Rotterdam-Regeln von 2008 liegen jetzt zur Zeichnung auf, wobei aber durchaus ungewiss ist, wann sie in Kraft treten werden. Die Sachverständigengruppe schlägt indes vor, was sich von selbst versteht, bei der Ausgestaltung der neuen seefrachtrechtlichen Bestimmungen die neueren Übereinkommen zu berücksichtigen.

Ausgangspunkte für eine Haftung des Verfrachters sind der Beförderungsvertrag und die Verpflichtung des Verfrachters hieraus. Die Beförderungsverträge finden sich im zweiten Abschnitt des Entwurfs. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen Güterbeförderungsverträgen (§§ 481–531 HGB-E, erster Unterabschnitt) und Personenbeförderungsverträgen (§§ 532, 533 HGB-E, zweiter Unterabschnitt).

Bei Verträgen, die die Beförderung von Gütern zum Inhalt haben, ist zu trennen zwischen Stückgutfrachtverträgen (§§ 481 – 523 HGB-E, erster Titel) und Reisefrachtverträgen (§§ 524–533 HGB-E, zweiter Titel). Hier geht es zunächst um die Haftung des Verfrachters für Güterschäden, wenn ein Stückgutvertrag geschlossen worden war, anschließend gehe ich auf die Haftung für Güterschäden ein, wenn ein Reisefrachtvertrag vorliegt.

Andere Vertragstypen sind die Schiffsmiete und der Zeitchartervertrag.

Die grundlegende Verpflichtung des Verfrachters aus einem Stückgutfrachtvertrag enthält § 481 Abs. 1 HGB-E: »Durch den Seefrachtvertrag wird der Verfrachter verpflichtet, das Gut mit einem Schiff über See zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern.«

Die Formulierung orientiert sich am Landfrachtrecht und dort an § 407 HGB, was auch so gewollt ist. Das Transportmittel wird sehr allgemein als »Schiff« bezeichnet. Die Abgrenzung zur Beförderung auf Binnengewässern, was zur Anwendbarkeit von §§ 407 ff. HGB führen würde, erfolgt durch die Worte »über See«. Liegt eine Beförderung über Binnen- und Seegewässer vor, so beantwortet sich die Frage, ob Landfrachtrecht oder Seefrachtrecht anzuwenden ist, nach § 450 HGB.

In der Sachverständigengruppe wurde dabei kontrovers diskutiert, ob es nicht richtiger »zur See« heißen sollte, so wie in § 452 HGB und § 663b HGB. Eine neue Formulierung könnte den nicht gewollten Eindruck erwecken, es sei etwas anderes gemeint als die jetzige Regelung. Dem ist nicht so. Der neue Begriff wurde nur deshalb gewählt, weil er in der Praxis geläufiger ist.

Gravierender war in diesem Absatz aber die Frage, ob es Bestimmungshafen oder Bestimmungsort heißen müsse. Für Hafen spricht, dass damit klar und eindeutig zum Ausdruck kommt, dass es nur um eine Beförderung über See mit einem Schiff geht, in Abgrenzung zum Multimodaltransport. Eingewendet wurde dagegen, dass es auch durchaus Bestimmungsorte geben kann, die keine Häfen sind, wie z. B. eine Bohrplattform oder die Offshore-Windparks. Durch das Einfügen der Worte »über See« ist nun klargestellt, dass Multimodalver­träge nicht erfasst werden.

Die grundlegende Haftungsregel findet sich in § 510 HGB-E: »Der Verfrachter haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreiten der Lieferfrist entsteht. Dies gilt nicht, soweit der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten.«

Die Haftung soll weiterhin grundsätzlich an den international anerkannten Haftungsprinzipien ausgerichtet sein. Deshalb ist keine dem Landfrachtrecht entsprechende Bestimmung übernommen worden, nämlich die aus § 425 HGB, eine Haftung für bei größter Sorgfalt vermeidbare Güterschäden, mithin eine verschuldensunabhängige Haftung, wie § 426 HGB zu entnehmen ist. Es verbleibt vielmehr bei einer Verschuldenshaftung des Verfrachters.

Von der Diktion her entspricht § 510 Satz 1 HGB-E wohl zunächst § 425 Abs. 1 HGB, aber durch die Formulierung in § 510 Satz 2 HGB-E wird klargestellt, dass es sich um eine Verschuldenshaftung handelt, heißt es doch dort: »Dies gilt nicht, soweit der Verlust, die Beschädigung oder die Überschreitung der Lieferfrist auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters nicht abgewendet werden konnten.«

