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Trotz großen Potenzials spielt die Meerestechnik in Deutschland eine Nebenrolle. Es fehlt ein nationaler Global Player, zudem sind die Fördermittel für die »zweite Raumfahrt« überschaubar.

Der Nationale Masterplan Maritime Technologien (NMMT), dessen Ent­wurf der Maritime Koordinator Hans-Joachim Otto im Workshop »Meerestechnik« in Wilhelmshaven[ds_preview] vorstellte, wurde als wichtiger Schritt begrüßt. Darin will die Regierung Ziele und Maßnahmen zur Etablierung Deutschlands als Standort für maritime Technologien zur nachhaltigen Nutzung der Meere definieren. Am 27. September 2011 sollen diese Maßnahmen in Bremen auf einer Konferenz konkretisiert werden.

Jedoch sahen die Teilnehmer die Ausstattung der Forschungsfördermittel für die Technologien zur Erkundung der Tiefsee – oft als »zweite Raumfahrt« bezeichnet – im Vergleich mit der Luft- und Raumfahrt noch als verschwindend gering an. Die Regierung sagte zu, für die Sichtbarkeit der Kompetenz der meerestechnischen Industrie einen Gemein­schaftsauftritt zu unterstützen und die bilateralen Rohstoffpartnerschaften womöglich auf maritime Rohstoffe zu erweitern.

Lizenzgebiet im Pazifik

In ihren Impulsvorträgen gingen Prof. Hans-Joachim Kümpel, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Ressourcen (BGR), und Walter Kühnlein, Vorsitzender der Gesellschaft für Maritime Technik e.V. (GMT), auf die Bedeutung der Meerestechnik für die Deckung des Energie- und Ressourcenbedarfs ein. Prof. Kümpel schlug den Bogen zwischen der Verknappung wichtiger Rohstoffe für innovative Technologien, wie etwa Mangan, Kupfer, Kobalt, Nickel, Titan, Lithium, Antimon, und den Herausforderungen des Meeresbergbaus. Als Chance sei zu sehen, dass die Erschließung der Rohstoffe, die wesentlich im Indischen Ozean und im Äquatorialen Pazifik zu finden seien, der International Seabed Authority (ISA), einer UN-Behörde mit Sitz in Kingston / Jamaika, unterstehe und nicht einzelnen Staaten. Die Bundesregierung hat bereits ein Lizenzgebiet im Pazifik gesichert. GMT-Chef Kühnlein zeigte mit Unterstützung einiger Firmenvertreter (Atlas, Blohm + Voss) bereits bestehende Kompetenzen in Deutschland auf.

In einem weiteren Impulsvortrag stellte Peter Heinrichs, Geschäftsleiter der Aker Wirth GmbH, die Aktivitäten seines in der Öl- und Gasbranche etablierten Unternehmens vor und verwies auf das erhebliche wirtschaftliche Potenzial der metallischen Rohstoffe aus der Tiefsee: Ihre Fördermenge liegt nach sehr konservativen Rechnungen bei einem heutigen Marktwert von fast 740 Mio. € pro Jahr.

Kein Kunde im Weltmaßstab

Der im Vorfeld der Konferenz abgeschätzte deutsche Weltmarktanteil von ca. 4 % ist schwer greifbar, es gibt aber zweifellos etliche Unternehmen und Forschungseinheiten, die in ihrem Teilbereich zur Spitze zählen. In der Diskussion wurde indes deutlich, dass in Deutschland kein im Weltmaßstab führender Kunde für überwiegend mittelständische Technologieanbieter wie Wirth existiert, was wesentlich durch die Nichtexistenz von starken nationalen Akteuren der Offshore-Öl- und Gasindustrie begründet ist. Gleiches gilt für international führende Systemanbieter in den Bereichen Offshore-Technologie und -Engineering.

Daher hing der Erfolg von Wirth wesentlich vom Eintritt der norwegische Aker Solutions ASA als Gesellschafter ab. Allerdings gab es vor Jahrzehnten einen entsprechenden Ansatz mit der ARGE Maritim gewinnbare Metallische Rohstoffe (AMR), an der Unternehmen wie die Deutsche Schachtbau- und Tiefbohrgesellschaft, die Metallgesellschaft sowie Preussag beteiligt waren und die bereits 1978 in einem Pilotprojekt etliche hundert Tonnen Manganknollen aus dem Pazifik förderte. Dieses Konsortium war jedoch, wie wir heute wissen, zu früh gestartet und zerfiel bald wegen der noch niedrigen Rohstoffpreise. In strategischen Beratungen zwischen Bundesregierung und Industrie wird in den vergangenen Jahren immer wieder der Gedanke eines nationalen Rohstoffkonzerns oder -Konsortiums bewegt, wie ihn auch das VSM-Vorstandsmitglied Herbert Aly (Blohm + Voss) in der Debatte vehement forderte. Viele Teilnehmer hatten jedoch Zweifel, ob man einen nationalen Player per »Ordre de Mufti« und mit marktwirtschaftlichen Mitteln etablieren könne.

Streitthema CO2-Lagerung

In einem weiteren Impulsreferat schilderte Prof. Klaus Wallmann vom IFM Geomar in Kiel die Chancen und Möglichkeiten der Speicherung von abgeschiedenem CO2 in ausgebeuteten Lagerstätten unter dem Meeresboden (CCS), die eine im Vergleich sehr kostengünstige Option zur längeren Nutzung fossiler Energieträger bei Einhaltung von Emissionszielen im künftigen Energiemix darstellt. Wallmann wies darauf hin, dass CO2 durch Norwegen bereits seit Jahren in unterseeische Lager wie etwa dem Sleipner-Feld verpresst werde, motiviert durch eine CO2-Steuer. In Deutschland, wo zurzeit nur ein wesentliches Demonstrationsvorhaben in Brandenburg (onshore) geplant sei, laufe die politische Diskussion, getrieben durch die Umweltverbände und einige Landesregierungen, auf eine Verdammung der CCS-Technologie heraus. Wallmann, der auch Koordinator eines gerade anlaufenden europäischen Forschungsprojektes zu CCS ist, strich hingegen die Chancen für die Energieversorgung und die deutsche Meerestechnik heraus und setzte sich nachdrücklich dafür ein, dass die Politik CCS nicht aus wohlfeilem Populismus »zu den Akten lege«, sondern eine ehrliche, sachbezogene Abwägung der Chancen und Risiken ermögliche.

Viele Teilnehmer verließen den Meerestechnik-Workshop mit dem Eindruck, dass die Dimension des Themas mittlerweile in Deutschland erkannt worden ist und auch Eingang ins Regierungshandeln gefunden hat, dass aber kaum von einer deutschen Führungs- oder Pionierrolle gesprochen werden kann, und dass noch viel getan werden muss, um an diesen Hightech-Märkten in größerem Umfang zu partizipieren.
Michael vom Baur