Tierisches Fehlverhalten

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Was haben Schweine und Schiffe gemeinsam? Immer dann, wenn Preise auf der Nachfrageseite gut sind, züchten Landwirte Schweine und geben[ds_preview] Reeder Schiffe in Auftrag. Weil sie mit ihrem Verhalten nicht allein sind, entsteht bei »Marktreife« nicht selten ein Überangebot, mit der Folge eines Preisverfalls – der sprichwörtliche Schweinezyklus. Dann halten alle die Hände still, bis sich die Preise erholen und das Spiel von vorne beginnt.

Dieses makroökonomische Phänomen spiegelt im Grunde nichts anderes wider als die menschliche Psyche, die häufig zwischen Gier und Angst pendelt. Auffällig ist, dass sich die Auf und Abs immer schneller ablösen. Die Schifffahrt ist das beste Beispiel: 2008 ging ein Megaboom zu Ende, es folgte ein Depressionsjahr, und 2010 – zumindest für Containerlinienreeder – gab es schon wieder Rekordgewinne. 2011 dagegen drohen rote Zahlen.

Noch mehr als in anderen Branchen ist dieser Zyklus in der Schifffahrt hausgemacht. Kaum waren die Frachtraten 2010 auf auskömmlichem Niveau, lösten die Linien eine neuerliche Orderwelle aus, die bereits ab 2013 auf den Markt branden wird. Dabei sind gerade erst jene Frachter ins Wasser gelassen worden, deren Ablieferung in Krisenzeiten verschoben worden war. 34 nagelneue Containerschiffe wurden vergangenen Monat abgeliefert – die höchste Zahl seit 2008. Schon raten Experten dazu, Schiffe wieder aufzulegen.

Angetrieben wird der Verdrängungswettbewerb vor allem durch die drei großen Linien, die laut Alphaliner 37 % der weltweiten Kapazität stellen. 323.000 TEU hat MSC innerhalb eines Jahres seiner Flotte zugefügt; Marktführer Maersk stand mit 255.000 TEU den Schweizern nur wenig nach; die Nummer drei, CMA CGM, »begnügte« sich mit 161.000 TEU.

Vor allem Megafrachter mit 10.000 TEU und mehr sind en vogue, obwohl auf der Asienroute schon jetzt Überkapazitäten von 10 bis 15 % bestehen. Der Kaskadeneffekt zieht sich bereits bis zu Schiffen mit 4.000 bis 6.000 TEU herunter, die von den Ost-West-Routen verdrängt werden – und in anderen Fahrtgebieten auch nicht voll ausgelastet werden können.

Die Folge ist eine Preissenkungsspirale. Verlierer des Wettrüstens sind am Ende alle: Mit 800 Dollar pro Container zwischen Schanghai und Europa kann kein Linienreeder Geld verdienen. Nun deutet sich an, dass die Charter- den Frachtraten gen Süden folgen. Auch die Trampreeder sind nicht ganz unschuldig an der Situation. Statt den Deutschen, denen mehrheitlich die Hände gebunden sind, heizen diesmal andere den Run auf Tonnage an: etwa die griechischen Reedereien Danaos oder Costamare (dank New Yorker Börsengeld), Seaspan (dank Private Equity in Milliardenhöhe) oder ganz allgemein die Chinesen (dank staatlicher Finanzhilfen).

Dabei zeigt ein Blick auf den Bulker- und Tankermarkt, wie schnell Mut in Übermut umschlagen kann. Und am Ende herrscht – um noch einmal die Tierwelt zu bemühen – der große Katzenjammer.