In § 510 Satz 1 HGB-E taucht ein dem Seerechtler bisher nicht geläufiges Wort auf, nämlich die Lieferfristüberschreitung. Das geltende Seefrachtrecht kennt diesen Haftungsgrund nicht. Die Sachverständigengruppe hat sich (auch) mit dieser Frage eingehend befasst. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass anders als im Landfrachtrecht, genaue Lieferfristen praktisch nicht vereinbart werden. Wie auch? Es gibt so viele Gründe, dass sich ein Schiff verspäten kann, ohne dass der Verfrachter dies von vornherein kalkulieren kann. Weiter können die Fahrpläne der Linienreedereien nicht dazu herangezogen werden, um eine Lieferfrist als vereinbart anzusehen. Andererseits ging es bei den Beratungen der Sachverständigengruppe darum, immer, wenn möglich, einen Gleichklang mit dem Landfrachtrecht herzustellen. Deshalb ist in § 494 HGB-E eine Bestimmung über die Lieferfrist aufgenommen worden: »Der Verfrachter ist verpflichtet, das Gut innerhalb der vereinbarten Frist oder mangels Vereinbarung innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen Verfrachter unter Berücksichtigung der Umstände vernünftigerweise zuzubilligen ist (Lieferfrist).«

Damit korrespondiert dann die Haftung für Verspätungsschäden in § 510 HGB-E.

Ein ganz wesentlicher Punkt der neuen Regelung ist, dass der Verfrachter sich nicht mehr dadurch von seiner Haftung befreien kann (oder zumindest wie bisher es versucht), dass er geltend macht, der Schaden sei durch ein Verhalten bei der Führung oder sonstigen Bedienung des Schiffes der Besatzung (sog. nautisches Verschulden) oder durch Feuer entstanden. Dieses Entfallen der Haftungsprivilegierung des Verfrachters setzt aber voraus, dass die Haager Regeln gekündigt werden, da das Bestandteil der Haager Regeln ist.

Ein Anachronismus, der aus meiner persönlichen Sicht dringend beseitigt werden muss. Der 6. Zivilsenat des HansOLG, dessen Mitglied ich fast ein Vierteljahrhundert gewesen bin, hat das ausdrücklich in der Entscheidung MV »CITA« festgehalten (2). Dieses Schiff war auf Grund gelaufen, weil der wachhabende Offizier auf der Bücke eingeschlafen war und eine notwendige Kursänderung deshalb nicht vorgenommen hatte. Dabei musste der Senat sich auch mit der Frage befassen, ob Schlafen, d.h. Nichtstun, überhaupt ein Verhalten im Sinne von § 607 Abs. 2 HGB ist, was zu bejahen ist.

Ebenso ist festzuhalten, dass im Gegensatz zur Segelschiffszeit der Verfrachter auch für Schäden durch Feuer an Bord zu haften hat. Dass muss nicht weiter ausgeführt werden angesichts der geltenden umfangreichen Bestimmungen, feuerhemmende Maßnahmen ergreifen zu müssen und den heute überall vorhandenen Möglichkeiten, den Ausbruch eines Feuers zu verhindern, wobei ja auch die Schiffsbesatzungen entsprechend geschult und weitergebildet werden, sowohl in Einrichtungen an Land als auch an Bord.

Die neue Haftungsregelung beseitigt ein weiteres aus meiner Sicht nicht gebotenes Haftungsprivileg des Verfrachters, nämlich die Möglichkeit, sich durch Konnossementsbedingungen von Landschäden freizeichnen zu können. Das sind solche Schäden, die vor dem Laden oder nach dem Löschen an dem Gut entstehen können, solange es sich in der Obhut des Verfrachters befindet. Wie und in welchem Umfang Ersatz zu leisten ist, kann den §§ 513–516 HGB-E entnommen werden. Es verbleibt zunächst bei dem bisher geltenden Grundsatz, dass für Verlust oder Beschädigung der Güter Wertersatz zu leisten ist. Das entspricht §§ 658, 659 HGB sowie § 429 HGB für das Landfrachtrecht.

Es ist der Wert zu ersetzen, den das verlorene Gut bei fristgemäßer Ablieferung am vertraglich vereinbarten Bestimmungsort gehabt hätte, § 513 Abs. 1 HGB-E.

Es gibt weiterhin nur Wertersatz. Der Ersatz von entgangenem Gewinn, der sich nicht im Marktpreis oder dem gemeinen Wert niederschlägt, sowie von sonstigen mit dem Verlust verbundenen Folgeschäden, ist ausgeschlossen.

Die Haftung des Verfrachters bei Verlust oder Beschädigung des Gutes ist auf einen Höchstbetrag von 875 Sonderziehungsrechten (SZR) für das Stück oder die Einheit oder aber auf 3 SZR für das Kilogramm des Rohgewichtes der verlorenen oder beschädigten Güter beschränkt. Das liegt geringfügig über den jetzigen Höchstbeträgen von 666,67 SZR bzw. 2 SZR und entspricht den Werten in den Rotterdam Regeln, dort Artikel 59. Es war in der Sachverständigengruppe durchaus angedacht, ob die Regelung aus dem Landfrachtrecht übernommen werden sollte, nämlich 8,33 SZR, § 431 HGB. Dagegen sprach die sog. Containerklausel des § 660 Abs. 2 HGB, die in § 515 HGB-E übernommen wird. Werden die Güter, die sich in einem Container befinden, im Konnossement oder im Seefrachtbrief im Einzelnen aufgeführt, so gilt für jedes Stück der Höchstbetrag von 875 SZR. Weiter musste vermieden werden, dass mit den 8,33 SZR ein nationaler Alleingang erfolgen würde.

