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Eine neue Laschplattform des Mittelständlers Kalp automatisiert den letzten manuellen Handgriff bei der Containerabfertigung. Die Effizienz an den Terminals kann dadurch um bis zu 20 % gesteigert werden.

Internationale Hafenterminals sind heute hochtechnologisiert und gelten als Dreh- und Angelpunkte der globalen Logistik. Effizienz ist wichtig, denn jede Stunde[ds_preview], die ein Schiff im Hafen liegt, kostet den Betreiber Unsummen, sodass der wirtschaftliche Erfolg von Schiffen maßgeblich von der Logistik der Hafenterminals abhängt. Im Hamburger Hafen werden heute deshalb die Transportkisten nahezu vollautomatisch bewegt – das spart Zeit und Geld. Dennoch gibt es in der vollautomatischen Abfertigung von Containerschiffen noch eine manuelle Lücke: das sogenannte Laschen.

Der letzte Handgriff: das Laschen

Damit die Container auf See nicht verrutschen, werden sie durch so genannte Twist­locks gesichert. Die kegelförmigen Verbindungen aus Metall, die sich an den unteren vier Ecken des Containers befinden, werden bis heute beim Be- und Entladen der Schiffe manuell von Laschern eingedreht bzw. entfernt. Neben den erforderlichen Personalkapazitäten ist das manuelle Laschen zeit­intensiv: Rund 15 Sekunden dauert der Handgriff pro Container. Bei einem großen Containerschiff von bis zu 14.000 TEU nimmt das Laschen damit etwa sechs bis acht Stunden in Anspruch.

Darüber hinaus passieren beim Laschen, das gegenwärtig weltweiter Standard in den Containerhäfen ist, immer wieder schwere Arbeitsunfälle. Insbesondere in Deutschland fordert deshalb die Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW), dass Hafenarbeiter sich nicht in Bereichen aufhalten dürfen, in denen Container von Fahrzeugen transportiert werden. Bislang ist dies nur aufwendig mit Laschplattformen auf Kranen möglich. Dies jedoch verlängert den Lade- und Löschvorgang des Containerkrans erheblich und hat sich deshalb nicht durchgesetzt.

Angelpunkt des Neuen

Einige Unternehmen haben vor diesem Hintergrund in den letzten Jahren versucht, den Laschvorgang an Land zu automatisieren, jedoch ohne durchschlagen­den Erfolg. Nach fünf Jahren der Entwicklung ist dies Kalp, einem mittelständischen Unternehmen mit 15 Mitarbeitern aus Schleswig-Holstein, nun gelungen: Mit der »Automatischen Laschplattform« (ALP) bringt das Unternehmen im Herbst 2011 eine Technologie auf den Markt, welche die letzte manuelle Lücke bei der Containerabfertigung schließt.

Die ALP bietet ein weltweit bisher so nicht bekanntes automatisiertes Verfahren zum Einsetzen und Herausnehmen von Containertwistlocks, um damit die Be- und Entladezeit von Containerschiffen allgemein zu verkürzen und die Wettbewerbsfähigkeit der Terminalbetreiber zu steigern. Die von Kalp entwickelte ALP ist ein Absetzbock, der mit speziellen Funktionsecken zur Entnahme oder Zuführung von Twistlocks ausgestattet ist. Darüber hinaus verfügt die Anlage über Magazine zur Aufnahme der Twist­locks und über eine besondere Dämpfungstechnik, sodass Container und Spreader weniger belastet werden. Die automatische Ver- und Entriegelung der Twistlocks erfolgt dabei hydraulisch bei der Übergabe des Containers von der Containerbrücke an die Bodenfahrzeuge oder umgekehrt.

Die Twistlocks werden beim Entladen automatisch einem Magazin zur Aufbewahrung zugeführt und diesem beim Beladen entnommen. Die Magazine können insgesamt rund 2.000 Twistlocks oder Stacker aufnehmen, sodass die Kapazität der ALP ausreicht, um Twistlocks eines kompletten Decks eines 14.000-TEU-Schiffes aufzunehmen. Die Anlage ist heute schon in der Lage, etwa 85 % der gängigen Twist­locks zu bedienen. Durch eine fortschreitende Anpassung der Funktionsecken sowie durch Gespräche mit führenden Twistlockherstellern strebt Kalp mit der automatischen Laschplattform an, 100 % der in Benutzung befindlichen Twistlocks bedienen zu können. Die ALP benötigt dabei keine externe Stromzufuhr, denn die benötigte Energie wird durch das Eigengewicht des jeweiligen Containers gewonnen.

