Print Friendly, PDF & Email

Kurzstreckenverkehre mit palettenbreiten Containern werden immer beliebter. Allerdings könnten Schwefelobergrenzen im Seeverkehr den Verlagerungstrend von der Straße aufs Wasser bald wieder stoppen.

Im Wettbewerb mit anderen Verkehrs­trägern holt das Seeschiff offenbar auch im innereuropäischen Verkehr immer wei­ter auf. Vertreter des[ds_preview] dänischen Carriers Unifeeder und der Hamburger Reederei OPDR berichteten auf dem europäischen Shortsea-Kongress, der Ende Juni in Hamburg stattfand, übereinstimmend von deutlich steigenden Buchungen. Aufgrund von Laderaumengpässen und hohen Preis­schwankungen im Straßengüterverkehr würden sich immer mehr Kunden dem Shortsea-Containerverkehr zuwenden, hieß es. So hat Unifeeder eigenen Angaben zufolge den Anteil von Shortsea-Transporten inkl. Vor- und Nachläufen gegenüber Transhipment-Containern im vergangenen Jahr von 20 auf 23 % gesteigert. Das Unternehmen rechne sich gute Chancen aus, sein Shortsea-Volumen bis 2015 auf 500.000 TEU mehr als zu verdoppeln, sagte Deutschland-Chef Bernd Bertram. 2010 waren in dem Segment rund 200.000 TEU befördert worden.

Obwohl schon seit rund einem Jahrzehnt über die Verlagerung von Transporten von der Straße auf den Seeweg gesprochen wird, sei das Thema für viele Kunden immer noch neu. »Die Verlagerung von Frachtgut erfordert viel Überzeugungsarbeit bei Kunden, für die die intermodale Shortsea-Option noch neu ist«, erklärte Bertram. »Aber der Markt dafür ist vorhanden. Wir müssen nur raus aus unseren Sesseln und hin zu den Kunden.«

BSH setzt auf Seetransport

Einer der Verlader, der dieses Jahr ein größeres Kontingent neu an Unifeeder vergeben hat, ist Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH). Der Hersteller lieferte zuletzt pro Jahr 5.000 Lkw-Komplettladungen von den deutschen Werken in sein Lager in Moskau. In den Spitzenmonaten September und Oktober steigen die Lieferungen auf über 700 an. 60 % des Volumens seien ab diesem Jahr auf den Seeverkehr ab Rotterdam und Hamburg nach St. Petersburg sowie auf die Schiene verlagert worden, unterstrich der Leiter Verkehrswesen bei BSH, Andreas Tonke. »Wir haben hier eine steile Lernkurve erlebt, seit wir den Transport selbst disponieren. Zuvor war der Verkehr auf Ex-Werk-Basis von den Empfängern kontrolliert worden.«

Ausschlaggebend für die Verlagerung auf Schiff und Schiene seien die hohen saiso­nalen Schwankungen bei Laderaumangebot und Frachtraten auf der Straße gewesen. Anfang des Jahres hätten die Engpässe ihren Höhepunkt erreicht, nachdem Russland die CEMT-Genehmigungen eingeschränkt hatte. Dabei handelt es sich um die multilateralen Genehmigungen für den Straßengüterverkehr zwischen 43 europäischen Staaten. »Daraufhin haben wir kurzfristig einen Güterbahndienst auf die Beine gestellt«, so Tonke. Inzwischen seien etwa gleich hohe Anteile auf der Schiene und bei Reedereien platziert worden. Unterstützt wird BSH dabei von den Speditionen Kukla und Rieck. An dem veränderten Modal-Split wolle das Unternehmen langfristig festhalten, auch weil der Kostentrend im Straßengüterverkehr steil nach oben zeige. »Wir sehen einen ungeheuren Frachtkostenanstieg allein durch die Dieselkomponente«, verdeutlichte Tonke.