Schlussendlich hat sich die Arbeitsgruppe dafür ausgesprochen, die Haftungshöchstbeträge der Rotterdam Regeln zu übernehmen. Allerdings gibt es die Möglichkeit, eine abweichende Vereinbarung mit höheren Haftungsbeträgen zu schließen, dazu später mehr.

Es wird also dabei bleiben, dass bei einem Multimodaltransport weiterhin abgegrenzt werden muss, wann die Haftung nach Seefrachtrecht beginnt und endet (3 SZR) und wann die Bestimmungen des Landfrachtrechts greifen (8,33 SZR). Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die beiden »Mafi-Trailer«-Entscheidungen des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes aus den Jahren 2005 und 2007 (3).

Die Colli werden im Abgangshafen auf derartige Trailer verladen, aufs Schiff gezogen und entsprechend dann im Löschhafen wieder von Bord gezogen. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 18.10. 2007 (ergangen auf ein Berufungsurteil des 6. Zivilsenats des Hans­OLG (4)) war es eine Druckmaschine, die auf einem Mafi-Trailer stand, der im Löschhafen aus dem Schiff herausgezogen wurde. Bei der Fahrt zum nahen Schuppen, wo auf einen Lkw verladen werden sollte, kippte der Trailer in einer Kurve um, die Druckmaschine stürzte herunter und wurde erheblich beschädigt. Nach dem BGH war der Verladevorgang nicht mehr der Seestrecke, sondern der sich anschließenden Landstrecke zuzuordnen. Wohl endet nach dem BGH die Seestrecke nicht mit dem Ausladen aus dem Seeschiff (was sich nach meiner Meinung eigentlich anbietet), aber die Grenze ist nach dem BGH dort zu ziehen, wo die Verladung auf das nächste Transportmittel beginnt, so lag es hier.

Der Haftungshöchstbetrag bei einer Lieferfristüberschreitung beträgt das Dreifache der Fracht, § 515 Abs. 3 HGB-E. Die Sachverständigengruppe war sich von Anfang darin einig, dass eine Begrenzung bei solchen Ansprüchen unabdingbar ist, um ausufernden Ansprüchen begegnen zu können. Die Frage war nur, in welcher Weise das erfolgen sollte. Die Sachverständigengruppe hat sich für das Modell des § 431 Abs. 3 HGB entschieden. Erörtert worden ist auch, ob man die Regelung aus dem Montrealer Übereinkommen übernehmen solle. Dort wird als Bezugsgröße auf das Gewicht des befördernden Gutes abgestellt. Im Hinblick auf den angestrebten Gleichlauf von Landfrachtrecht und Seefrachtrecht hat man sich für § 431 Abs. 3 HGB entschieden.

Um sich zu entlasten, hat der Verfrachter zunächst die Möglichkeit darzulegen, dass der Verlust, die Beschädigung oder die Lieferfristüberschreitung auf Umständen beruhten, die nicht durch die Sorgfalt eines ordentlichen Verfrachters abgewendet werden konnten, § 510 Satz 2 HGB-E. Das entspricht § 606 Satz 2 HGB und damit gelten auch die hierzu entwickelten Maßstäbe. Mit Rücksicht auf die übernommene Obhut ist ein strenger Maßstab anzulegen, insbesondere kann sich der Verfrachter nicht auf laxen Seemannsbrauch und eingerissene Missbräuche berufen. Der Verfrachter muss die Umstände darlegen und beweisen, die zum Verlust oder zur Beschädigung des Gutes geführt haben. Es genügt nicht, dass der Verfrachter mehrere mögliche Schadensursachen ausschließt, solange noch andere Ursachen denkbar sind. Sehr erfreulich ist aus meiner Sicht, dass der Haftungsausschluss des § 608 Abs. 1 Nr. 1 HGB in Wegfall gerät, der besagt, dass der Verfrachter nicht für Schäden haftet, die durch die Gefahren der See verursacht worden sind. Denn derartige (unvermeidbare) Gefahren gibt es aus meiner Sicht heute nicht mehr, angesichts des weltweit hohen Standards im Schiffbau, der Tätigkeit der Klassifikationsgesellschaften, der Ausrüstung der Schiffe mit Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten aller Art, um die Wetterlage und die Sicherheit der einzuschlagenden Schiffsroute so rechtzeitig beurteilen zu können, um die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Gefahr von Schiff und Ladung abzuwenden.

Um einem möglichen (und bereits erfolgten) Aufschrei der Reedereien, der Kapitäne und der Seerechtsanwälte zu begegnen, die meinen, auf diesen Haftungsausschluss nicht verzichten zu können, erlaube ich mir den Hinweis, dass sich der Verfrachter auch insoweit auf § 510 Satz 2 HGB-E berufen kann, wenn er der Auffassung ist, dass der Verlust oder die Beschädigung der Güter auf nicht beherrschbare Gefahren der See zurückzuführen sind.

