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Beide großen Hersteller erweitern ihr Programm um kompakte Motoren des mittleren Leistungsbereichs.

Fast auf den Tag genau kündigten im Mai Wärtsilä und MAN Diesel & Turbo Erweiterungen ihrer Motorenprogramme bei langsam laufenden, langhubigen[ds_preview] Zweitaktmotoren an. In beiden Fällen handelt es sich um elektronisch geregelte Motoren des mitt­leren Leistungsbereichs, in dem deutlich kompaktere Motoren gefragt sind, als sie bislang zur Verfügung standen. Die Marktforderungen gehen von den für Tanker, Massengutschiffe und Container-Feeder benötigten Antriebsanlagen aus.

Wärtsilä-Baureihen 62 und 72

Wärtsilä wird künftig sein Programm um Motoren mit Bohrungen von 620 und 720 mm erweitern, die mit höheren spezifischen Leistungen angeboten werden als die bislang im Programm stehenden jeweils nächstgrößeren Motoren. Die neuen Baureihen erhalten als Bezeichnung nur noch die Ziffern »62« und »72«. Auf den bisher bei diesen Motoren üblichen Zusatz »RT-flex« wird, wie es offiziell heißt, verzichtet.

Die Konstruktion der neuen Wärtsilä-Motoren beider Baureihen beruht auf den bewährten Baureihen ähnlicher Größe, mit denen umfangreiche Erfahrungen gesammelt werden konnten. Für beide Baureihen sind Ausführungen mit vier bis acht Zylindern vorgesehen. Vierzylindermotoren gab es bei Wärtsilä bislang nur in einer Baureihe von Viertaktmotoren. Die 62er-Motoren bieten eine Zylinderleistung von 2.660 kW und decken damit einen Leistungsbereich von 10.640 bis 21.280 kW ab, während das Leistungsband der 72er-Motoren bei 3.610 kW pro Zylinder von 14.440 bis 28.880 kW reicht. Ihre Drehzahlen liegen zwischen 97 und 103 bzw. 84 und 89 min–1. Somit ergeben sich bei den relativ langen Hüben von 2.658 bzw. 3.086 mm mittlere Kolbengeschwindigkeiten von 8,6 bis 9,2 m/s.

Der spezifische Kraftstoffverbrauch der Motoren beider Baureihen liegt mit 167 bis 168 g/kWh bei Volllast gleich um einige Gramm unter den Spitzenwerten vergleichbarer Motoren aus dem Wärtsilä-Programm. Das Unternehmen nennt jedoch nur Verbrauchssenkungen um 1 bis 2 % gegenüber den vorhandenen Motoren, während die »niedrigen Drehzahlen« den Propulsionswirkungsgrad um 2 bis 6 % verbessern sollen.

Die konstruktiven Arbeiten an den Motoren begannen in Winterthur nach einer im vergangenen Jahr abgeschlossenen Machbarkeitsstudie. Der erste 62er-Motor soll im September 2013 lieferbar sein und der erste 72er-Motor etwa ein Jahr später folgen. Alle Lizenznehmer werden die Rechte zum Bau dieser Motoren erhalten. Wie es heißt, will das Unternehmen die Motoren von Anfang an mit entsprechender Ausrüstung anbieten, so dass sie die Grenzwerte nach IMO Stufe 3 einhalten.

Wärtsilä weist unter anderem darauf hin, dass eine breite Auslegung der Motoren beider Baureihen erfolgte, um eine möglichst gute Anpassung an die wirkungsvollste Propellerdrehzahl zu ermöglichen, mit der dann ein entsprechend niedriger Kraftstoffverbrauch erzielt werden kann. Insofern soll die Auslegung den Erfahrungen entsprechen, die das Unternehmen erstmals mit den Motoren der Baureihe RTA bzw. RT-flex 82 und deren breiter Anwendung auf Schiffen unterschiedlicher Art gesammelt hat.

G 50, 60 und 70 von MAN

Ausgangspunkt für die Programmerweiterung bei MAN Diesel & Turbo waren die an dieser Stelle vor einigen Monaten beschriebenen Motive, die im Oktober des vergangenen Jahres zur Vorstellung der ersten äußerst langhubigen Motoren mit der Baureihe G 80 ME-C9 führten (vgl. HANSA 1/2011, Seite 29). Darauf aufbauend folgte nun die Ankündigung von gleich drei neuen Langhub-Zweitaktern des mittleren Leistungsbereichs. MAN erweitert das Programm um die langsam laufenden Motoren des Standards G .. ME-B9 bzw. C9 mit Bohrungen von 500, 600 und 700 mm und entsprechender Baureihenbezeichnung G 50, 60 und 70. Bei den 50er-Motoren sind fünf bis neun Zylinder vorgesehen, die beiden anderen Baureihen sollen nur mit fünf bis acht Zylindern ausgeführt werden.

Vergleicht man die Motoren der neuen Baureihen von MAN und Wärtsilä mit annähernd gleicher Bohrung, so nennen beide Unternehmen für Motoren mit der jeweils größten Leistung den gleichen spezifischen Kraftstoffverbrauch. Bei fast gleicher Kolbengeschwindigkeit drehen die MAN-Motoren aufgrund ihres etwas längeren Hubes deutlich langsamer. Da Wärtsilä bislang nur einen Wert für die Zylinderleistung genannt hat, sind die Leistungsbereiche nur bedingt vergleichbar. Hinsichtlich der Lieferbarkeit erster Motoren hat MAN im Gegensatz zu Wärtsilä noch keine Aussage gemacht und auf die Abhängigkeit von Bestellungen verwiesen. Dort steht zunächst der Motor mit der 80er-Bohrung im Vordergrund, für den die endgültigen Zeichnungen im Laufe dieses Jahres fertiggestellt werden sollen.

In beiden Unternehmen folgt die Entwicklung der neuen Motoren dem Trend nach spezifisch kleineren Antriebsmaschinen. Von Wärtsilä kommt dazu die Aussage, dass die 62er-Motoren auf »kleineren Capesize- und Panmax-Massengutschiffen sowie Aframax-Tankern und Handysize-Containerschiffen« zum Einsatz kommen sollen, während die 72er-Motoren für »Capesize-Massengutschiffe, Suezmax-Tanker und Sub-Panmax- bis Panmax-Containerschiffe« ins Programm genommen werden.

Zum Autor:

Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Reuß

Freier Journalist

E-Mail: mail@pr-reuss.de


Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Reuß