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In der Schwergutlogistik verlagern sich die Verkehre. Große Module werden zunehmend in Schwellenländern produziert und von dort verschifft. Das birgt Chancen und Risiken für die Projektreedereien.

Mit dem Aufstieg der BRIC-Staaten und anderer neuer Industriestaaten auf der südlichen Halbkugel kommen die alten Handelsstrukturen auf den[ds_preview] Prüfstand. Wurden große Industrie-, Energie- und Infrastrukturprojekte früher vorwiegend aus Europa beliefert, treten heute verstärkt die Schwellenländer selbst als Lieferanten großer Anlagenteile auf den Plan.

Der Trend ist nicht neu. In Folge der Weltwirtschaftskrise könnte er sich aber noch erheblich verstärken. Zu den Ländern, deren Maschinen- und Anlagenbauindustrie zuletzt stark dazugewonnen hatte, zählt Südkorea. Dessen große Konglomerate orientierten sich zum Teil auf den Anlagenbau um, als die Krise den Schiffbau erfasste und die Werftenkapazitäten nicht mehr ausgelastet werden konnten. Der Anteil der Lieferungen aus Korea für Energie- und Kraftwerksprojekte auf der Welt soll seither deutlich zugenommen haben. »Wir beobachten, wie sich die globale Beschaffung verändert«, sagte Christopher Kent, Chef der Projektlogistik bei der Schweizer Großspedition Panalpina, auf der Konferenz »2011 Breakbulk Europe« in Antwerpen. »Während früher Europa die Hauptrolle spielte und viel Schwergut aus Italien geliefert wurde, kommt jetzt immer mehr aus China und aus Südkorea.«

Nicht nur die Transportströme verlagern sich hin zu den Häfen dieser Länder, auch die Entscheidungsgewalt über die Logistik und Frachtenbeschaffung wandert ab. So sind es zunehmend koreanische und chinesische EPC-Konzerne (Engineering, Procurement, Construction), die Großprojekte überall auf der Welt durchplanen und realisieren – samt der Beschaffung und Transportlogistik. Auch indische Konzerne, die bereits viel Stahl und Anlagenteile weltweit zuliefern, streben zunehmend in die Systemführerschaft, heißt es. »Wir werden noch eine gewaltige Verlagerung von Verkehren sehen«, prophezeite Jan Steffens, Chief Executive Officer der Hamburger Projektreederei Rickmers-Linie, in Antwerpen. »Wir kennen uns alle gut mit Routen wie Europa-Asien und Asien-USA aus. Das Wachstum spielt sich aber in ganz anderen Fahrtgebieten ab, wie zum Beispiel Inter-Asien«, betonte Steffens. Die Schwergutschifffahrt, die traditionell durch deutsche, niederländische und skandinavische Firmen dominiert wird, müsse sich auf neue Verlader und Befrachter in den Schwellenländern einstellen.

Viele Reeder und Operateure sind seit Jahren schon in China oder Korea mit eigenen Verkaufs- und Befrachtungsbüros vertreten. Allerdings wird der Wettbewerb gegenüber lokalen Anbietern immer härter. Im selben Zuge, wie die Ladung in den Schwellenländern ansteigt, entstehen dort auch eigene Transportkapazitäten für die Lieferung der Exporte. Das wurde bei einem Streifzug über die Antwerpener Breakbulk-Messe deutlich. Dort haben sich Reedereien wie Cosco aus China und Hyundai Merchant Marine aus Südkorea inzwischen zu großen Ausstellern gemausert, die Dominanz der europäischen Reeder und Projektspediteure in den Hallen lässt nach. Cosco gilt seit langem als wichtiger Carrier für konventionelles Stückgut und hat in den vergangenen Jahren stark in Spezialtonnage für superschwere Ladung investiert. Hyundai baut neben dem Container- und Bulkbereich gezielt ein Liniennetz für Projekt- und Schwergutladung auf.