Nicht übernommen worden ist aus § 427 Abs. 1 Nr. 1 HGB der Haftungsausschluss bei vereinbarter Verladung auf Deck. Ist die Decksverladung erlaubt, gilt die allgemeine Haftung des Verfrachters nach § 510 HGB-E. Über die Haftung bei einer unerlaubten Decksverladung verhält sich § 518 Nr. 2 HGB-E.

§ 511 Abs. 3 HGB-E übernimmt § 427 Abs. 4 HGB: Hat der Verfrachter die Verpflichtung übernommen, das Gut besonders zu schützen, kann er sich auf § 511 Abs. 1 Nr. 3 HGB-E nur berufen, wenn er die versprochenen Arten der Schutzvorkehrung auch tatsächlich getroffen hat, so z. B. das Kühlen der Güter auf eine bestimmte Temperatur und zudem die Überwachung sicherstellt, dass diese Temperatur während der Reise auch eingehalten worden ist.

Die dargestellten Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Verfrachter vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird, § 518 HGB-E. Solche Regelungen finden sich im geltenden Recht in § 660 Abs. 3 HGB und in § 435 HGB. Hinzuweisen ist auf das Wort »Verfrachter«. Es verbleibt bei der Regelung des § 660 Abs. 3 HGB. Es muss sich ausschließlich um ein persönliches Verschulden des Verfrachters handeln. Der Wegfall der Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen greift nicht, wenn ein qualifiziertes Verschulden der Leute des Verfrachters vorliegt, so wie es abweichend § 435 HGB für das Landfrachtrecht statuiert. Andererseits ist der Wegfall der Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen nunmehr umfassend und nicht mehr auf einzelne Tatbestände beschränkt, wie es § 660 Abs. 3 HGB vorsieht.

Zum geltenden Recht hat der I. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 18.06.2009 ausgesprochen, dass die Haftungsbeschränkungen nach §§ 658, 659, 660 Abs. 1 HGB nur bei einem eigenen qualifizierten Verschulden des Verfrachters entfallen (5). Die Vorschrift des § 607 Abs. 1 HGB, die auch die Leute des Verfrachters einbezieht, findet im Rahmen von § 660 Abs. 3 HGB keine Anwendung (vgl. zur Problematik auch BGH, Urteil vom 29.07.2009 (6)).

Die Haftungsbefreiungen und Haftungsbeschränkungen entfallen auch bei einer Decksverladung, der der Befrachter oder der Ablader nicht zugestimmt hat. Nun genügt es aber nicht, dass bei einem Schaden an einem Gut, das an Deck verladen worden ist, der Befrachter schlicht sagt, unerlaubte Decksverladung, um eine Haftung des Verfrachters zu erreichen. Der Verfrachter hat nämlich die Möglichkeit, zu beweisen, dass der Schaden nicht auf der Decksverladung beruht.

Neu im Seefrachtrecht ist eine Regelung über den ausführenden Verfrachter, § 520 HGB-E. Wie auch im Landfrachtrecht, § 437 HGB, wird so die Möglichkeit eröffnet, den Schädiger direkt in Anspruch zu nehmen, entweder allein oder neben dem Vertragspartner. Die Sachverständigengruppe hat sehr ausführlich, mehrfach und durchaus kontrovers diskutiert, ob eine solche Regelung in das Seefrachtrecht aufzunehmen ist. Die Entscheidung fiel schließlich positiv aus, um dem Anspruchsteller die Gelegenheit zu geben, sich an den zu halten, während dessen Obhutszeitraum sich das schädigende Ereignis zugetragen hat. Dabei ist ausführender Verfrachter stets der Reeder, so wie er in § 476 HGB-E definiert ist.

Der ausführende Verfrachter haftet wie der vertragliche Verfrachter. Er muss sich aber eine erweiterte Haftung nur zurechnen lassen, wenn er schriftlich zugestimmt hat. Sonst verbleibt es bei der gesetzlichen Haftung. Von großer Bedeutung ist § 520 Abs. 3 HGB-E. Der ausführende Verfrachter hat nicht nur für das Verhalten seiner Hilfspersonen, sondern auch für das des vertraglichen Verfrachters und dessen Hilfspersonen einzustehen. Der ausführende Verfrachter und der vertragliche Verfrachter haften nach § 520 Abs. 4 als Gesamtschuldner.