Wenig Wartezeit und Verschleiß

Durchschnittlich kann eine herkömmliche Containerbrücke etwa 25 Container pro Stunde löschen. Die Leistungskapazität wird dabei durch die Lascharbeit beeinträchtigt, da die Brücke den Container nicht einfach abstellen kann, sondern stets auf die Lascher warten muss. Mit der ALP können Containerterminals ihre Effizienz um bis zu 20 % steigern.

Das Einsetzen einer ALP erlaubt den Brückenfahrern, den Container ohne Verzögerung auf der Plattform abzustellen. Durch die besondere Rahmenkonstruktion und die Dämpfung wird die darunter liegende Technik auch bei unsanftem Abstellen geschützt. Nach dem Abstellen kann der Brückenfahrer den Spreader sofort vom Container lösen, um den nächsten Container zu holen. Dabei erkennt das neue System automatisch, ob an den jeweiligen Ecken Twistlocks zu entnehmen sind. Beim Laden steuert ein Bediener den benötigten Twistlock an, der Rest erfolgt automatisch. Dieser Vorgang dauert nur etwa vier Sekunden und schon während des Setzens oder Lösens der Twistlocks ist die Brücke bereits auf dem Weg zum nächsten Container. Alle 30 Sekunden kann so ein Container auf der Plattform abgestellt werden. Durch die Automatisierung des Laschvorgangs werden zudem die Unfallrisiken auf den Containerbrücken reduziert.

Tests für Serienreife

Das Konzept der Automatisierung ist seit 2005 bei Kalp immer weiter entwickelt worden. Nach der Umsetzung eines Demonstrators Ende 2008 durch Mittel der Beteiligungsgesellschaft MBG wurde in einem nächsten Schritt die mittelfristige Finanzierung durch eine strategische Beteiligung der Lloyd Fonds AG gesichert. Denn schon früh hatte das Hamburger Emissionshaus sich zum Ziel gesetzt, Kalp bei der Weiterentwicklung der Anlage zu unterstützen. Im Rahmen des partnerschaftlichen Beteiligungsmanagements der Lloyd Fonds AG ist das Emissionshaus eng in das operative Geschäft bei Kalp eingebunden und unterstützt den Mittelständler insbesondere durch die Weitergabe von Management-Know-how in den Bereichen Finanzen und Controlling.

Bei der weiteren technischen Entwicklung arbeitet Kalp seit 2006 mit dem Pilotkunden Eurogate in Bremerhaven zusammen. Im Rahmen dieser Kooperation gelang Ende 2010 der Durchbruch: Die ALP bestand erfolgreich einen 24-Stunden-Test auf dem Eurogate Terminal in Bremerhaven. Dieser Test wurde im Dezember unter widrigen Witterungsbedingungen bei Eis und Schnee abgelegt. Noch im Oktober dieses Jahres wird die Serienproduktion der Anlage beginnen.

Um die folgende Markteintrittsphase zu finanzieren, hat Lloyd Fonds Anfang August mit »Lloyd Fonds Maritime Innovation« ihren ersten Venture Capital Fonds aufgelegt. Im Rahmen der Beteiligung können sich ausgesuchte Anleger über vier Jahre an Kalp beteiligen und dem Unternehmen so das benötigte Eigenkapital für die Markteintrittsphase zur Verfügung stellen. Im Gegenzug erwerben die Anleger eine Beteiligung in Höhe von 20 % an dem Mittelständler und haben damit Anteil an möglichen Renditen des Unternehmens. Lloyd Fonds bleibt nach Abschluss der Kapitalerhöhung mit 36 % an Kalp beteiligt.

Hohe Erwartungen an neue Technik

Derzeit konzentriert sich Kalp bei der Marktansprache für die ALP auf den Primärabsatzmarkt Europa. In Bezug auf den paneuropäischen Absatzmarkt, der aktuell aus ca. 700 Containerbrücken besteht, erwartet das Unternehmen eine enorme Nachfrage nach der Anlage. Gerade in Hinblick auf die in Planung befindlichen neuen automatisierten Terminals rechnet Kalp mit hohen Absatzzahlen. Nicht zuletzt daraus, dass die ALP einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der internationalen Containerterminals leistet, erklären sich die Erwartungen der Branche an diese Technologie.


Rainer Kapelski