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Trotz internationaler Marineeinsätze blüht das Piratenbusiness. Vor allem in Afrika beeinflussen die gewaschenen Gelder ganze Wirtschaftskreisläufe. Das hat zunehmend negative Folgen wie etwa hohe Inflation.

Die Aktion der Fregatte »Niedersachsen« der Deutschen Marine vor der Küste Tansanias hat in Schifffahrtskreisen Zustimmung erfahren. Anfang Juli hatte[ds_preview] das Kriegsschiff, das derzeit im Rahmen der EU-Mission Atalanta vor der ostafrikanischen Küste patroulliert, ein größeres Schiff aufgespürt, das zwei Motorboote im Schlepp hatte. In den Booten waren Waffen zu erkennen. Die »Niedersachsen« rief das Schiff über Funk an, dessen Besatzung reagierte aber nach Berichten der Marine­offiziere »sehr unkooperativ und aggressiv«. Daraufhin habe die »Niedersachsen« vom Befehlshaber der EU-Mission den Auftrag erhalten, die geschleppten Motorboote zu zerstören.

Mit gezielten Schüssen aus ihren Bordwaffen und von einem Kampfhubschrauber aus versenkten die Soldaten die Boote, nachdem sie sich noch einmal versichert hatten, dass keine Menschen an Bord waren. Das schleppende Schiff blieb ver­schont, da nach den vorliegenden Erkenntnissen Geiseln, darunter auch Frauen und Kinder, an Bord waren. Deren Leben sollten nicht gefährdet werden. Es nahm Kurs auf die somalische Küste.

Der Druck internationaler Marineschiffe und Überwachungsflugzeuge vor der Küste Ostafrikas ist zwar erfolgreich, führt aber dazu, dass die Seeräuber immer weiter in den Indischen Ozean ausweichen und dort Schiffe auf nicht überwachten Routen überfallen. Sie riskieren dabei auch mehr als in der Vergangenheit.

Mehr Angriffe, größere Risikobereitschaft

»In den letzten sechs Monaten attackierten somalische Piraten nicht nur mehr Schiffe als je zuvor, sie gehen mittlerweile auch höhere Risiken ein«, sagte Pottengal Mukundan, Direktor des Internationalen Schifffahrtsbüros (IMB) der Internationalen Handelskammer (ICC). Im Juni feuerten Piraten erstmals auch bei hohem Seegang auf Schiffe im Indischen Ozean. So weit hätten sich die Piraten nach Beobachtungen Mukundans in der Monsunzeit bislang nicht vorgewagt.

Der Großteil der Angriffe im ersten Halbjahr dieses Jahres ereignete sich östlich und nordöstlich des Golfes von Aden. Dort fahren besonders viele Öltanker und andere Schiffe durch, die vom Arabischen Golf kommen und in den Golf von Aden einlaufen wollen. Laut dem Halbjahresbericht des IMB wurden seit dem 20. Mai 14 Schiffe im südlichen Roten Meer angegriffen. »Für die Fahrt durch dieses Gebiet sind geeignete Schutzmaßnahmen dringend erforderlich«, empfiehlt Mukundan. Aus dem gerade veröffentlichten Quartalsbericht geht auch hervor, dass weltweit die Zahl der Piratenüberfälle auf 266 gestiegen ist. Im selben Quartal des Vorjahres waren es nur 196. Mehr als die Hälfte, nämlich 163 Angriffe, gehen allein auf das Konto somalischer Piraten. Ende Juni dieses Jahres hatten sie 20 Schiffe und 420 Besatzungsmitglieder in ihrer Gewalt.

Aus dem IMB-Bericht geht hervor, dass die Zahl der Angriffe somalischer Piraten zwar zugenommen habe, die Präsenz der Marineschiffe in der Region aber ebenso Wirkung zeige wie die Schutzmaßnahmen an Bord der Handelsschiffe. Denn während der ersten sechs Monate dieses Jahres wurden zwar 163 Schiffe angegriffen, aber nur 21 konnten gekapert werden. Im ersten Halbjahr des Vorjahres waren die Seeräuber noch erfolgreicher gewesen und hatten mit 100 Überfällen 27 Schiffe in ihre Gewalt gebracht.

Das mit Drogenhandel und Piraterie in Somalia verdiente Geld wird in Kenia,

Uganda, und Tansania gewaschen, indem die Hintermänner es in Immobilien anlegen. Das hat Auswirkungen auf die Region. So kosten Grundstücke mit einem Bungalow in guten Wohngegenden Nairobis heute rund 1 Mio. US$. Vor vier Jahren waren sie noch für etwa 300.000 US$ zu haben. Aber auch Nahrungsmittel und Bekleidung sind teurer geworden und damit oft unerschwinglich für Menschen, die nicht im Piratenbusiness tätig sind.

Wegen der häufigen Überfälle vor der Küste Ostafrikas geraten andere Küstenregionen und die dortigen Entwicklungen der Piraterie leicht aus dem Blickwinkel. So haben Seeräuber Ende Juni 43 km südlich des Hafens von Cotonou in Benin einen italienischen Öltanker einer in Neapel ansässigen Reederei in ihre Gewalt gebracht. An Bord waren 20 Seeleute von den Philippinen, zwei Italiener und ein Rumäne. Es wurden Lösegeldforderungen gestellt. Den Überfall sollen lediglich drei Piraten ausgeführt haben.

Neuer Anstrich für gekaperte Schiffe

Auch aus Südostasien werden immer weiter Piratenüberfälle gemeldet. Dort sind langsam fahrende Schleppzüge mit Bargen gefährdete Ziele. So überfielen im April zehn Piraten zwölf Seemeilen westlich der malaysischen Insel Pulau Tioman den Schlepper »Marine 26« mit der Barge »Marine Power 3301«. Sie waren lediglich mit Langmessern bewaffnet. Die Seeräuber fesselten die Crew und sperrten sie in eine Kabine. Das AIS-System schalteten sie aus, um die Verfolgung zu erschweren. Zwei Tage später setzten sie die Seeleute mit Proviant und ihren Pässen in einem Rettungsboot aus und fuhren mit dem Schleppzug weiter. Die Crew hatte Glück, von einem Fischereifahrzeug aufgenommen zu werden. Den Behörden berichtete sie, die ursprünglich rote »Marine 26« sei inzwischen grün gestrichen worden. Das ist kein ungewöhnliches Vorgehen in südostasiatischen Gewässern. Gekaperte Schiffe erhalten einen neuen Farbanstrich und Namen und werden von neuen »Eignern« betrieben.

Der zwischenstaatliche Zusammenschluss des Regional Cooperation Agreement on Combating Piracy and Armed Robbery against Ships in Asia (ReCAAP) und das IMB mahnen Kapitäne zu höchster Vorsicht bei Fahrten in den Gewässern der Südchinesischen See. Experten vermuten, dass die Piraten, die mit schnellen Motorbooten agieren, ihre Basis auf der Insel Pulau Mangkai haben. In der jüngeren Vergangenheit hatte die Piraterie in Südostasien mit verstärkten, teilweise internationalen Militärpatrouillen und zwischenstaatlicher Kooperation zwischen den Anrainerstaaten eingeschränkt werden können.

Vom Jahr 2007 an wurden meist nur noch ankernde Schiffe überfallen. Die jetzt gemeldeten Attacken haben jedoch wieder fahrende Frachter zum Ziel. Sie wurden zumeist in der Nacht angegriffen. Auch habe die Gewalt gegen die Besatzungen wieder zugenommen, heißt es im neuesten ReCAAP-Bericht. Bei einigen der Überfälle habe es Verletzte gegeben.


Eigel Wiese