Von den Vorschriften in diesem Untertitel kann abgewichen werden, aber nur durch Individual-Vereinbarungen, nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, so wie es auch in § 449 HGB für das Landfrachtrecht vorgesehen ist. § 523 HGB-E zeichnet sich allerdings durch die große Erleichterung aus, dass Regelungen zugunsten des Verbrauchers nicht aufzunehmen sind, da dieser im Seefrachtverkehr praktisch nicht vorkommt. Alle am Transport über See beteiligten Handelnden sind kaufmännische Unternehmen. Von der sog. »AGB-Festigkeit« gibt es jedoch zwei Ausnahmen:

1. Die Parteien können einen höheren als den gesetzlich vorgesehenen Haftungshöchstbetrag wegen Verlust und / oder Beschädigung des Gutes sowie bei Lieferfrist­überschreitung festsetzen. Diese Ausnahme stellt nach meiner ganz persönlichen Meinung ein eindeutiges Zugeständnis an die großen Verlader dar.

2. Die Parteien haben die Möglichkeit, das Haftungssystem des Montrealer Übereinkommens zu optieren: die Haftungssumme wird auf 17 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm Rohgewicht festgelegt, im Gegenzug besteht eine Gefährdungshaftung des Verfrachters und dazu gibt es keine Möglichkeit, die Haftungsbeschränkung zu durchbrechen. Rechtstechnisch geschieht das durch das Abbedingen von § 510 Satz 2 HGB-E und von § 518 HGB-E.

Über den Reisefrachtvertrag verhalten sich die §§ 524–531 HGB-E. Seine Definition findet sich in § 524 HGB-E. Der Vertrag muss vorsehen, dass sich der Verfrachter verpflichtet, die Beförderung der Güter mit einem bestimmten Schiff im Ganzen auf einer oder mehreren bestimmten Reisen durchzuführen. Die Abgrenzung von Stückgut- und Reisefrachtvertrag hat bisher in der Praxis Schwierigkeiten bereitet, weil es an klaren Kriterien der Unterscheidung mangelt. Insbesondere ist die Pflicht zum Laden und Löschen angesichts der Vielfalt der vertraglichen Gestaltung in diesem Bereich kein verlässliches Unterscheidungsmerkmal. Die Definition des § 524 entspricht der des § 556 Nr. 1 HGB mit der Abweichung, dass die Satzteile »oder einem verhältnismäßigen Teil« sowie »oder einen bestimmt bezeichneten Raum des Schiffes« entfallen, da in der Praxis Reisefrachtverträge (fast) nur über ein Schiff im Ganzen geschlossen werden. An den Abgrenzungsschwierigkeiten wird sich nichts ändern. Auf den Reisefrachtvertrag sind die Vorschriften über den Stückgutfrachtvertrag entsprechend anzuwenden, soweit die §§ 525–531 HGB-E nichts anderes bestimmen.

Insgesamt ist festzuhalten: Die Haftung des Verfrachters orientiert sich weiterhin an den Haag-Visby-Regeln, es bleibt bei einer Haftung für vermutetes Verschulden. Neben den Güterschäden wird auch für eine Lieferfristüberschreitung gehaftet. Die Haftung ist nicht mehr zwingend, aber »AGB-fest«. Sie kann nur durch individuelle Vereinbarungen abgeändert werden. Die Haftungsfreiheit für sog. nautisches Verschulden und für Feuer entfällt. Ebenso kann sich der Verfrachter nicht mehr darauf berufen, die Schäden seien aus den Gefahren der See entstanden. Selbstverständlich kann er weiterhin geltend machen, ihn treffe an den Schaden kein Verschulden. Neu eingeführt wird eine Mithaftung des ausführenden Frachtführers (7).

2. Dokumente

Das Konnossementsrecht bleibt im Grundsatz unverändert. Es soll jedoch in Systematik und Terminologie mehr an das Wertpapierrecht angeglichen werden. Wesentlich ist folgende Änderung: Die Pflicht des Verfrachters zur Ausstellung eines Konnossements ist nicht mehr die gesetzliche Regel, sondern setzt eine Vereinbarung im Seefrachtvertrag voraus. Den vertraglich zu vereinbarenden Anspruch auf Ausstellung eines Konnossements regelt § 498 HGB-E. Wir waren uns dabei einig, dass die Rechtsfigur des Abladers beibehalten werden soll. Sie ist erforderlich, um sicherzustellen, dass ein vom Befrachter verschiedener Dritter, der dem Verfrachter das Gut im Einverständnis mit dem Befrachter zur Beförderung übergibt, eine eigene wertpapierrechtlich geschützte Position erwerben kann, die es ihm ermöglicht, über das Gut zu verfügen. Dies ist insbesondere unverzichtbar bei einem der Beförderung zu Grunde liegenden fob-Geschäft, bei dem der Käufer Befrachter des Seefrachtvertrages ist, aber gleichwohl das Konnossement unter Schutz seines guten Glaubens an dessen Inhalt derivativ erwerben können muss. Beibehalten soll auch die Bezeichnung »Ablader«, obgleich in der Praxis des internationalen Seehandelsrechts der englische Begriff »shipper« geläufig ist; dieser entspricht weder der deutschen Rechtssprache, noch ist er mangels einer klaren Abgrenzung im englischen Recht hinreichend sicher vom Befrachter zu unterscheiden.