Die Schiffe dafür werden zu einem erklecklichen Anteil in Zusammenarbeit mit deutschen Reedern wie Rickmers, Buss oder Harren & Partner projektiert bzw. von diesen eingechartert. Neben dem Projekt-Liniendienst auf der Rennstrecke Korea-Mittelost will Hyundai bis 2014 sukzessive weitere Angebote auf den Routen von und nach Europa, dem Mittelmeerraum, USA, Afrika und Australien schaffen. Im Mittelmeerraum soll sich das Unternehmen bereits intensiv nach zusätzlichen Agenturpartnern umschauen. Dem Vernehmen nach beginnen in einigen Monaten größere Verschiffungen von Kraftwerkskomponenten nach Nordafrika, die als Basisladung für einen Regelverkehr dienen könnten. Speziell für die Rückbefrachtung der Schiffe Richtung Osten dürften die Koreaner auf Partner angewiesen sein. Bei der Konkurrenz in Europa hält sich hartnäckig der Verdacht, dass neue asiatische Reeder und Logistikfirmen gezielt staatlich aufgepäppelt werden, um lokale Ladung abfahren zu können. »Einige der koreanischen Firmen werden offenbar gefördert, und das scheint auch in anderen Regionen der Fall zu sein«, sagt ein Befrachtungsexperte aus Europa, der nicht namentlich genannt werden möchte. »Die Frachtraten aus Südkorea heraus sind so niedrig, dass sie sich auf Basis heutiger Zeitcharterraten gar nicht wirtschaftlich darstellen lassen. Wie soll das möglich sein? Entweder strampeln sich die Firmen ab, um Marktanteile zu gewinnen, oder es stecken andere Faktoren dahinter«, spielt der Experte auf mögliche staatliche Fördertöpfe im Hintergrund an.

Grundsätzlich wirkt sich der Aufstieg der asiatischen Lieferanten nicht negativ für die Transportnachfrage aus. Ganz im Gegenteil, denn häufig nehmen die Projektplaner für die günstigeren Einkaufskosten in den Niedriglohnstaaten auch längere Transportwege in Kauf, wodurch mehr Schiffsraum gebunden wird. Die Globalisierung der Verkehre wird nach Erwartung der meisten Marktteilnehmer auf Jahre ein prägender Trend bleiben. Unterschiedliche Auffassungen herrschen über die weitere Entwicklung der durchschnittlichen Gewichte und Größen der Ladungskolli. Die einen sagen, dass die Modularisierung von Projektgut – also die Vormontage zu größeren Modulen in den Exportländern – weiter voranschreiten werde, damit der Aufwand auf den Baustellen in den häufig entlegenen und unwirtlichen Regionen minimiert werden kann. Die Rotterdamer Schwergutreederei Jumbo Shipping – seit Jahrzehnten führende Adresse in der Schwergutschifffahrt – sieht auch eine gegenläufige Entwicklung. Der Zusammenbau und Abtransport von superschweren Modulen sei in den vergangenen Jahren vor allem für den australischen Markt relevant gewesen. Vormontagen seien in diesem Fall erforderlich gewesen, weil es in Australien an qualifizierten Arbeitskräften mangele. In anderen Ländern werde hingegen verstärkt direkt auf den Baustellen montiert, wenn dort ein größeres Angebot an günstigen Arbeitskräften vorherrsche, sagte Jumbo-Geschäftsführer Fred Bedford.

Eine interessante neue Zwischenvariante beobachtet Panalpina-Manager Kent. Er erwartet verstärkt mehrstufige Transporte. »Dabei werden die Komponenten zuerst konventionell in Niedriglohnländer verschifft, dort zu großen Modulen vormontiert und anschließend mit Schwergutschiffen zu den Endmärkten gebracht«, so Kent.

Zu den Projektgutbranchen mit steigendem Transportbedarf zählt auch der Windenergie­nanlagenbau. So zeigte Thomas Wessel, Lead Services Project Spezialist bei GE Infrastructure in Deutschland, auf, wie die Komponenten zunehmend global eingekauft werden. »Nur die Gondeln und Radnaben kommen bei uns noch aus Deutschland, die anderen Teile werden anderswo beschafft«, sagte Wessel. So seien Türme in jüngster Zeit verstärkt aus China und Rotorblätter aus Brasilien bezogen worden. Dadurch nehme der Anteil der Langstreckentransporte bei GE zu, während im Shortsea-Bereich wiederum Volumen wegfalle. »Wir waren früher in der Lage, 5.500 bis 6.000 t Ladung für Vollchartern zusammenzustellen«, sagte Wessel mit Blick auf Lieferungen aus Norddeutschland. »Heute bekommen wir so eine Konsolidierung von Menge nicht mehr hin.« Auf den Überseerouten werde das Transportgut im Bereich der Windenergieerzeugung sowohl schwerer als auch voluminöser. »Die Reeder sollten sich Gedanken machen, wie man Turmteile von 15 m Länge noch effizienter an Deck stauen kann. Und diese Sektionen werden in Zukunft noch größer«, sagte Wessel.

Die Transportpartner müssten künftig noch stärker in die Planungsprozesse bei den Herstellern eingebunden werden, damit die Logistik optimal auf die Produkte abgestimmt werden kann. »Es ist wichtig, richtige Partner zu haben, damit man stabile Lösungen für Verschiffungen aus entfernten Gebieten findet. Wenn die Lieferungen erst einmal losgehen, wollen wir sicher sein, dass die nötige Aufnahmekapazität auch vorhanden ist«, sagte Wessel.


Michael Hollmann