»Es gibt am Markt eine hohe Nachfrage nach solchen multimodalen Lösungen«, bestätigte Kukla-Geschäftsführer Knut Sander. Die Münchener Spedition, die selbst palettenbreite 45-Fuß-Container und anderes Equipment vorhält, wickelte im vergangenen Jahr rund 60.000 TEU im Shortsea/Door-to-Door-Verkehr ab. Das vielleicht wichtigste Verkaufsargument für Shortsea sei die hohe Equipment-Verfügbarkeit. »Wir haben auch Kunden aus der Getränkeindustrie, deren Ladungsaufkommen plötzlich explodieren kann. Trotzdem sind uns noch nie die Container ausgegangen. Diese Zuverlässigkeit ist ein wichtiger Aspekt für die Kunden«, konstatierte Sander.

Landwirte zeigen Interesse

Das Argument überzeugt offenbar auch mehr und mehr Verlader von Obst, Gemüse und anderen verderblichen Waren. So hat sich die Hamburger Reederei OPDR, die mit zehn kleinen Containerschiffen schwerpunktmäßig zwischen der Iberischen Halbinsel und Nordeuropa unterwegs ist, ein festes Standbein im Obst- und Gemüsetransport aufgebaut. Über 20 % des gesamten Ladungsaufkommens von rund 130.000 TEU pro Jahr entfielen heute auf Reefer-Container, sagte Line Manager Dirk Wessels. »Sowohl die Landwirte als auch die Empfänger interessieren sich immer mehr für Shortsea.«

Am stärksten wachse die Nachfrage nach palettenbreiten, überhohen 45-Fuß-Reefer-Containern, die volle Laderaumparität gegenüber dem Lkw-Trailer bieten. Der Bedarf habe sich in diesem Bereich seit Anfang 2008 vervierfacht, ohne dass jedoch die Preise durch die Decke gegangen wären. »Es gibt ein stabiles, klares Preismodell ohne die übliche Saisonalität«, bekräftigte Wessels. Für den Kunden sei der Container auch deshalb attraktiv, weil der Verkehr bis zur Rampe des Empfangslagers nicht gebrochen werde. Auf der Straße sei ein Crossdocking der Ware hingegen nicht unüblich, so Wessels. Eine Zwischenabfertigung wird von den Kunden nicht gern gesehen, weil die Schadens- und Verspätungsrisiken dadurch steigen.

Streitthema SECA-Zonen

Die Erfolge der Shortsea-Linien könnten dennoch bald einen jähen Abbruch finden, wenn die Absenkung der Schwefelobergrenzen für Schiffsbrennstoff in Kraft tritt. Ab 2015 sollen Schiffe in der Nord- und Ostsee nur noch deutlich teureren Bunker mit höchstens 0,1 % Schwefelanteil verbrennen dürfen. Eine Untersuchung des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) im Auftrag der Reeder war zu dem Schluss gekommen, dass Feeder- und Shortsea-Transporte in einem gigantischen Umfang – mehr als 800.000 TEU pro Jahr – auf die Straße zurückverlagert werden könnten, weil der Lkw dann wieder die Kostenführerschaft inne hätte. »In Deutschland wird in weiten Kreisen bestritten, dass es dieses Verlagerungsrisiko gibt. Wir se­hen aber sehr wohl eine massive Wettbewerbsverzerrung auf uns zukommen, weil unsere Brennstoffkosten drastisch steigen werden«, warnte Unifeeder-Geschäftsführer Bertram.

Ein Vertreter der EU-Kommission schlug solche Warnungen in den Wind. »Die

0,1-%-Grenze wird in Kraft treten. Wir gehen von keinerlei Verzögerungen aus«, beschied Thomas Verheye, stellvertretender Leiter des Air Quality Unit im Generaldirektorat Umwelt, den versammelten Transportmanagern. Alle Parteien sollten ihre Aufmerksamkeit jetzt darauf richten, wirtschaftliche Transportlösungen zu erarbeiten, statt die geplante Vorschrift immer wieder in Frage zu stellen, forderte er.


Michael Hollmann