Wir haben uns weiter mehrheitlich für eine – dem geltenden Recht unbekannte – gesetzliche Normierung des Seefrachtbriefs ausgesprochen. Auch wenn in der seerechtlichen Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher Gestaltungsformen von Seetransportdokumenten unterhalb der Schwelle des Konnossements auftreten, die sich nicht alle in einer einheitlichen Regelung erfassen lassen, stellte die Sachverständigengruppe ein Bedürfnis dafür fest, jedenfalls den rechtlichen Rahmen eines weiteren Seetransportdokuments bereitzustellen, der den Beteiligten mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der anwendbaren Regeln bietet. Dabei war der Sachverständigengruppe bewusst, dass es auch nach der gesetzlichen Regelung des Seefrachtbriefs zur Entwicklung neuer abweichender Dokumente durch die Praxis kommen kann.

3. Schiffsüberlassungsverträge

In einem weiteren Abschnitt, §§ 534–551 HGB-E, werden die Schiffsmiete (Bareboat-Charter) und die Zeitcharter erstmals gesetzlich als besondere Vertragstypen des Schiffsüberlassungsvertrages geregelt werden.

Für die Schiffsmiete sollen nur wenige besondere seerechtliche Regelungen getroffen werden, da die §§ 535 ff. BGB ergänzend Anwendung finden. So sollen in § 534 HGB-E die wesentlichen Pflichten der Vertragspartner (Vermieter und Mieter) geregelt werden, nämlich zum einen die Pflicht des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch eines bestimmten Schiffes ohne Besatzung und ohne vollständige Ausrüstung für eine bestimmte Zeit zu gewähren, zum anderen die Pflicht des Mieters, die vereinbarte Miete zu zahlen und zwar mangels anderweitiger Vereinbarung halbmonatlich im Voraus. Ferner soll der Vermieter verpflichtet werden, dem Mieter das Schiff zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort zur Verfügung zu stellen, und zwar in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 535 Absatz 1 HGB-E). Der Mieter soll seinerseits verpflichtet werden, das Schiff nach Beendigung des Mietverhältnisses in einem Zustand zurückzugeben, der dem Übergabezustand unter Berücksichtigung der normalen Abnutzung entspricht (§ 535 Absatz 2 HGB-E).

Auch für den Zeitchartervertrag sollen nur wenige Grundsatzregelungen getroffen werden. Denn der Zeitchartervertrag wird – ebenso wie der Reisefrachtvertrag – in der Praxis fast ausschließlich auf der Basis ausführlicher Formularverträge mit ergänzenden Individualbestimmungen geschlossen. Ein Bedarf für detaillierte Einzelregelungen ist daher nicht ersichtlich. Zu den Grundsatzregelungen zählen die Regelungen über die Hauptpflichten und wesentlichen Nebenpflichten des Zeitvercharterers und des Zeitcharterers, über die Haftung der Vertragsparteien für Vertragsverletzungen, über Pfandrechte des Zeitcharterers und des Zeitvercharterers, über das Schiffsgläubigerrecht des Zeitcharterers wegen seiner Ansprüche auf Rückzahlung von vorausbezahlter Zeitfracht sowie über ein Zurückbehaltungsrecht des Zeitvercharterers bei Zahlungsverzug des Zeitcharterers, über das Kündigungsrecht des Zeitcharterers und schließlich über Rechte des Erwerbers eines zeitvercharterten Schiffes (8).

IV. Welche alten Zöpfe fallen?

Ohne jede Diskussion wird der Wegfall der Vorschriften über die Seeversicherung, §§ 778–900 HGB, empfohlen. Diese 132 Paragrafen finden seit Jahrzehnten keine Anwendung mehr. An ihre Stelle sind die Allgemeinen Deutschen Seeversicherungsbedingungen getreten, die bereits 1919 geschaffen worden sind. Eine grundlegende Überarbeitung erfolgte 1947.

Nicht beibehalten werden soll die Rechtsform der Partenreederei, §§ 489–508 HGB. Sie ist ein aus dem Mittelalter stammendes Rechtsinstitut, für das heute kein Bedürfnis mehr besteht. Im Gegensatz zu den Handelsgesellschaften ist die Partenreederei sachenrechtlich auf das Eigentum am Schiff gegründet und hierauf beschränkt; sie ist nicht auf Innehabung und Verwaltung eines Gesellschaftsvermögens neben dem Schiff angelegt. Angesichts dessen, dass heute die Rechtsformen der Handelsgesellschaften zur Verfügung stehen, die nach der Entstehung der Partenreederei geschaffen wurden und nicht mehr auf dem überholten Modell mehrerer sich am Bau eines Schiffes für oft nur eine Reise zusammenfindender Eigentümer beruhen, hat die Partenreederei heute ihre Berechtigung verloren. Allerdings ist sie nach dem Zweiten Weltkrieg eine Zeitlang trotz ihrer gesellschaftsrechtlichen Mängel wieder vermehrt verwendet worden. Seit 2001 sind jedoch keine neuen Partenreedereien mehr gegründet worden, nachdem Personengesellschaften und Partenreederei steuerrechtlich gleichgestellt wurden.

Eine Beibehaltung der Bestimmungen des HGB zur Partenreederei wegen der wenigen noch bestehenden Partenreedereien, erscheint angesichts der in diesem Falle notwendig werdenden umfassenden Modernisierung des geltenden Rechts unverhältnismäßig und auch nicht geboten. Denn für die bestehenden Partenreedereien gilt das derzeit geltende Recht weiter fort. Da ihr Fortbestehen an die Lebensdauer der Schiffe geknüpft ist, ist ihre Existenz zeitlich begrenzt.

Das Verfahren über die Verklarung von Unfällen soll beseitigt werden. Das Verklarungsverfahren ist geregelt in den §§ 522– 525 HGB. Seine jetzige Fassung hat es durch das 1. Seerechtsänderungsgesetz vom 21. Juni 1972 erhalten.

Verklarung bedeutet die Beweisaufnahme über einen Unfall, der sich während der Seereise ereignet hat und der das Schiff oder die Ladung betrifft oder sonst einen Vermögensnachteil zur Folge haben kann, § 522 Abs. 1 HGB. Die Verklarung dient der Wahrung privater Interessen, nämlich der Entlastung des Kapitäns. Demgemäß ist er berechtigt, die Aufnahme einer Verklarung zu beantragen. Dritte, nämlich Reisebeteiligte, können es lediglich verlangen. Wenn es geschieht, ist der Kapitän verpflichtet, tätig zu werden. Mit anderen Worten, die Verklarung ist für den Kapitän nicht mehr obligatorisch, sondern berechtigt ihn zu dieser Maßnahme. Andererseits ist sie von ihm auf Verlangen eines Reisebeteiligten zu beantragen. Reisebeteiligter ist jeder, der durch den Unfall in irgendeiner Weise betroffen ist, soweit er zu dem in § 522 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Personenkreis gehört.

Ein Bedarf für die Beibehaltung dieses Verfahrens ist nicht ersichtlich. Das Verfahren ist vor allem für die Beweissicherung im Ausland vorgesehen, weil in Deutschland das selbständige Beweissicherungsverfahren der ZPO zur Verfügung steht, §§ 485– 494a. Die Verklarung vor den deutschen Auslandsvertretungen stößt aber auf Schwierigkeiten, weil das Auswärtige Amt durch Rechtsverordnung nach § 522 Absatz 2 HGB die Vertretungen benennen muss, bei denen das Verfahren aus personellen Gründen überhaupt durchgeführt werden kann. Angesichts der Personalfluktuation in den Vertretungen sind die in der Rechtsverordnung genannten Vertretungen aber keineswegs stets tatsächlich in der Lage, eine Verklarung vorzunehmen. Abgesehen hiervon wird heute im Hinblick auf weltweit gute Nachrichten- und Verkehrsverbindungen von einer Verklarung nur noch sehr selten Gebrauch gemacht; bei Unfällen wird regelmäßig ein Havariekommissar am Schadensort mit der Klärung des Hergangs beauftragt, bei größeren Schäden entsenden die betroffenen Parteien kurzfristig sachverständige Vertreter an den Unfallort.

Es verbleibt bei Bestimmungen über die Große Haverei. Dies jedoch nur noch in Form von Minimalregelungen, da in der Praxis die Vereinbarung allgemeiner Bedingungen, nämlich der York-Antwerp-Regeln absolut üblich ist.

Verzichtet wird dagegen auf die uneigentliche Haverei, § 733 HGB, die kleine Haverei, § 621 Absatz 2 HGB und die besondere Haverei, §§ 701, 707 HGB.

V. Was wird aus dem Kapitän?

Zunächst ein einleitender Satz zur Beruhigung der vielen Nautiker unter den Zuhörern. Betroffen ist aus den Bereichen der Schiffsführung hier nur seine zivil-/handelsrechtliche Stellung im Verhältnis Reeder bzw. Verfrachter zum Befrachter bzw. Ablader. Alles andere ist naturgemäß nicht Gegenstand unserer Beratungen gewesen. Vorgeschlagen wird eine radikale Kürzung der Bestimmungen. Die §§ 511–555 HGB entfallen völlig. Lediglich die Rechtsgedanken aus den §§ 520 und 527 HGB werden übernommen. Es gibt nur noch eine grundlegende Definition im Ersten Abschnitt, Personen der Schifffahrt, nämlich § 479 HGB-E, der wie folgt lautet:

»§ 479 Kapitän

(1) Der Kapitän ist befugt, für den Reeder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Betrieb des Schiffes gewöhnlich mit sich bringt. Diese Befugnis erstreckt sich insbesondere auf den Abschluss von Frachtverträgen und die Ausstellung von Konnossementen. Eine Beschränkung dieser Befugnis braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste.

(2) Wird auf dem Schiff ein Tagebuch geführt, so hat der Kapitän alle Unfälle einzutragen, die sich während der Reise ereignen und die das Schiff, Personen oder die Ladung betreffen oder sonst einen Vermögensnachteil zur Folge haben können. Die Unfälle sind unter Angabe der zur Abwendung oder Verringerung der Nachteile angewendeten Mittel zu beschreiben.«

Daneben wird der Kapitän nur noch bei den Konnossementen, §§ 500 und 502 HGB-E, sowie in § 601 HGB-E erwähnt – eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung sowie ein Urteil oder ein Beschluss über einen Arrest in das Schiff können dem Kapitän zugestellt werden.

Diese umfassende Aufhebung von den Kapitän betreffenden Vorschriften hat allein ihren Grund in der geänderten Stellung des Kapitäns. Zur Segelschiffszeit, und damit sind wir wieder bei dem eingangs genannten ADHGB, hatte der Kapitän die Stellung eines Unternehmers. So war er am Gewinn der Reise beteiligt und hatte das Recht, Waren für eigene Rechnung mitzunehmen. Eine weitere Einnahmequelle war das Kaplaken oder die Primage, eine Sondervergütung, die der Kapitän bei erfolgreicher Ablieferung der Güter an den Empfänger von diesem zusätzlich erhielt.

Mit dem Beginn der Dampfschifffahrt änderte sich die Stellung des Kapitäns ganz wesentlich, ohne dass dies zu einer Änderung der bestehenden Vorschriften des ADHGB, die ins HGB übernommen worden waren, führte. Der Kapitän befindet sich in einer arbeitnehmerähnlichen Position, der Begriff eines Managers ist nicht ganz entfernt liegend.

Aus den genannten Gründen soll die historisch begründete quasivertragliche Haftung des Kapitäns gegenüber allen Reiseinteressenten für die Ausführung der vom Reeder abgeschlossenen Verträge beseitigt werden. Aus Gründen des Verkehrsschutzes soll (§ 479 Abs. 1 HGB-E) an der gesetzlichen Vertretungsmacht des Kapitäns für den Reeder festgehalten werden, die jedoch einfacher und klarer geregelt werden kann und soll als im geltenden Recht. Der Kapitän soll befugt sein, für den Reeder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Betrieb des Schiffes gewöhnlich mit sich bringt, unabhängig davon, ob er diese Handlungen im In- oder im Ausland vornimmt.

VI. Wie geht es weiter?

Kurze Zeit nach seiner Übergabe an die Bundesministerin der Justiz ist der Abschlussbericht den beteiligten Verkehrskreisen und Verbänden zur Stellungnahme übersandt worden. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eingehende Äußerung des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht (70 Seiten) vom 1. Februar 2010 (9).

Bevor ich fortfahre, ist es angezeigt, einen Blick auf die Rotterdam-Regeln zu werfen.

Es handelt sich um das »Übereinkommen der Vereinten Nationen über die internationale Beförderung von Gütern ganz oder teilweise auf See« (10). Zugrunde lag ein mehrjähriges Projekt der UNCITRAL. Das Übereinkommen wurde am 11. Dezember 2008 von der UN-Vollversammlung in New York verabschiedet und am 23. September 2009 in Rotterdam zur Zeichnung aufgelegt (11)(daher die Bezeichnung Rotterdam-Regeln), mithin einen Monat nach der Übergabe unseres Berichtes. Schon vorher war die Frage gestellt worden, ob nicht auf das Übereinkommen zugewartet werden sollte. Prof. Dr. Herber hat indes berechtigt darauf hingewiesen, dass bei jedem Reformvorhaben gefragt werde, ob der Zeitpunkt geeignet sei (12). Er hat weiter aufgrund seiner reichhaltigen Erfahrung geschildert, dass wenig dafür spreche, dass dieses neue Übereinkommenden großen Durchbruch zu einem weltweit einheitlichen Seefrachtrecht bringen wird. Seine Skepsis scheint berechtigt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass zu den 16 Zeichnerstaaten am 23. September 2009 nur noch sechs weitere hinzugekommen sind, darunter Armenien und Luxemburg. Inkrafttreten wird das Übereinkommen, wenn es zudem von 20 Staaten ratifiziert worden ist. Spanien hat als bisher einziges Land das Abkommen mit Gesetzeskraft ausgestattet. Wohl gehören auch die USA, im Gegensatz zu Deutschland, zu den Zeichnerstaaten, ob sie aber auch ratifizieren werden, ist ungewiss.

Zurück zu unserem Abschlussbericht. Auf seiner Grundlage und unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen hat das zuständige Referat im Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf erstellt, der die interne Abstimmung im Hause passiert hat und nunmehr der Ministerin zur Entscheidung vorliegt. Wann diese Entscheidung getroffen wird, lässt sich zeitlich nicht fixieren. Damit zu rechnen ist frühestens Ende April dieses Jahres. Geschieht das, ist zu hoffen, dass aus dem Entwurf noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ein Gesetz wird.

Autor:

Dr. Fritz Frantzioch

Richter am Oberlandesgericht a. D.

Dr. Fritz Frantzioch